Wie Grischa. “Frühling kann sich sehr kalt anfühlen.” Psychiater und SPIEGEL-Bestsellerautor Jakob Hein hat zuletzt gemeinsam mit Kat Menschik auch das illustrierte Kompendium der psychoaktiven Pflanzen veröffentlicht. Bekannt geworden ist er auch durch Mein erstes T-Shirt (2001), Herr Jensen steigt aus (2006), Wurst und Wahn (2011), Kaltes Wasser (2016) und Die Orient-Mission des Leutnant Stern (2018) oder Hypochonder leben länger und andere gute Nachrichten aus meiner psychiatrischen Praxis (2020).
Import Export Geschäfte der “Bruderländer”
Der etwas sperrige Titel des hier neu vorliegenden absurd-abgedrehten Romans über ein bisschen Gras, einen genialen Coup und das Wunder von Bayern entführt die Leserinnen in die Achtziger Jahre als noch FJS in Bayern herrschte, Afghanistan von der Sowjetunion besetzt war und die Mauer gerade noch so stand. Wenn auch etwas wackelig schon. Aber ausgerechnet durch eine fette Finanzspritze aus Bayern konnte das Überleben der DDR noch ein paar Jahre gesichert werden. Wie es dazu kam, dass ausgerechnet Bayern den bankrotten Sozialismus finanzierte, erzählt die hier vorliegende herrlich abgedrehte Geschichte. Der “Held der Arbeit” ist in diesem Fall der Titelheld Grischa, der nicht nur Filmliebhaber ist, sondern auch für den Staatsdienst arbeitet, Assistent der Plankommission.
Als lebten sie schon im Sozialismus
Als solcher macht er sich Gedanken über die Finanzsituation seines Landes und überlegt sich, was das Bruderland Afghanistan, die DR Afghanistan, der D-DR im Austausch für ihre Güter anbieten könnte. Da das Land für klassische Landwirtschaft nicht so gut geeignet sei, bauten die Bauern dort vor allem Opiate und Cannabis an. Unter Einfluss des letzteren fühlten sich die Menschen, “als lebten sie schon im Sozialismus”, beschreibt ein wissenschaftlicher Kollege den Cannabis-Rausch. Was als spreche gegen eine Import-Export-Deal mit dem Bruderland am Hindukusch?
Schelmenstück mit viel trockenem Humor
Im Deutsch-Afghanischen-Freundschaftsladen im Grenzgebiet West-Berlins und der DDR wird alsbald das Harz des Cannabis im Zehnerpack verkauft, neben Wollschals und anderen Gewürzen. Frau Dr Frühling, die etwas seiner Lieblingsschauspielerin Jelena Metjolkina aus dem Film “Die Frau aus dem All” ähnelt, assistiert Grischa bei seinem Unternehmen, auch wenn sie wenig davon überzeugt ist. “Es ist das Gefühl einer großen Verbindung mit der Jugend der Welt im Geiste des Sozialismus“, so Genosse Burg poetisch über das fernöstliche Kraut, das sich bald wie warme Semmeln verkauft. Und genau der Erfolg des “Produkts” wird dann zu einem so großen Problem, dass es auch die Westdeutsche Regierung auf den Plan ruft.
Wie Grischa beinahe…
Denn die Käufer des landestypischsten Produkts Afghanistans, das Cannabis, ist hauptsächlich die westdeutsche Jugend, die aufgrund der hohen Qualität sogar aus fernen Bundesländern extra anreist. Bei einem Gulasch mit Extra-Würze entscheidet sich alsbald das Schicksal der DDR und Grischa und Frühling spielen dabei so gut zusammen, dass zumindest für den einen der beiden ein Orden abfällt: Held der Arbeit fürs Nichtstun. Aber wer würde 1 Milliarde DM nicht als Gewinn ansehen? Vordergründig ging es 1984 zwar um den Abbau der Selbstschussanlagen an der deutsch-deutschen Grenze, aber Grischa und Frühling wissen es besser.
Ein lesenswerter Schelmenroman, der die historische Tatsache des FJS eingefädelten Kredits für die DDR durch die Bong raucht. Witzig und lesenswert, voller versteckter Pointen und mit viel trockenem deutschen Humor.
Jakob Hein
Wie Grischa mit einer verwegenen Idee beinahe den Weltfrieden auslöste
2025, Hardcover mit Schutzumschlag, 256 Seiten
ISBN: 978-3-86971-316-8
Galiani-Berlin
€ 23,00


Junge aus West-Berlin. Der Mauerfall ist auch schon wieder 35 Jahre her. Die Politik feierte sich selbst, aber wie war das damals eigentlich für die Menschen? Maxim Leo hat eine Liebesgeschichte geschrieben, die vor dem Systemwechsel beginnt und mit demselben endet. Marc und Nele erzählen abwechselnd
Die herzzerreißende Liebes-geschichte zwischen Marc aus Westberlin und Nele aus Ostberlin wird voller Liebe und Hingabe erzählt und zeigt, dass es oft nicht die Worte sind, die einen verbinden, sondern das, was man spürt. “Möglicherweise hätten wir dieses tiefe Verständnis, das wir füreinander hatten, sogar aufs Spiel gesetzt, wenn wir versucht hätten, es mit Worten zu ergründen.” Der Sommer 1989 war auch der Sommer der Liebe zwischen Marc und Nele. Rebellion und Aufbruch überall, fröhlich-bunte Anarchie im grauen Schattenland diesseits der Mauer. Autor Maxim Leo und Kat Menschik verarbeiten in ihrem gemeinsamen Buch auch ähnliche Erfahrugen, die sie damals gemacht hatten. Maxim Leo ist 1970 in Ostberlin geboren und dort aufgewachsen. Er ist Journalist und Autor. Er hat zahlreiche Bestseller geschrieben, darunter seine autobiografischen Romane. Kat Menschik hat ihre Jugend wie Maxim Leo in Ostberlin verbracht und den Sommer 1989 in der Ostberliner Künstler- und Punkszene miterlebt. Heute ist sie namhafte Illustratorin. Verblüffend, dass sich die beiden damals gar nicht kennengelernt haben, meint Menschik, denn sie verkehrten in denselben Freundeskreisen und hatten ähnliche Interessen. PS: Das Mauergrau ist Absicht!
Das Haus verlassen. Die Regisseurin Jacqueline Kornmüller brachte gemeinsam mit Peter Wolf u. a. die preisgekrönte Ganymed-Serie im Kunsthistorischen Museum auf die Beine. Zuletzt inszenierte sie Die unheimliche Bibliothek von Haruki Murakami im Wiener Odeon Theater und und brachte damit Kat Menschiks Illustrationen auf die Bühne (2022). In vorliegendem bibliophil gestalteten “Pappband” erzählt sie vom Zauber der Dinge und der Freundschaft mit einem alten Haus, das mit ihr spricht. Oder nur sie mit ihm?
Hochaktuell
Djamila. Djamila stammt von dem kirgisischen Autor Tschingis Aitmatow. Die beliebte Illustratorin Kat Menschik hat Djamila mit ihren Zeichnungen veredelt und der Galiani Verlag beides in einem schmucken Büchlein herausgegeben. Eine Synthese aus gleich mehreren Dingen also, möchte man meinen, zumal Louis Aragon die Geschichte als eine der schönsten Liebesgeschichten pries. Jetzt eben noch schöner mit Illustrationen von Kat Menschik. Auch Aragon hätte das gefreut.
Die hehre Absicht allein
Fliegen meine Worte?
Frauenfeindliche Spätromantik
Tarantino-like wird diese Moabit-Geschichte aus dem Kommissar-Gereon-Rath-Universum im verruchten Berlin der 1920er aus drei Perspektiven erzählt: aus der von Adolf I. (Winkler) von Moabit, dem Schränker, der des Gefängniswärters und der seiner Tochter, Charlotte „Lotte Charly“ Ritter, auch bekannt als die Freundin des Kriminalkommissars. Adolf Winkler gehört dem Ringverein Berolina an und wird kurz vor seiner Entlassung Opfer eines Mordanschlages. Er gehört noch zur alten Garde der Kriminellen und hat ein gewissey Ganovenehrgefühl: „Dass die Berolina niemals mit Zuhältern und Drogenhändlern zusammenarbeiten wird. Dass ihr, wenn der Venuskeller so gut läuft, eben das Schutzgeld verdoppeln müsst.“, ordnet er aus dem Knast heraus seinen Berolina-Ringbrüdern an. Aber auch er ist ein Auslaufmodell, so wie man es aus einigen Mafiafilmen kennt, die ebenfalls von der Ehrhaftigkeit der ersten Generation der „ehrenwerten Gesellschaft“ überzeugt sind.

