Im Banne der AfD

Jeder normale Mensch greift sich doch an den Kopf und würde fragen, ob wir noch alle Latten am Zaun haben. Ich habe so langsam keinen Bock mehr auf den Menschenmüll, der bei uns einläuft.“

Das schrieb 2018 kein AfD-Gegner, sondern ein Mitglied der AfD. Nicolai Boudaghi und Alexander Leschik berichten es im Vorwort Ihres Buches »Im Banne der AfD«. Jahrelang haben sie für diese Partei und deren Jugendorganisation gearbeitet, erreichten hohe Positionen. Bis sie sich eingestehen mussten, dass sie einem Irrweg gefolgt sind. Jetzt zogen sie einen Schlussstrich und haben über ihre Erfahrungen berichtet. Mit vielen Zitaten aus internen E-Mails, Foren und Veranstaltungen.

Ist das überhaupt nötig? Ja, ist es. Beiträge von außen über die AfD gibt es jede Menge und nicht alle sind von Sachkenntnis getrübt. Wenn doch, dann beschreiben sie das Bild, das die AfD nach außen abgibt. Aber wer sind die Mitglieder? Warum gehen Menschen in diese Partei? Und wie funktioniert der Zusammenhalt?
Zumindest den letzten Punkt kann das Buch eindeutig belegen. Der Zusammenhalt funktioniert wie in einer strenggläubigen Sekte. Angesehen sind die, die besonders radikal argumentieren. Wer gewählt werden will, muss radikal auftrumpfen – selbst wenn er das selbst nicht glaubt. Die Autoren erzählen, wie sie selbst diesem Druck nach und nach erlegen sind, zumindest teilweise. Der Flügel, den es angeblich gar nicht mehr gibt, bestimmt mittlerweile überall die Politik. Die Autoren beschreiben, wie der Flügel die Partei straff geführt von Höcke übernommen hat. „Heil Höcke, Kameraden“ war der Spruch eines dieser Mitglieder zur Begrüßung.
Ursprünglich eine Professorenpartei, die den Euro abschaffen wollte, trieb sie immer weiter nach rechts. Und wurde gleichzeitig ein Sammelbecken all derer, die sich von den klassischen Parteien verraten fühlten. Die Angriffe von außen fördern den Zusammenhalt der Mitglieder intern dabei enorm.

Kein Wunder, dass die Partei vor allem bei Arbeitslosen punkten kann, wie ein internes Parteipapier feststellte.

»Dabei sind die schlecht situierten Modernisierungsskeptiker, die für die Partei stimmen, meist gar nicht Feuer und Flamme für die Partei. Laut interner Analyse machen nur 31% ihr Kreuz aus Überzeugung.«

Weshalb intern viele AfDler wirtschaftliche Krisen herbeisehnen.
Nicolai Boudaghi vermutet: »Mein Eindruck ist, dass CDU und CSU, aber auch freie Wähler es gar nicht so schwer haben, solche Leute für sich zu gewinnen. Sie müssen sie nur ernst nehmen mit ihren Sorgen und Ängsten«. Das gilt leider auch für SPD und Grüne, die sich mehr mit politisch korrekter Sprache beschäftigen, als mit den Sorgen des sogenannten »Prekariats«. Die Folgen hat uns Trump in den USA vorgeführt.

Dass die Partei durch die Wahlen an die Fleischtöpfe der öffentlichen Gelder kam, zog natürlich auch jede Menge Glücksritter an. Leider ein Effekt, der auch anderen Parteien zu schaffen macht. Mit zahlreichen Zitaten aus Foren in FB, telegram und Whatsapp wird das unterfüttert.

So ist die Erzählung über die Erlebnisse der beiden Autoren in der Partei auch ein Lehrstück über deutsche Politik. Und bestätigt leider, was schon Franziska Schreiber in Inside AfD beschrieben hat. Erstaunlich, wie viele junge Menschen von der AfD angezogen werden. Gleichzeitig ist die Fluktuation hoch, viele verlassen die AFD bald wieder, wie die Autoren der beiden Bücher berichten. Bis 2019 hatte sie 80.000 Mitglieder gewonnen – aber 25.000 sind wieder ausgetreten.

Im Bann der AfD: Chats, Worte, Taten – Zwei Kronzeugen berichten, 6/2021

Europa Verlag, ISBN 978-3958904347, Print 18 €, Ebook 14,99 €

 


Illustrated by Europa Verlag Wien

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