Final Cut

Woher weiß man schon, wer einem so auf Facebook folgt und wer eigentlich hinter einem harmlosen Avatar steckt? Unter tausenden Freunden kann ein Feind stecken, der in seinem Kämmerlein schon einen perfiden Plan zusammenstrickt, der ihm Genuss und Genugtuung, einem anderen aber den sicheren Tod bringt.

Knappe 447 Seiten und ein wirklich ansprechendes Cover sorgen schon einmal für ausreichend Neugier, näherzutreten. Das Buch aufgeschlagen und einen ersten Blick hineingeworfen, wird man sofort in die dunkle Welt des Serienkillers entführt, erhält einen ersten Einblick in seine Taten und schon eine ganz leise Ahnung in seinen dunklen Plan. Eines von vielen Opfern ist ihm bereits auf Seite 8 erlegen – und erst dann fängt die Geschichte wirklich an, die nur am Rande, und dann auch nur Stück für Stück, Einblicke die Motivation des Täters bietet. Im Vordergrund steht die Kommissarin Clara Vidalis, die den Fall übernimmt und durchaus auch eine ganz persönliche Beziehung zu dem Täter hat.
Clara Vidalis und ihr Team werden durch Videoaufnahmen der Opfer auf den Serienkiller aufmerksam, die er ihr zukommen lässt. Die Opfer sprechen in die Kamera, stellen sich vor und dann werden sie kaltblütig umgebracht. Der erste Gedanke der Ermittler, dass sie Zuschauer eines sogenannten Snuff-Videos wurden, löst sich schnell auf, als sie die erste Leiche finden. Jedoch stimmt hier etwas nicht; das Opfer liegt bereits seit längerer Zeit tot in der eigenen Wohnung. Blutleer und ausgeweidet, umringt von unzähligen Käfern, die sich am leblosen Körper zu schaffen machen.
Eine nervenaufreibende Jagd nach einem Mörder, der keine Grenzen zu kennen scheint, beginnt und es scheint, dass er immer einen Schritt voraus und immer ein wenig zu nah zu sein scheint.

Ich muss zugeben, dass ich das Buch nur gekauft habe, weil ich das Cover so genial fand. Einfallsreich, anders, einfach etwas zum Anfassen, weil recht große Schlitze darauf sind, die dank des doppelten Covers rot sind. „Final Cut“ ist außerdem der Name eines recht bekannten Schnittprogramms, das ich während meiner Ausbildung gern genutzt habe. – Also war auch gleich eine persönliche Ebene da, auf der mich der Roman einfach erwischt und nicht mehr losgelassen hat.
Eigentlich war ich nie Fan von Thrillern oder Krimis. Mehr der Verfechter von Romantik und Drama habe ich aber trotzdem danach gegriffen und es auch gleich angefangen. – Und nicht mehr losgelassen.
Der Schreibstil ist richtig gut; der Autor packt den Leser am Schopf und lässt ihn nicht mehr gehen. Bei einem etwaigen Durchhänger kommt dann eh der Serienkiller wieder und gewährt dem Leser einen erschreckend detailreichen Einblick in seine Pläne und die Taten, die darauf mit Sicherheit folgen.
Veit Etzold schafft es, dass man sich, zusammen mit den Kommissaren am Tatort befindet, vor seinem geistigen Auge sieht, was sich da in den Räumen abspielt und eine Gänsehaut die Nächste jagt, wenn ein neues Opfer gefunden wird. Er scheint keine Scheu davor zu haben, auch die intimen und abschreckend wirkenden Kleinigkeiten wirklich schamlos zu beschreiben, während der Leser schockiert einfach weiterlesen muss.
Ich gehöre eigentlich zu den langsamen Lesern, aber das Buch habe ich in zwei Tagen durchgelesen. – Nein, durchgefressen und bin immer noch schwer begeistert von dem Buch.

Empfehlen kann ich es – auf jeden Fall. Aber nur, wenn man etwas stärkere Nerven hat. Hin und wieder ist der Schreibstil etwas gewöhnungsbedürftig, alles in Allem aber wirklich leicht verständlich und von der Logik her auch wirklich ganz gut nachvollziehbar. Bis zum Ende hin spannend und nervenaufreibend. Es bleibt länger im Kopf als einem lieb ist. Und ich muss zugeben, dass ich mein eigentlich recht lockeres Verhalten auf Facebook doch noch einmal überdacht habe.
Wer sich nicht nur durch die – wie meine Oma damals sagte – Flimmerkiste beeindrucken lassen möchte, sondern seine Phantasie mal herausfordern will, zu welchen abgrundtiefen Vorstellungen sie fähig ist, dem kann ich „Final Cut“ auf jeden Fall ans Herz legen.


Genre: Thriller
Illustrated by Bastei Lübbe