Sie lässt sich in Österreichs Bergen schockfrosten beim Hirsch-Watching, reist alternden Ameisenbären durch halb Europa hinterher und domestiziert eine Kakerlaken-Gang samt des berüchtigten Anführers Schabi Alonso: Anja Rützel ist die geborene Tierflüsterin (auch wenn man sich bisweilen nur schwer des Eindrucks erwehren kann, dass einige ihrer Patienten kurzerhand den Spieß umdrehen um ihrerseits als Rützel-Flüsterer zu reüssieren).
Mit einer kräftig wohltuenden Portion Empathie berichtet die Autorin über ihre Erfahrungen und Begegnungen mit der Fauna und beschränkt sich dabei nicht auf die leicht zu liebenden Tiere wie Hunde, Katzen oder Goldhamster; sie hat stets auch die Entrechteten und Zukurzgekommenen im Blick, seien es Molche, Kühe oder eben die besagten Schaben. Die geschliffene Sprache und der großartige Wortwitz machen dieses Buch zu einem echten Kleinod der Nischenliteratur, das Ganze solide unterbaut durch Zitate kompetenter (Tier-)Philosophen. Dem Werk wohnt eine beinahe verstörende Magie inne, die beispielsweise den Rezensenten dazu nötigte, sich noch während der Lektüre schnurstracks in den nächstgelegenen Zoo zu begeben um Alpakas zu beobachten.
Autorin Anja Rützel hatte bereits eine Stelle beim Landratsamt Main-Spessart sicher, doch sie besann sich (zum Glück für die Leser) eines Besseren und wechselte zur schreibenden Zunft. Einem breiten (sic!) Publikum ist sie bekannt als zuverlässig kompetente Berichterstatterin von Fremdschäm-TV-Events u.a. bei Spiegel Online, daher auch ihr ebenso lesenswerter Erstling »Trash-TV«.
Endlich mal wieder eine Rezi vom Kretzler!