Die Lehren der Großmütter: Selbstermächtigung – Die Offenbarung des zutiefst Weiblichen

Zu viel Yang, zu wenig Yin

Autorin Sharon McErlane begegnete den weisen Frauen, die sie “Großmütter” nennt, während einer ganz normalen Alltagssituation: Sie erschienen ihr bei einem Spaziergang. Sie waren einfach da. Und ab dieser Zeit begleiten sie die Autorin auf ihrer Reise zu sich selbst und zu ihrer Weiblichkeit genauso wie McErlane die Leser*innen mit den Lehren der weisen Frauen begleitet, damit gerade Frauen wieder zu ihrer Urkraft finden. Sie nennt diese weibliche Urkraft nach der asiatischen Lehre Yin und die männliche Yang.

Nach den Botschaften der weisen Frauen, die die Autorin durch schamanische Reisen empfängt, leidet unsere Welt an einem Übermaß an Yang, welches völlig außer Kontrolle geraten ist. Sie vergleicht diese Kraft mit einem Stier, der gegen eine Kette wütet, die zum Zerreißen gespannt ist. Dagegen wird das weibliche Yin gering geschätzt und ist deswegen unterrepräsentiert. Das Yin vergleicht die Autorin mit den Wurzeln eines Baumes, die den Baum aus dem Feuchten und der Erde nähren und stärken. Die Yang-Welt ist zur Zeit vom Yin abgeschnitten; sogar viele Frauen leben Yang. Aber beide Geschlechter leiden unter diesem extremen Ungleichgewicht.

Deshalb seien nach der Autorin die Großmütter in ihr Leben getreten, um die Yin-Kraft wieder in den Frauen zu verankern. Die Großmütter verdeutlichen, dass Yin und Yang nur scheinbar Gegensätze sind, denn das eine trägt den Samen des anderen in sich. Yin soll in der heutigen Zeit Yang neu ordnen, denn Energie stagniert und wird gestaut, was die Probleme der Welt verursacht. Wenn es keine Bewegung gibt, gibt es kein Leben.

Yin und Yang formen sich gegenseitig, indem sie in ihrem natürlichen Fluss aneinanderstoßen. Die Welt soll wieder zurückkehren zum Genährtsein, zur Liebe und zur Geborgenheit der Mutter. Eroberung und Aggression seien schon so weit getrieben worden wie möglich, ohne alles Leben zu zerstören. Die Energie müsse sich wieder dem Erhalt des Lebens zuwenden. Mitgefühl, Hingabe und Verständnis seien jetzt wichtig, ebenso Vertiefung des Mitgefühls zur Weisheit anstatt Anhäufung von Wissen. Anstrengung und Sein müssten wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Yang sei jetzt müde und überspannt. Außerdem gebe es keine Anerkennung für den weiblichen Aspekt Gottes. Die Frauen sollen ihre eigene göttliche Natur wieder erkennen. In diesem Zusammenhang unterliegen Großmütter nicht mehr dem Kampf, sondern halten ihre Familie und fördern das Gute im Leben. Die Eigenschaft des selbstlosen Gebens einer Großmutter sei das, was die Erde jetzt braucht.

Die weisen Frauen betonen, dass alle miteinander verbunden sind und nennen diese Verbundenheit das Gewebe des Seins, in denen sich die Fäden der Lebewesen miteinander verweben. Hastende Menschen – das sei falsch. Ebenso die Art und Weise, wie (Nutz-)Tiere gehalten und (Nutz-)Pflanzen zum Wachsen genötigt werden. Haustiere seien wichtig, weil sie uns mit der Erde verbinden, das Herz nähren und ihm Frieden geben. Gottesdienst ist die Liebe und Fürsorge, die wir einem Lebewesen, egal ob Mensch, Tier oder Pflanze, angedeihen lassen. Einander lieben sei die einzige Tat, die zählt.

Der Lebensbaum werde heute nicht als Einheit betrachtet, was Probleme verursacht. Der Lebensbaum gibt jeder/jedem seine ganz spezielle (Lebens-)Frucht. Wenn diese gewürdigt wird, blüht man und trägt Früchte. Mit Machtkämpfen zwischen Männern und Frauen solle man keine Zeit verschwenden, denn der ganze Baum braucht Fürsorge. Wenn die Äste (Yang) abgeschnitten oder die Wurzeln (Yin) abgeschnitten werden, stirbt der Baum. Alle seien eins mit dem Baum des Lebens.

Außerdem zeigen Die Großmütter der Autorin den Wert des Tanzes, des Spielens und des Singens. Frauen können sich auch einen eigenen heiligen Ort z.B. in ihrer Wohnung einrichten, an dem sie Ehrerbietung üben können und so einen Kraftort schaffen. Dabei sind die Art der Gebete und die Zeremonien egal, solange sie dem selbstlosen Geben dienen. Auf diese Art führen alle Wege zu Gott, kein Weg ist schlechter als der andere. Aus solchen Gebeten komme Liebe in Aktion. Es sei an der Zeit, dass Yin und Yang sich umarmen.

Einfach man selbst zu sein, anstatt ständig zu tun; langsam gehen und tief gehen. Weisheit zeige sich, wenn das Ego verstummt. Liebe allein bringe Weisheit, während Weisheit eine tiefere Liebe hervorbringt. Weisheit komme nicht aus dem Verstand, sondern aus dem Herzen. Unter den Exzessen des Yang liege Harmonie auf der Erde. Deshalb solle man auf den Rhythmus des Lebens vertrauen und mit ihm tanzen.

 

Zurück zum Gleichgewicht

Mich persönlich erinnert das alles an das, was über das Patriarchat und das Matriarchat gesagt wird. Das Patriarchat hat viel Unheil angerichtet, das wieder ins Lot gebracht werden muss. Es schadet, wie die Großmütter in ihren eigenen Lehren festgestellt haben, nicht nur den Frauen, sondern auch den Männern. Ohne die Achtung voreinander und für die Umwelt, ohne Gleichgewicht und gegenseitige Wertschätzung geht die Welt zugrunde. Das kann man aus den Forschungen zum Patriarchat, Matriarchat und auch hier aus den Lehren der Großmütter mitnehmen.

Im Buch sind noch Übungen angeschlossen, die schon im Hauptteil des Buches erwähnt werden, und die die Verbundenheit zu sich selbst und allen Lebewesen verstärken sollen.

Die Wahrheiten, die die Großmütter verbreiten, sind mit den gesunden Menschenverstand sehr gut nachzuvollziehen und übereinzubringen. Man kann sich angesichts der Zustände auf der Erde nur immer wieder an den gesunden Menschenverstand erinnern bzw. sich erinnern lassen. Das tut dieses Buch.

Das Einzige, was mir nicht so gut gefällt, aber das ist wohl eine Sache der Persönlichkeit, ist die fast schon devote Art und Weise, wie sich die Autorin vor den weisen Frauen unterwirft. Auf der anderen Seite erinnert das sehr daran, dass es immer noch nicht gern gesehen wird, wenn Frauen in natürlicher Weise selbstbewusst sind. Auch McErlane muss dieses Selbstbewusstsein wiedergewinnen; und in dem Buch sieht man den Prozess, den sie durchläuft, um wieder zu sich selbst und ihrer Weiblichkeit zu kommen. Das kann andere Frauen ermutigen, diesen Prozess ebenfalls anzustoßen.

 

Fazit

Lesenswertes Buch über das Patriarchat und das Gleichgewicht zwischen den Geschlechtern.


Illustrated by Neue Erde