Dass ich das Buch bis zu Ende gelesen habe, schien anfangs unwahrscheinlich. Erst ging es, in einem Kapitel mit dem Titel: „Eva,“ detailliert um den römischen Kaiser Nero und wie er seine Mutter Agrippina verbannen und umbringen ließ. Dabei erfuhr ich, dass Seneca sein Tutor war, den er aber auch verbannte. Aber, wollte ich das lesen?
Dieses war das erste von drei Kapiteln, „ex ovo“ und „als ob“ heißen die anderen. Die Geschichte spielt in Essen, außer, wenn die Ministerin in Berlin arbeitet.
Eva Patarak, Silke Aschauer und die Frau Ministerin sind drei Frauen, die nacheinander vorgestellt werden, und dabei geht es immer auch um Mutterschaft. Eva hat einen erwachsenen Sohn, der bei ihr lebt, dick, faul und gefräßig ist und seine Zeit vorm Computer verbringt, in ihrer Wohnung, von ihr unterhalten und sie beleidigt. Silke ist eine Studienrätin für Latein, sie weiß nicht, ob sie Kinder will, aber darüber wird sie krank und die Gebärmutter wird entfernt, wohl ein Krebs, denn eine Zyto folgt. Hier werden Ärzt:innen, deren Vorschläge, alles und bis die Naht entfernt wird, detailtreu beschrieben. Und die Ministerin, vielleicht hat sie einen Namen, ist hier aber immer eben Ministerin, hat zwei Kinder, bei dem Mädchen hatte sie noch Zeit, als es klein war, obwohl berufstätig als Juristin, nun zu wenig Zeit für den kleinen Sohn, zum Glück gibt es einen lieben Papa.
Um zu verstehen, was der eine roten Faden ist, lese ich viele Seiten, die alle gut geschrieben und interessant sind: Eva macht ein Seminar, wie Naturkräuterprodukte vermarkt werden können, das klappt nicht, nach der Übernahme der Firma lernt sie, Menschen, die eigentlich noch keine brauchen, Hörgeräte für unentbehrlich halten zu lassen.
Silke macht einen Lateinunterricht, indem sie mit Hilfe von Tacitus aktuelle Fragen von Recht und Gerechtigkeit anspricht, sodass eine Mutter sich beschwert und dann wird alles lästig: wie geht eine Schule mit Beschwerden um. Der Lateinunterricht, den ich vor vielen Jahrzehnten erlitt, wird explizit kritisiert (de bello gallico), das ermuntert! Während sie krankgeschrieben ist, will sie einen Roman schreiben über: Eva Patarak.
Besonders geht es um aktuelle Politik: Es ist Wahlkampf, vor der Veranstaltung mit der Ministerin ist einer dran, zuständig für Landwirtschaft, unverschämte Bauern beschimpfen ihn: “Es ist kein Stand so hoch im Land, dass er nicht lebt von Bauernhand“ ist noch harmlos. Es sind „wütende Leute, die sich arm rechnen, mit einem bäuerlichen Standesdünkel, einem Bauernschädel; so durfte man ihn aber nicht nennen.“ Am nächsten Tag empfiehlt die Zeitung, Parteiveranstaltungen „Noch aufwendiger gegen Störer zu schützen“. Ministerin wird in ihrer Rede „Das Vertrauen in den Rechtsstaat stärken.“
In Berlin geht es um „das Justizministerium, (das) ein Mammut und gleichzeitig ein Wendegewinnler (war)“, um Intrigen, wie Pressekonferenzen vorbereitet werden. Und wie viele Briefe muss die Pressestelle der „Sehr geehrten Frau Ministerin“ beantworten!
Soll das immer wieder eingestreute Hauen und Stechen damals, bei den Römern, der Leserin zeigen, dass Politik heute genauso gewaltig ist? Zwischendurch genießen die Protagonistinnen die Schönheit der Natur am Baldeneysee bei Essen, gehen spazieren, um Kraniche fliegen zu sehen.
Eva Patarak freut sich erst, als ihr Sohn sich verändert, er geht aus, pflegt sich, hat was vor. Ermorden will er dann aber nicht, wie Nero, seine Mutter, sondern gibt der Pressestelle viel zu tun…