Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs

Basquiat – das Buch zur Ausstellung in der Wiener Albertina

Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs. “BLAM BOOM BANG. Wo bin ich?” Heißt es auf einem Gemälde des leider zu früh verstorbenen haitianisch-puerto-ricanischen Künstlers aus New York auf Deutsch. Gerne benutzte Basquiat Symbole und Zeichen, vor allem eben auch Buchstaben und Worte in seinen Bildern. “Der Widerstreit zwischen gestisch-malerischen und figurativen Elementen, Buchstaben und Wörtern versus rinnende Acrylfarbe und aufgesprayte Linien resultierte in einem höchst dynamisierten Bilgeschehen, einem Netz aus Markierungen und Bedeutungen, einem Spiegel der vibrierenden Downtown Manhattan und ihrer Kunstszene”, schreibt der Herausgeber in seinem Vorwort.

Basquiat: Der “tanzende” Maler

Basquiat begann als junger Graffiti-Artist und kreierte mit seinem Samo© ein fiktives Künstlerkollektiv, das die Kunstwelt verändern wollte. Aber er speilte auch als Musiker in einer New Yorker Garage-Band im typischen Stil der Achtzigerjahre laut und kraklig, experimentell. New York war in dem Jahrzehnt durch Punk und Untergangsstimmung geprägt, das Stadtzentrum verwahrloste und wurde so zum Spielplatz vieler junger Kreativer. Basquiat war einer davon, der sich von Graffiti aus bald Richtung Art Brut und Minimalismus entwickelte. Dazu bediente er sich sowohl des reichen kulturellen Schatzes seiner Ahnen, als auch seinem Alltag im New York City der traurigen 80er. Die Zeichnung war die Grundlage der künstlerischen Praxis, aber er liebte auch Buchstaben, Wörter, die er “wie Pinselstriche” benutzte, schreibt Buchhart. Einen “tanzenden” Maler sah etwa ein Künstlerkollege, Fan 5 Freddy, in Basquiat, wenn er mit seinen Stiften über die Leinwand oder andere Materialien huschte. Die vorliegende Publikation folgt der derzeit in der Wiener Albertina zu sehenden Ausstellung mit dem Titel “Basquiat. Die Retrospektive”. Sie ist dort noch bis zum 8. Januar 2023 zu sehen.

Prometheus der Moderne

Sein Werk changiert zwischen Expressionismus, Pop- und Conceptual Art, nimmt Anleihen bei den Cartoons und Comics seiner Jugend und ist stets engagiert und immer politisch. Mit dem Pinsel als Waffe kämpfte er gegen Polizeigewalt, Rassismus und Unterdrückung oder sogar den Konsumkapitalismus. Francesco Pellizi zeigt Basquiat in seinem Beitrag in vorliegendem Band als Erbe der amerikanischen Tradition der Simplifizierung: Pop-Art, Minimal Art und Konzeptkunst hätten ihn beeinflusst, seine “Opfergaben” eher Selbstaufopferungen im Geiste Lautréamonts, Rimbauds oder Kafkas nicht “ex voto aus dem Verlangen, sondern von der Verlassenheit, ex desolatione“. Sein Verdienst liege vor allem in der Einführung einer ethnisch und kulturell marginalisierten Blackness in den Mainstream der westlichen Kunst. Ein Interview mit Ouattara Watts über Basquiat schließt sich an Exzerpte aus Basquiats malerischem Werk oder einigen fotografischen Aufnahmen an. Im Anschluss werden einige Werk in Großaufnahmen gezeigt, die dazwischen mit Zitaten von Jean-Michel Basquiat angereichert werden. Im Anhang befindet sich noch eine Chronologie des Lebens des Künstlers, den die Götter – vielleicht aus Neid – viel zu früh zu sich holten. Denn Basquiat war ein Brückenbauer und Prometheus der neuen Zeit: er brachte den Menschen das Feuer und musste dafür geopfert werden.

Dieter Buchhart (Hrsg.), Antonia Hoerschelmann (Hrsg.), Klaus Albrecht Schröder (Hrsg.)
Jean-Michel Basquiat. Of Symbols and Signs
2022, Hardcover, Pappband, 216 Seiten, 24,5 x 30,0 cm, 85 farbige Abbildungen, 12 s/w Abbildungen
ISBN: 978-3-7913-7956-2
€ 45,00 [D] inkl. MwSt.
€ 46,30 [A] | CHF 61,00 * (* empf. VK-Preis)
Prestel Verlag

 


Genre: Kunst, Kunstgeschichte, Malerei, Popkultur
Illustrated by Prestel

Über Gemälde von Segantini

Über Gemälde von Giovanni Segantini

Giovanni Segantini (1858–1899) wurde im damals österreichischen Arco am Gardasee geboren. Als Siebenjähriger verlor er nicht nur seine Mutter, sondern auch seine Staatsangehörigkeit. Eine Halbschwester war dafür verantwortlich und so blieb Segantini sein Leben lang staatenlos. Schon sein erstes größeres Gemälde sorgte für Aufsehen: der gewählte Lichteinfall richtete den Spot(t).

Verkannter, zu Unrecht vergessener, staatenloser Heimatmaler

Was in Frankreich gemeinhin als Pointilismus bezeichnet wurde, nennt man im Falle Giovanni Segantinis Divisionismus. Krüger nennt es “Flechttechnik”, die ein Ineinanderweben von unzähligen Einzelheiten, die dennoch differenziert und Schaft gesondert aber als Einheit dargestellt wurden. Das Faszinierende an Segantinis Gemälden sind für Krüger aber nicht nur die Farben und Lichteinfälle, sondern auch die Tatsache, dass er als einer der wenigen Maler seiner Zeit Landwirtschaft auch als harte Arbeit darstellte. Die idyllischen Bilder anderer Maler suggerierten stets, dass die Natur uns von selbst ernähre solange man sie respektvoll behandle und nicht malträtiere (Krüger). Gerade darin seien Segantinis Bilder moderner und nähmen Sujets vorweg, die erst nach seinem Tod populär wurden.

Über Gemälde von Giovanni Segantini

Segantini habe das Schicksal erlitten, zwei drei Jahrzehnte als Maler europäischen Ruhm zu ernten, danach aber weitgehend der Vergessenheit anheimzufallen und heute in der Kunstgeschichte nur mehr am Rande erwähnt werde, zitiert Krüger den marxistischen Kunstkritiker Konrad Farner. Mitte der Sechziger sei es zudem nicht “diskursfähig” gewesen, einem Maler zu huldigen, der sich ins Hochgebirge zurückgezogen hatte und hauptsächlich Tiere und Pflanzen malte. Selbst die Kuh wird heutzutage als Treibgasproduzent unter Generalverdacht gestellt, wie Krüger ironisch bemerkt. Aber es braucht keiner Rechtfertigung die Bilder Segantinis zu betrachten, denn was Kunst und Kitsch unterscheidet ist einzige der Lauf der Zeit.

Faszination des Verlorenen

„Voglio vedere le mie montagne“ („Ich will meine Berge sehen“) waren die letzten Worte Segantinis, die über 70 Jahre nach seinem Tod Joseph Beuys zu der gleichnamigen Rauminstallation inspirierten. In vorliegendem Bildband betrachtet man etwa die “Vanità” (Eitelkeit), “la fonte del male” (die Quelle des Übels), aus dem Jahr 1897, das eine nackte Frau vor einem Bergtümpel zeigt, in dem sie ein Bad zu nehmen gedenkt. Es zeigt eine einfache, gebirgige Landschaft in aller Schlichtheit und mit eher düsterer Farbwahl, die der Szenerie etwas Geheimnisvolles verleiht. Der Tümpel in dem sie zu baden gedenkt könnte nämlich ebenso der Abgang in den Hades sein, der Eingang zum Styx, der Fluss, der die Toten von den Lebenden trennt. Viele weitere Gemälde Segantinis werden von Michael Krüger vorgestellt und kommentiert und so der Vergessenheit entrissen. Denn seiner Bedeutung als Maler waren sich seine Zeitgenossen durchaus bewusst und stellten ihn sogar neben Rembrandt van Rijn (Kunsthistoriker Carl Brun). Die Fasznition für Giovanni Segantini fasst Michael Krüger am Ende mit einer profunden Antwort in Worte: “Wahrscheinlich schauen wir die Bilder an, weil sie das sind, was von uns übrig bleibt, und das zeigen, was wir für immer verloren haben.”

Michael Krüger
Über Gemälde von Segantini
2021, 208 Seiten, 47 Farbtafeln. Format: 18,5 x 26 cm, gebunden. Deutsche Ausgabe.
ISBN: 9783829609517
Schirmer/Mosel
€ 38,-


Genre: Bildband, Kunstgeschichte, Malerei
Illustrated by schirmer/mosel

Magie der Farben – Aquarelle aus dem Tessin.

Hermann Hesse
Magie der Farben – Aquarelle aus dem Tessin.

Jeder Mensch hat etwas in sich, jeder hatte etwas zu sagen. Aber es nicht zu verschweigen und nicht zu stammeln, sondern es auch wirklich zu sagen, sei es nun mit Worten oder mit Farben oder mit Tönen, darauf einzig kam es an!“, schreibt Hermann Hesse voller Begeisterung über sein Tun und Lassen, denn der Schriftsteller war ja eben vor allem als solcher und weniger als Maler bekannt. „Dem allen bin ich davongelaufen, es gibt jetzt für ein paar Stunden keine Bücher, keine Studierzimmer mehr. Es gibt nur die Sonne und mich, und diesen hellzarten, apfelgrün durchschimmerten Septembermorgenhimmel, und das strahlende Gelb im herbstlichen Laub der Maulbeerbäume und der Reben.

Chiffren des Unsterblichen

Volker Michels spricht in seinem Nachwort zu vorliegender reich bebilderter Schmuckausgabe mit Bildern von Hermann Hesse von der geradezu „existentiellen Notwendigkeit“ zu der das Malen für Hesse geworden war. Das Eigenständige und Unverkennbare an Hesses Malerei sei „die enge Wechselwirkung zwischen der Abstraktion, Farbigkeit und Musikalität seiner Bilder mit denselben Komponenten in seiner Lyrik und Prosa“, schreibt Michels. „In seinen Dichtungen und Bildern vermittelt Hesse nicht ein Abbild der Wirklichkeit, sondern ihr Sinnbild.“ Denn die positive Tendenz der Zuversicht und Heiterkeit, die sich in Hesses Büchern erst nach langwierigen, krisenhaften Entwicklungen herauskristallisieren würden und „mit Chiffren wie das ‚Lachen der Unsterblichen’ (im ‚Steppenwolf’) oder ‚Die Goldene Spur’ (in ‚Narziß und Goldmund’) bezeichnet wird“, trete in seinen Aquarellen bereits augenfällig zu Tage.

Malen als Frühling der Seele

Oh, es gab auf der Welt nichts Schöneres, nichts Wichtigeres, nichts Beglückenderes als Malen, alles andre war dummes Zeug, war Zeitverschwendung und Getue.“ Im Alter von 40 Jahren, mitten im Ersten Weltkrieg, hatte Hermann Hesse zu malen begonnen und es ist auch für den Leser eine wahre Wonne, zu lesen, mit welchen Worten er seine Begeisterung für das Malen teilt: „Aber Tage wie heute, das war etwas anderes und Besonderes, an diesen Tagen konnte man nicht malen, sondern mußte malen. Da blicket jedes Fleckchen Rot oder Ocker so klangvoll aus dem Grün, jeder alte Rebenpfahl mit seinem Schatten stand da so nachdenklich schön in sich versunken und noch im tiefsten Schatten sprach jede Farbe klar und kräftig.“ Es ist förmlich zu spüren, wie ihm selbst das Herz aufgeht bei dieser neuen Tätigkeit, bei der er sich fast noch mehr entfalten kann als beim Schreiben. Es war ihm ein „Ausweg, um auch in bittersten Zeiten das Leben ertragen zu können“, wie er selbst an einer Stelle schreibt, „und um Distanz von der Literatur zu gewinnen“. „Das Produzieren mit Feder und Pinsel ist für mich der Wein, dessen Rausch das Leben so weit wärmt, dass es zu ertragen ist.“

Magie des Malens

Seine Malausflüge im Tessin zeitigten zusammenhängende Bilderfolgen und Aquarellalben und aus einem dieser Alben von 1922 erscheint hier eine Folge seiner reizvollsten Arbeiten, aber auch Blätter aus späteren Jahren. Zusammen mit seinen Betrachtungen über seine Malerei und Selbstzeugnisse aus seinen Briefen lässt dieser kleine schmale und doch so bunte Band den Leser an der Begeisterung teilhaben und einen sogar mitten im Winter eine Art Frühlingsaufbruch erspüren.

Hermann Hesse

Magie der Farben – Aquarelle aus dem Tessin.

Mit Betrachtungen und Gedichten

Zusammengestellt und mit einem Nachwort von Volker Michels

D: 14,00 € / A: 14,40 € / CH: 20,90 sFr

2019, Hardcover, Insel-Bücherei 1465, Gebunden, 104 Seiten

ISBN: 978-3-458-19465-1

Insel/Suhrkamp Verlag

 

 

 


Genre: Bildband, Essay, Malerei
Illustrated by Insel Frankfurt am Main

Frida Kahlo und San Francisco

Kahlo in San Francisco

Frida Kahlo and San Francisco: Im Fine Arts Museum of San Francisco FAMSF findet vom 21.03.2020 – 26.07.2020 die gleichnamige Ausstellung statt, zu der diese hochwertige Publikation des Hirmer Verlages dieses Frühjahr erschienen ist. Gemeinsam mit ihrem Mann Diego Rivera reiste Frida Kahlo 1930 nach San Francisco und lebte dort ein ganzes Jahr. Der vorliegende Ausstellungskatalog enthält Essays zu Kahlos Rolle als Künstlerin und ihrem Aufenthalt in San Francisco sowie Abbildungen zahlreicher Werke und Fotografien.

Frida Kahlo und San Francisco

Zwei Aufenthalte kennzeichnen Kahlos Verhältnis zu San Francisco: von Herbst 1930 bis Frühjahr 1931 und später von September bis Dezember 1940 als sie in SF’s Rathaus Diego Riviera (nach der Scheidung von 1939) erneut heiratete. Und wie so oft entdeckte auch Frida Kahlo im Ausland ihre eigene (mexikanische) Identität. Der Blick auf ihre Heimat von den USA trug wesentlich zu Konstruktion ihrer Ich-Identität und ihrer Kunst bei. Das drückte sich auch in ihrem Kleidungsstil aus, der Passanten dazu veranlasst habe, sie anzustarren, so Hilda Trujillo (Direktorin des Kahlo/Rivera Museums in Mexico City) in ihrem „Statement“ genannten Vorwort. Trujillo resümiert auch die Ereignisse zwischen den beiden San Francisco Aufenthalten der Künsterlin, in denen nicht nur der Zweite Weltkrieg begann, sondern auch Trotzki in Mexiko von Stalins Schergen ermordet wurde. Oder Riveras Beitrag zum Rockefeller Center, „Man at Crossroads“ vom Auftraggeber selbst zerstört wurde, weil Lenin darin abgebildet war. Eine Periode großer ideologischer Konflikte also, die die ganze Welt erschütterten.

Identitätskonstruktion in Konfrontation

Weitere Essays stammen von den Kuratoren der Ausstellung Circe Henestrosa und Gannit Ankori, die sich mit Kahlos Kleidungsstil und Kunst beschäftigen. Dass San Francisco eine wesentliche Rolle bei der Ich-Konstruktion des Menschen und der Künstlerin Frida Kahl spielte, darin sind sich alle Beiträge einig. „It is interestingto consider, and striking to see, the role that San Francisco played in the artist’s development and the factors that informed the creation of her distinctive identity and her bold and uncompromising art“, schreibt Hillary C. Olcott und eröffnet den darauffolgenden bunten Bilderreigen dieser Publikation, die in den San Francisco Jahren von Frida Kahlo entstanden.

Hg. Gannit Ankori, Circe Henestrosa, Hillary C. Olcott
FRIDA KAHLO AND SAN FRANCISCO
Constructing Her Identity
Beiträge von G. Ankori, C. Henestrosa, H. C. Olcott
Text: Englisch
96 Seiten, 70 Abbildungen in Farbe
20,3 x 25,4 cm, Klappenbroschur
ISBN: 978-3-7774-3573-2

22,00 € [D] | 22,70 € [A] | 28,00 SFR [CH]
Hirmer Verlag


Genre: Kunst, Malerei, Surrealismus
Illustrated by Hirmer