Lucky Luke Bd. 101: Rantanplans Arche

Lucky Luke Nr. 101 - Rantanplans Arche

Tierschutz und vegetarische/vegane Lebensweise

In Cattle Gulch, wo Lucky Luke seinen neuen Auftrag bekommen soll, muss er erst einmal die Menge vor einer Lynch-Aktion abbringen. Olive Byrde, der Gerettete, entpuppt sich als wahrer Tierfreund, der zuhause eine Ranch voller geretteter Tiere versorgt. Außerdem hat er aus Mitgefühl für Tiere dem Fleischgenuss abgeschworen und ernährt sich nur noch vegetarisch – was durchaus auch köstlich ist, wie Luke trotz seines Hungers auf ein ordentliches Steak feststellt. Luke ist beeindruckt von Byrdes Lebensweise und den glücklichen Tieren auf dessen Farm, aber leider steht er mit dieser Bewunderung ziemlich allein da, denn der tierliebe Mann wird von allen anderen als Spinner verschrien und sogar tätlich angegangen. Trotzdem gibt Byrde nicht auf und findet sogar hin und wieder Unterstützerinnen. Aber nachdem Luke den wieder einmal verirrten Rantanplan im Gefängnis abgesetzt und dort von Byrde erzählt hat, macht sich ein Gauner dessen Gutmütigkeit zunutze und bringt in Byrdes Namen Terror über Cattle Gulch, das sich jetzt Veggie Town nennt. Tacos Cornseed trommelt dazu die schlimmsten Verbrecher*innen des Westens zusammen, um mit striktem Vegetarismus Geld zu verdienen. Byrde ist zwar froh, dass die Bewohner von Veggie Town auf einmal dem Fleisch und der schlechten Tierhaltung abgeschworen zu haben scheinen, aber selbst ihm entgeht nicht, dass sich trotzdem alles zum Schlechteren wendet. Das bemerkt auch Lucky Luke, als er von seinem Auftrag zurück ist, und er muss um das Leben seines Pferdes Jolly Jumper fürchten.

 

Der Weg zu einer heileren Welt

Der in sich abgeschlossene Comic nutzt als Ausgangsbasis für seine Story die wahre Gründungsgeschichte von Tierschutzvereinen in den USA und bietet am Ende ein kurzes Portrait zu Henry Bergh, der den Grundstein für die Tierschutzbewegung in Amerika legte. Außerdem stellt der Band den Deutschen Tierschutzbund kurz vor.

In diesem Band vereint sich vieles. Man fühlt sich z.B. sofort an die 80er erinnert, in denen Vegetarier*innen aufgrund ihres Lebensstils verlacht und verspottet wurden, ohne dass sich die Fleischesser meist männlichen Geschlechts gefragt hätten, ob an diesem Lebensstil nicht doch etwas dran ist. Das wird im Comic deutlich, indem die Farm von Byrde eine eigene Welt darstellt, die zudem von Cattle Gulch abgelegen und somit auch räumlich getrennt ist. Es gibt eigentlich keine Berührungspunkte, bis Tacos den vegetarischen Lebensstil gewaltsam durchsetzt. Aber auch dann finden nur Tierliebhaber*innen den Weg zur Farm und nicht das „normale“ Volk.

Anders Luke. Er ist offen genug, sich den „Spinner“ und seine Lebensweise einmal anzusehen und erlebt eine glückliche und geradezu heilsame Art und Weise, wie Tiere und Menschen miteinander umgehen könnten. Diese heile Welt springt geradezu von den Panels auf die Leser*innen über und vermittelt Glücksgefühle. Luke wird zwar trotzdem wohl weiterhin Hunger auf sein Steak haben, aber er kennt jetzt auch einen anderen Ernährungsstil und geht insgesamt achtsamer mit anderen Lebewesen um. Verstärkt wird das noch durch den in Lebensgefahr geratenen Jolly Jumper.

Außerdem drücken in den Panels die Tiere ihre Gefühle sowohl im Positiven als auch im Negativen (Angst, Qual) sehr gut aus – so wird im wahrsten Sinn des Wortes bildlich dargestellt, dass alle Lebewesen Gefühle haben und damit Subjekte und keine Objekte sind, mit denen man machen kann, was man will. Das muss sich in letzter Konsequenz auch in der Gesetzgebung niederschlagen.

Auch Kinder sind schon empfänglich für Ethik, wenn es um Tiere geht. Im Comic wird das durch „Flinker Lauch“, das Kind eines der Stämme der Indigenen, gezeigt. Er weigert sich Fleisch zu essen, weil der Kleine den Vortrag eines Tierschützers gehört hat. Ich selbst erinnere mich an einen Jungen in der Kita, der, als er erfahren hatte, dass seine Mahlzeit aus dem Fleisch von Tieren gemacht ist und deswegen Tiere getötet werden mussten, kein Fleisch mehr essen wollte und das auch durchzog. Mit vier Jahren!

Nebenbei werden noch sehr realistisch die Eltern“freuden“ dargestellt, denn entgegen allem Mythos ist das Elterndasein alles andere als ein Zuckerschlecken. Allerdings geht in diesem Fall auch das Unverständnis der Eltern und überhaupt der Gesellschaft mit Menschen einher, die empathischer und mitfühlender sind als andere. Diese werden leider oft gemobbt, ausgelacht, beschimpft, abgewertet, lächerlich gemacht, anstatt das Potential zu sehen, das solche Menschen in sich tragen und mit dem sie die Welt ein Stück besser machen würden. Mittlerweile kommt es zum Glück immer mehr in der Mitte der Gesellschaft an, dass zu viel Fleischkonsum ungesund, umfassend umweltschädlich, mitverantwortlich für den Hunger der Welt und aufgrund der Massentierzucht ethisch nicht vertretbar ist.

Allerdings zeigt der Comic auch, wohin Fanatismus führt. Byrde ist ein herzensguter Mensch, aber sein Idealismus und sein verzweifeltes Wollen einer besseren Welt führen dazu, dass er blind ist für seine Angestellten, die aus lauter Verbrechern bestehen. Dass sie Namen aus der pflanzlichen Nahrungswelt tragen, blendet Byrde ebenfalls. So erwächst aus einer eigentlich guten Sache etwas Ungutes, in diesem Fall der unter Todesstrafe gestellte Zwang, auf Fleisch zu verzichten und an der Lebensrealität vorbeizuleben. Mit Zwang erreicht man kein Verständnis. Übertragen auf unsere Welt hieße das, dass Aktionen von Umweltschützer*innen, die Dingen oder Menschen schaden (z.B. Gemälde beschädigen) eher das Gegenteil von dem auslösen, was sie eigentlich erreichen wollen. Ausgerechnet die Kunst zu wählen, die von jeher ein Mittel der kritischen Auseinandersetzung mit der Welt ist und diese intelligent spiegelt, geht völlig am Umweltschutzgedanken vorbei und spielt dazu noch denjenigen in die Hände, gegen die die Umweltschützer* eigentlich vorgehen wollen, wie z.B. Öllobbyisten.

Ansonsten ist der Humor wie üblich pfiffig, scharfsinnig und treffend. Allerdings geht er im Fall der Gemüsetotems völlig an der Kultur der Indigenen vorbei, denn Tiertotems spielen eine wichtige Rolle in der Spiritualität: Sie sind Beschützer und Vermittler zwischen Natur, Diesseits und Jenseits und stellen archetypische Tiere dar. Wohlwollend könnte man die Gemüsetotems im Comic vielleicht noch als Versuch werten, auch den Pflanzen ihre Bedeutung als Lebe- und spirituelle Wesen zuzugestehen. Humoristisch bekommen allerdings beide Seiten (die der Fleisch- und Pflanzenesser) ihr Fett weg, wobei der Blick auf Vegetarier wohlwollender ist.

Die Arche steht hier für die letzte Zufluchtsstätte der Tiere, wo sie noch so sein und leben dürfen, wie sie sind.

 

Fazit

Intelligent und humorvoll gestaltete Auseinandersetzung mit den Themen Tierschutz und Vegetarismus.


Genre: Comic, Tierschutz, vegetarische/vegane Lebensweise
Illustrated by Egmont Ehapa