Sieben von mörderischer Langeweile gequälte Männer treffen sich, um den öden Alltag mit kleinem Kitzel zu lockern. Sie nehmen zur Abwechslung teil an spiritistischen Experimenten, besuchen Gefängnisse, psychiatrische Kliniken und Vorlesungen in Anatomie; an einem Abend gesteht ein Novize in ihrem Kreis, dass er 99 Menschen in den Tod schickte und sich selbst zum 100. Opfer bestimmte. — Flackernd und unheimlich beginnt »Das Rote Zimmer«, eine der acht in diesem Band versammelten sonderbaren Schauergeschichten, die der Begründer der japanischen Kriminalgeschichte im zweiten Quartal des vorigen Jahrhunderts veröffentlichte.
Rampos grotesk gedehnte Geschichten spielen in der begüterten oberen Mittelschicht und atmen die Monotonie dieser sorgenfrei lebenden Kaste. Komplizierte und aufwändig konstruierte Verbrechen aus Langeweile werden veranstaltet, um die eigenen Grenzen auszureizen und den eintönigen Alltag aufzulockern. Oft verfallen die Akteure dem Zwang, sich alles von der Seele reden zu müssen: sie beichten ihre Sünden im Angesicht des Todes oder gestehen ihre Untaten in Brief- oder Buchform. Rampo tuscht seine Gestalten mit haarfeinem Pinsel und schafft es, subtile Geständnisse in eine fesselnde Form zu fassen; das macht diesen Sammelband literarisch faszinierend und lesenswert!
Um die Lust auf die Lektüre zu reizen, seien schnell noch die weiteren Rampo-Stories beleuchtet: »Zwei Versehrte« treffen sich auf einen Tee und berichten aus ihrem Leben. Der eine ist von Messerstichen und Granatsplittern entstellt, der andere leidet darunter, seit Jahrzehnten Schlafwandler zu sein, der nachts stiehlt und einen alten Mann im Schlaf erdrosselt haben soll. Besteht eine Verbindung zwischen den beiden Männern? — In »Zwillinge« gesteht ein zum Tode verurteilter Mörder, auch seinen älteren Zwillingsbruder beseitigt zu haben sowie in dessen Identität geschlüpft zu sein, bis er wegen einer Nachlässigkeit überführt wird. — »Der psychologische Test« dient als letzte Gelegenheit, in einem eigentlich klaren Mordfall den wahren Schuldigen kunstvoll zu überführen. — Die Titelgeschichte »Spiegelhölle« beschreibt den Wahnsinn eines Mannes, der sich an Glas und Spiegeln berauscht. — »Die Raupe« ist der im Krieg grässlich verstümmelte Torso eines Soldaten, der sich vor seiner Frau in einen Brunnen wirft. — »Auf der Klippe« stürzt eine Ehefrau ihren Gatten in den Tod, nachdem sie bereits ihren ersten Mann in angeblicher Notwehr getötet hat. — »Der Sesselmann« ist ein kunstfertiger Möbelmacher, der im Inneren eines von ihm gefertigten großen Lederfauteuils haust und einer wohl geformten Schriftstellerin, die sich täglich auf ihm reibt, einen Liebesbrief schickt … oder ist es etwa nur der perfide Trick eines genialen Autors, um gelesen zu werden???