Typische Rollenprosa
Als zweiter Roman des britischen Schriftstellers und Popmusikkritikers Nick Hornby erschien 1995 «High Fidelity», er gehört zu seinen bekanntesten Werken und war nach seiner euphorischen Rezeption in Großbritannien auch in Deutschland recht erfolgreich. Wie der Titel schon andeutet, geht es um Musikwiedergabe, hier von der populären Art, der Kultautor gilt als ein wichtiger Vertreter der Popkultur. Als jemand, der seine Brötchen mal mit High Fidelity verdient hat, bin ich schon öfter auf den Buchtitel gestoßen, ohne dass es je zur Lektüre kam, nun war die Zeit wohl reif dafür.
Natürlich geht es nicht wirklich um HiFi in diesem Roman, sondern lediglich um Schallplatten, ausschließlich konventionelle also, die CD wird nur nebenbei erwähnt. Der Protagonist und Ich-Erzähler, der 35jährige Rob Fleming, betreibt in einem Londoner Vorort seinen schlecht gehenden Plattenladen unter dem beziehungsreichen Namen «Championship Vinyl». Er handelt also mit Vinyl, hauptsächlich mit gebrauchten Platten, ein Eldorado für Sammler auf der Suche nach seltenen Pressungen und anderen kostbaren Raritäten. Seine beiden Mitarbeiter sind wie er absolute Pop-Nerds, oft blödeln die Drei, streiten über die Top-Five der besten oder schlechtesten Popsongs ebenso wie über die Top-Five-Bands aller Zeiten und dergleichen mehr. Neben ihrer absurd einseitigen Fixierung auf extrem randständige Popmusik eint sie auch das damit einhergehende soziale Defizit, solcherart Fanatiker sind oft sehr einsam. Rob ist es gerade wieder mal geworden, seine Freundin Laura, eine toughe Rechtsanwältin, hat ihn nach einigen gemeinsamen Jahren verlassen. Just als sie schwanger wurde, hatte er gerade eine Affäre, sie hat daraufhin abgetrieben und ist resigniert aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Ihm fällt nach diesem Schock nichts Besseres ein, als bei einer Flasche Wein seine riesige Plattensammlung neu zu ordnen. Er allein hat es verbockt, wird ihm klar, und so beginnt er, nacheinander seine Top-Five-Exfrauen, die ihn allesamt entnervt verlassen haben, aufzusuchen und nach ihren tieferen Beweggründen zu befragen. Sein Liebesleben geht derweil munter weiter, er lernt die Sängerin einer Band kennen und hat einen One-Night-Stand mit ihr, – ohne sich damit jedoch Laura aus dem Kopf schlagen zu können.
So flatterhaft wie die tausenden von Poptiteln, Bands, Schallplatten und Konzerten, die durch seinen Kopf wirbeln, ist auch seine Beziehung zu Frauen, von Liebe versteht Rob rein gar nichts, obwohl er als uriger Typ bei den Frauen gut ankommt. Mit allen Sinnen aber wehrt sich der eherne Junggeselle gegen jede Form einer Domestizierung, für ihn rangieren Frauen deutlich hinter seinen Schallplatten, sein Musikfimmel ist einfach übermächtig. Nick Hornby wirft mit seiner Geschichte eines solipsistischen Pop-Freaks einen ironischen Blick auf die Macken der Männer, entlarvt gnadenlos ihre diversen psychischen Defekte, von denen sich die grenzenlose Egozentrik als der zerstörerischste erweist, – genüsslich dürfte er dabei auch so manche Illusion argloser, vielleicht sogar hoffnungsfroher Leserinnen zerstören.
Den vielen Reflexionen zum Thema der scheinbaren Unvereinbarkeit der beiden Geschlechter steht eine ausufernde Fülle von popmusikalischen Details gegenüber, die allenfalls Insider wirklich goutieren dürften. Die gefühlt tausend Musiktitel und Musikernamen, die den Roman seitenlang füllen, überfordern nicht nur den weniger pop-närrischen Teil der Leserschaft, sie nerven ganz gewaltig und lenken unnötig vom eigentlichen Thema ab. Die in Alltagssprache eingefangene, amüsante Naivität des gleichwohl unsympathisch bleibenden Protagonisten, der seine Leser kumpelhaft direkt in der zweiten Person anspricht, drückt sich auch in ellenlangen inneren Monologen aus, in denen er seine verquere Lebenseinstellung durchventiliert. Rein literarisch ist diese sich eindeutig als typische Rollenprosa generierende Geschichte wenig überzeugend.
Fazit: mäßig
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