Typisch weiblich? Typisch männlich? Und wo ist der Unterschied zwischen romantischer und platonischer Liebe?
Shiori informiert sich bei Hinases Retterin über deren geschlechtslose Freund*in. Dabei fragen sich beide, was eigentlich männlich oder weiblich sein soll. Hinase selbst will Shiori und Ritsu über siere Entscheidung informieren, wen sier als Freund*in haben will. Sier begründet siere Entscheidung damit, dass sier erst einmal herausfinden will, was genau eigentlich weiblich und männlich ist, bevor sier sich festlegt, denn sier liebt beide. Außerdem wird Hinase von sierem Arzt darüber informiert, dass sier wohl sterben wird, wenn die Entscheidung für ein Geschlecht nicht bald fällt. Derweil unterhalten sich Shiori und Aoi darüber, wo Liebe anfängt und platonische Zuneigung aufhört.
Hinase versucht mittlerweile alles, um herauszufinden, was typisch weiblich und männlich ist. Dazu trifft sier sich mit ein paar Freundinnen, um einen Mädelsabend zu veranstalten. Auch hier sind sich die Mädchen nicht sicher, was eigentlich typisch für ihr Geschlecht ist. Jede versteht etwas anderes darunter und insgesamt kommen alle zum Schluss, dass es typisch weiblich in dieser Form nicht gibt, sondern etwas Individuelles ist. Nachdenklich macht Hinase mit Shiori daraufhin einen Termin aus, um mit dessen Freunden abzuhängen. Sier will sehen, was Jungen so alles machen. Hinase trifft sich außerdem mit sierer Retterin, um mit ihr über deren geschlechtslose Freund*in zu reden. Sier will wissen, wie andere in sierer Situation leben.
Es gibt nicht typisch, sondern individuell und vielfältig
Das arbeitet der Manga sehr schön und ausführlich heraus. Die Dialoge, die die Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen, sind sehr geistreich, tiefsinnig und alltagstauglich-philosophisch. Sie stellen in ganz alltäglichen Situationen fest, dass es außer der physischen Erscheinung eigentlich nichts wirklich Typisches gibt, was Frauen und Männer ausmacht. Was jede*r darunter versteht, ist etwas anderes. Wenn überhaupt, gibt es Tendenzen, die von der Gesellschaft bestimmt werden. Und in diesem Manga ist nicht einmal das Biologische ausschlaggebend, denn das Geschlecht ist eine Sache der Wahl. Man denke an Transgender… Ich denke auch an Transgender, wenn es im Manga heißt, dass man sich bzgl. des Geschlechts entscheiden muss. Auch wenn das Thema bei Transgendern ein anderes ist, der enorme Druck ist der gleiche und potentiell tödlich, v.a. wenn Betroffene keine Rückendeckung vom Umfeld bekommen: Ca. 50% der Transgender verüben Selbstmord. Das ist eine erschreckende Rate.
Im Manga stehen Hinase und andere Geschlechtslose unter enormem Druck, weil sie sich für ein Geschlecht entscheiden müssen, das aber gar nicht wollen. Denn auch hier im Manga wird sehr deutlich, dass es gerade für Frauen ständige Diskriminierung bedeutet, sich für das weibliche Geschlecht zu entscheiden. Wenn man geschlechtslos bleibt, stehen einem viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, anstatt dass man pauschal in Schubladen gesteckt und damit beschnitten wird. Das wird an Hinase (sier kleidet sich und denkt konsequent geschlechtlos) und „Lisa“ (sier nennt und kleidet sich nach Gefallen männlich oder weiblich) exemplarisch dargestellt. Der Druck und die ständigen Hormonschwankungen begünstigen Unkonzentriertheit, Depressionen und Verwirrung. Letztendlich ist es das, woran die Geschlechtslosen sterben.
In einer Gesellschaft, in der konsequent nach einer vorgegebenen Zeit in weiblich und männlich unterteilt wird, ist für die besondere Denkweise und Schönheit der Geschlechtslosen kein Platz. Bewusst oder unbewusst wissen das die Neutren und verzweifeln daran. Sie dienen aber auch als Vorbild für unkonventionelle und damit bereichernde Denkweisen, die tiefsinnig sind und weit über den Tellerrand hinausblicken. Sie bringen damit andere zum Nachdenken und zum Hinterfragen von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, von Dingen, „die immer schon so waren, und damit basta!“. Sie sprengen damit eng geschnürte Korsetts und Ketten und verschaffen sich und anderen wieder Luft zum Atmen und Entfalten. Die Retterin Hinases stellt sie als (geschlechtslose) Engel dar, was sie nicht nur wegen ihrer überirdischen Schönheit, sondern auch wegen ihrer heilenden Denkweise sind.
Auch die Liebe ist ein großes Thema. Wo fängt romantische Liebe an und wo hört platonische Liebe auf? Sind die Grenzen nicht vielmehr fließend? Darf man nicht mehrere Menschen lieben und mit ihnen zusammen sein? Und zwar gleichberechtigt? Polyamorie klingt hier indirekt an, ohne aber näher auf die Schwierigkeiten einzugehen, die eine solche Beziehung mit sich bringt. Sie werden nur angedeutet, wenn man sieht, dass Shiori und Ritsu sich eine klassische Zweier-Beziehung wünschen, Hinase aber am liebsten mit beiden zusammen wäre. Aber auch Ritsu und Shiori haben schon eine Entwicklung in Liebesdingen mitgemacht: Sie wären jetzt bereit, Hinase sowohl als geschlechtslose Person als auch in einer Frau-Frau- oder Manna-Mann-Konstellation zu lieben, d.h. sie machen ihre Liebe nicht mehr vom Geschlecht abhängig. Aber auch hier wirft Aoi ein, dass heterosexuelle und homosexuelle Menschen nunmal so gepolt sind, wie sie sind, und man nicht erwarten darf, dass Heterosexuelle auf einmal homosexuell werden oder umgekehrt. Auch hier heißt es schlussendlich: Jede*r liebt individuell und Liebe ist vielgestaltig.
Fazit
Extrem empfehlenswert, weil anhand von tiefgründigen Gesprächen aufgezeigt wird, dass es typisch weiblich und typisch männlich, überhaupt „typisch“ gar nicht gibt, sondern naturgemäß die Vielfalt das Leben und Lieben bestimmt.