»Man darf als Kulturwissenschaftler nicht vor scheinbar niederen Themen und Phänomenen zurückschrecken, weil sich ein Müllmann auch nicht vor dem Müll fürchten darf.«
Von der durchsichtigen Bluse bei »Wünsch Dir was« (für den Rezensenten eine prägende frühpubertäre TV-Erfahrung) bis zu den Kasalla-Eskapaden känguruhodenverzehrender Dschungelcamp-Rabauken: Getreu dem obigen Motto begibt sich Anja Rützel in die Niederungen des Katastrophenfernsehens und sie macht dabei keine Gefangenen. Das tut sie jedoch ohne oberlehrerhaft erhobenen Zeigefinger, dafür mit wunderbarem Wortwitz und Empathie statt Zynismus. Dennoch wird nicht gespart mit Kritik an den z.T. menschenverachtenden Formaten (»Germany’s next Topmodel«), aber eben nicht als elitär verächtlich schnaubende Bildungsbürgerin, sondern als bekennender Trash-TV-Fan; »Es ist Mist, aber ich mag’s.«
Auch wenn bisweilen Zitate vermeintlicher Philosophie- und Medienexperten eingestreut werden: Wirklich notwendig ist das nicht, denn Frau Rützel macht das auch alleine vortrefflich, das Buch ist ein großartiges Lesevergnügen, nicht nur für die Zielgruppe von RTL & Co.
Autorin Anja Rützel hatte bereits eine Stelle beim Landratsamt Main-Spessart sicher, doch sie besann sich (zum Glück für die Leser) eines Besseren und wechselte zur schreibenden Zunft. Einem breiten (sic!) Publikum ist sie bekannt als zuverlässig kompetente Berichterstatterin von Fremdschäm-TV-Events u.a. bei Spiegel Online. In ihrer Freizeit veranstaltet sie gerne Schabenorakel mit Hund Juri als notariellem Beobachter.
Gestehe: Gelegentlich steigt auch der Rezensent in die Tiefen des Trash-TV ein …
Das ist ja auch gut so, da es »aus wissenschaftlichen Gründen« geschieht.
Genau, für die Wissenschaft nimmt man so einiges auf sich…