
Der talentierte Mr. Ripley
Der talentierte Mr. Ripley. Eine sensationelle Neuverfilmung des 1955 erstmals erschienenen Romans der Texanerin Patricia Highsmith wirft die Scheinwerfer wieder auf das eigentliche Original. Der Roman, der 2024 in einer Neuübersetzung bei Diogenes erschien, legte eine Steilvorlage für die Miniserie “Ripley” von Steven Zaillian.
Doppelmord und Doppelleben
Tom Ripley lebt in New York. Vielleicht sollte man besser sagen “überlebt” in NYC, denn er hält sich durch Steuerbetrügereien und andere Gaunereien mehr oder weniger über Wasser. Außerdem ist ihm die Polizei auf den Fersen und es wird immer enger um ihn. Da bietet sich ihm eine einzigartige Gelegenheit. Herbert Richard Greenleaf, der Vater eines alten Freundes, “Dickie”, setzt sich mit ihm in Verbindung und bittet ihn um einen Gefallen. Dickie hat sich nämlich nach Europa abgesetzt und lebt irgendwo in der Nähe von Neapel, in einem kleinen Ort namens Mongibello. Dort will er Maler werden und dem Dolce Vita oder vielleicht eher doch dem dolce far niente frönen. Seine Mutter hat Leukämie und nur mehr ein Jahr zu leben und deswegen bittet sein Vater nun Tom Ripley seinen verlorenen Sohn wieder in die Heimat zurückzuholen. Er zahlt ihm dafür ein ordentliches Salär und natürlich sind auch die Reiskosten und andere Spesen mitinbegriffen. Greenleaf Sen. ist ein steinreicher Reeder und will, daß sein Sohn in seine Fußstapfen tritt und das Familienimperium übernimmt. Tom übernimmt den Auftrag vorerst ohne böse Gedanken, im Gegenteil, er offenbart sich sogar Dickie, dass sein Vater ihn geschickt habe und ihm auch alles bezahle. Diese Ehrlichkeit bricht das Eis zwischen dem zuerst reservierten Dickie und Tom und bald beginnen sie eine Männerfreundschaft, die die ebenfalls in Mongibello lebende amerikanische Schriftstellerin Marge ganz schon eifersüchtig macht. Denn eigentlich erwartet sie von Dickie, dass er ihr den Hof macht. Doch dann kommt alles ganz anders.
“A Month of Sundays”
Mit stilsicherer Brillanz beschreibt Patricia Highsmith das Innenleben eines – so viel darf verraten werden – Mörders, der immer mehr in seine Rolle hineinwächst und sich darin sogar selbst übertrifft. Seine Schizophrenie führt ihn sogar in eine Maskerade (“Travestie”), ein Doppelleben, das sich am Ende genau als das beste Werkzeug herausstellt, die Behörden zu überlisten. Einfühlsam beschreibt Highsmith wie sich der Emporkömmling in der Rolle des reichen Reedersohnes fühlt und beginnt, sein Leben als “ein anderer” endlich zu genießen. Er füllt die Rolle so gut aus, dass selbst der Vater und Marge, die Dickie am nächsten Stehenden und sogar seine Freunde von ihm an der Nase herumgeführt werden. Die homoerotische Spannung und leicht homophobe Stimmung passt perfekt in das Milieu der Zeit in der die Handlung spielt. Der Roman “Der talentierte Mr. Ripley” habe – so Paul Ingendaay im Nachwort – “durch Charme und Skrupellosigkeit die moralische Wertskala der Suspense-Gattung auf den Kopf gestellt” und ihn, Ripley, als “Traum aller Schwiegermütter” inszeniert. Denn er ist stets aufmerksam und höflich, ganz weltmännisch wie ein Kosmopolit. “Als müsste sie für das Los der lesbischen Liebe mildernde Umstände finden, kritisiert die Autorin bei heterosexuellen Paaren Bequemlichkeit, Selbstbetrug und erstarrte Rituale“, fasst Ingendaay ihre gesellschaftspolitische Perspektive zusammen. Mit “Der talentierte Mr. Ripley” hat Patricia Highsmith zudem einen ersten Serienhelden erschaffen, dessen Abenteuer sämtlich bei Diogenes in einer erweiterten Neuauflage erschienen sind. Ursprünglich hätte der Roman übrigens nach seinem Leitmotiv “A Month of Sundays” heißen sollen.
Fortsetzungen und Verfilmungen
Darunter: Ripley Under Ground, Ripley’s Game, Ripley Under Water, Der Junge, der Ripley folgte, etc. Übrigens soll auch die kongeniale Verfilmung von Steven Zaillian mit Andrew Scott fortgesetzt werden. Material an Steilvorlagen hat Patricia Highsmith auf hohem Niveau jedenfalls bereits geliefert, schön, dass die filmische Umsetzung so gut gelungen ist. 20 Jahre nach der Verfilmung mit Matt Damon übertrifft “Ripley” von Steven Zaillian mit Andrew Scott in der Hauptrolle alle Erwartungen an eine gelungene Literaturverfilmung. Auch Highsmiths Romanerstling “Zwei Fremde im Zug” wurde übrigens verfilmt: von Alfred Hitchcock. Er machte sie über Nacht berühmt.
Patricia Highsmith
Der talentierte Mr. Ripley
Herausgegeben von Paul Ingendaay und Anna von Planta.
Aus dem amerikanischen Englisch von Melanie Walz.
Mit einem Nachwort von Paul Ingendaay und einer editorischen Notiz von Anna von Planta
2024, Taschenbuch, 432 Seiten
ISBN: 978-3-257-24764-0
Diogenes
€ (D) 14.00 / sFr 19.00* / € (A) 14.40