Liebe zwischen zwei Kulturen
Schlimmer kann es für den schmächtigen, zurückgezogenen, schüchternen, aber liebenswerten Universitätsangestellten Ryouichirou Tsutsuki kaum noch kommen: Er soll im Auftrag des Unipräsidenten einen Austauschstudenten aufnehmen. Vorbei die Ruhe, denn Austauschstudent Qualtaqa kommt direkt aus dem Dschungel – ohne jemals Kontakt mit der westlichen Zivilisation gehabt zu haben. Dementsprechend kann er weder Englisch, noch kennt Qaltaqa die Errungenschaften der modernen Technik. So stellt allein schon ein Gang auf die (japanische Hightech-)Toilette den muskulösen Krieger vor ungeahnte Herausforderungen. Aber der sanfte Riese ist zäh und willig, alles über sein Gastland zu lernen. Und so erstaunt er nicht nur die hohen Tiere der Universität mit seiner Lerngeschwindigkeit, sondern nötigt auch Ryo eine gehörige Portion Respekt ab.
Ryo selbst ist im Laufe der Zeit fasziniert von Qaltqa und dessen Fähigkeiten, im Dschungel zu (über)leben. Aber auch Qaltaqas Äußeres lässt ihn nicht kalt, denn alle Menschen vom Stamm der Lutha sind extrem attraktiv. Qaltaqa hingegen mag Ryos Liebenswürdigkeit und Warmherzigkeit. Und da Qaltaqa gewohnt ist, im Einklang mit der Natur zu leben, zeigt er Ryo offen seine Gefühle. Das ist für den japanischen Mann, dem von Anfang an beigebracht wird, seine Gefühle zu verbergen und ständig Selbstkritik zu üben, sehr erschreckend, aber gleichzeitig auch faszinierend.
So nähern sich die beiden vordergründig so unterschiedlichen Männer langsam einander an und beginnen eine heimliche Liebesbeziehung. Allerdings will Qaltqa mehr. Er nimmt Ryo mit in den Dschungel und stellt ihn seinen Stammesmitgliedern als seine “Braut” vor. Wie werden die Stammesältesten auf diese kühne Ankündigung reagieren?
Homosexualität
Die beiden in sich abgeschlossenen Bände bedienen das Genre BL (boys love = gleichgeschlechtliche Liebe zwischen jungen Männern). Da auch Sexszenen vorkommen, ist der Manga allerdings erst für ältere Leser/innen zu empfehlen. Dass dem Thema Homosexualität in Mangas ein eigenes Genre eingeräumt wird, ist erst einmal zu begrüßen. Allerdings dient es meist nicht dazu, mehr Toleranz in der (japanischen) Gesellschaft zu fördern, sondern zielt auf den Frauengeschmack ab: BL wird vorwiegend von Leserinnen gekauft, die die attraktiven Charaktere sehr zu schätzen wissen. Das Gegenstück, Yuri genannt, das die gleichgeschlechtliche Liebe zwischen Frauen thematisiert, wird eher stiefmütterlich behandelt. Das weist leider auch wieder auf die unterschiedliche Wertigkeit von Frau und Mann hin. Lesbische Liebe wird auch hierzulande nicht so offen gelebt wie schwule Liebe. Sie führt im Vergleich dazu eher ein Schattendasein. Zudem müssen viele Lesben (mit oft vorausgehenden schlechten herterosexuellen Beziehungen und den daraus resultierenden Kindern) genau wie heterosexuell Alleinerziehende mit finanzieller Armut klarkommen. Diese scheint bei schwulen Männern nicht so verbreitet zu sein.
In den BL-Mangas wird der Problematik, denen sich homosexuelle Paare ausgesetzt sehen, nicht besonders viel Raum eingeräumt, obwohl es Mangas gibt, die das durchaus tun. Das Problem des Outings wird auch hier realtiv schnell abgehandelt. Ansonsten ist die zarte Liebe, die da erblüht, schön anzusehen, denn sie ist durchaus romantischer Natur und nicht explizit auf Sexszenen ausgelegt.
Westliche Welt versus Naturvölker
Auch dieser Manga tappt in die Falle, die westliche Kultur über die der Naturvölker zu stellen. Der Vorstandsvorsitzende betont zwar die Intelligenz und die außergewöhnlichen körperlichen Fähigkeiten der Lutha, aber “da sie ein Naturvolk sind und weit weg von der Zivilisation leben, kennen sie bedauerlicherweise keinerlei Kultur des Lernens” und will dem mit seinen Beziehungen Abhilfe schaffen. Weder stellt sich ihm die Frage, ob das gut für das Naturvolk ist, noch ist ihm die Vetternwirtschaft bewusst, die er da betreibt. Und Ryou fragt auch nicht nach, denn es gilt das hierarchische Prinzip des Gehorsams. Arrogant auch die Aussage, das Naturvolk würde “keinerlei Kultur des Lernens” kennen. Wer sich damit mehr beschäftigt, weiß, dass es sehr wohl eine Kultur des Lernens gibt, die aber anders (und damit der westlichen offensichtlich nicht gleichwertig, weil mündlich und nicht schriftlich) ist.
Davon abgesehen macht sich keine der Figuren darüber Gedanken, was die “Segnungen” der Zivilisation für Schäden anrichten können. Und es in der Vergangenheit auch getan haben, wie z.B. Raubbau an der Natur, Einschleppen tödlicher Krankheiten, Alkohol, Landwegnahme, Zivilisationskrankheiten usw. Gut, dass der Manga zumindest ansatzweise die naturverbundene Sicht der Lutha dagegenstellt, von der der Raubbau betreibende Westen noch einiges bzgl. Nachhaltigkeit lernen kann. (Mal abgesehen davon muss man ja auch in der westlichen Welt nicht jeden technischen Schnickschnack mitmachen; Internet-, Handy- und Fernsehsucht kombiniert mit Bewegungsmangel reicht vollauf.) Schön auch, dass die Lutha einen Kult der Großen Göttin betreiben. Der Manga greift hier die Vorstellungen der vor-patriarchalichen Zeit auf, in der die Göttin als lebensspendende Frau in all ihrer Macht aufgetreten ist und selbst in den patriarchalischen Religionen immer noch weiterexistiert, weil sie trotz aller Repressionen und Streichungen nie ganz verschwunden ist. Anstatt Männer und Frauen zu beschneiden, wird hier eine Religion präsentiert, die Stärke und Schwäche gleichwertig vereint, die Veränderung begrüßt und betont, dass man aus sich heraus strahlen kann. Zum Glück wird ebenfalls deutlich, dass die Lutha ihre Traditionen keineswegs aufgeben wollen. Sie wollen das Beste aus beiden Welten miteinander vereinen und sich von den schädigenden Vorstellungen trennen.
Fazit
Romantischer BL-Manga, der durchaus Potential hat, aber an entscheidender Stelle auch unkritische Momente aufweist.