Nicht wie ihr

Der Proll als Millionär

Das soeben erschienene literarische Debüt des jungen österreichischen Schriftstellers Tonio Schachinger, der Roman «Nicht wie ihr», der im Milieu des Profifußballs spielt, wurde überraschend auf die Shortlist des diesjährigen Frankfurter Buchpreises gewählt. Im Interview hat der Autor zugegeben: «Die Nominierung hat mich schon gewundert». Der Klappentext nennt ihn «Ein Roman für Fußballfans und Fußballverweigerer gleichermaßen». Der Autor selbst, der sich als Hobbykicker, nicht als Fanatiker bezeichnet, hat klargestellt: «Es ist kein Schlüsselroman, aber natürlich habe ich vorher auch dazu recherchiert», Realität und Fiktion sind also eng miteinander verzahnt. Kenner der Szene werden diverse der aus juristischen Gründen leicht verfremdeten Figuren wiedererkennen, es kommen aber auch etliche reale Personen vor. Ob auch «Fußballverweigerer» Freude an dem Roman haben, hängt davon ab, inwieweit die fußballfreie Erzählebene der Geschichte sie anzusprechen vermag.

«Wer keinen Bugatti hat, kann sich gar nicht vorstellen, wie angenehm Ivo gerade sitzt», lautet der erste Satz. Protagonist des Romans ist Ivo Trifunović, ein 27jähriger, österreichischer Fußballstar mit bosnischen Wurzeln, der 100.000 Euro pro Woche verdient, eine attraktive Frau hat, die ihn sexuell sehr glücklich zu machen versteht, und zwei kleine Kinder, die er innig liebt. Er sieht gut aus, ist als cooler Typ bekannt, der auf dem Spielfeld wahre Wunder vollbringen, aber auch total versagen kann. Seine Form ist nicht konstant gut, seine Spielweise launenhaft und kaum vorhersehbar, für seine Gegner nicht, – und oft nicht mal für ihn selbst. Als er seine Jugendliebe nach langer Zeit wieder trifft und mit ihr Sex hat, kommt sein privilegiertes Luxusleben gehörig durcheinander, er merkt plötzlich, wie wenig Freiraum ihm sein durchgetaktetes Leben als Profifußballer und sein Bekanntheitsgrad in Österreich lässt. Dicht am Burnout, findet er durch ein Unglück am Ende wieder zu sich, gewinnt trotz der sportlichen Rückschläge und privaten Turbulenzen wieder neues Selbstvertrauen und endlich auch seine innere Ruhe.

Neben dem ausführlich und detailliert beschriebenen Spitzensport mit dem immergleichen Auf und Ab und all den knallharten Rangeleien hinter den Kulissen wird in der zweiten Erzählebene vom Seelenleben des Fußballhelden berichtet. Der auktoriale Erzähler bleibt immer dicht an seinem Protagonisten dran, schildert dessen Gedanken und Empfindungen in Form des Bewusstseinstroms und in ausgedehnten inneren Monologen. Dem Bildungsniveau des Helden, der lediglich die Hauptschule besucht hat, stimmig angepasst ist die rotzig-freche Proleten-Sprache des Romans. Neben dem Wiener Schmäh und dem derben Insider-Jargon der Kickerwelt ist dies auch der Neusprech der Digital Natives, deren Smartphones im Dauereinsatz sind. Ivo ist arrogant und charmant gleichermaßen, naiv und gutmütig, er kann sehr nett, aber auch sehr eigensinnig und böse sein. Als Mann ist er ein Macho durch und durch, ein Egozentriker zudem, er hat häufig Zukunftsängste, hadert zuweilen sogar mit seinem Migrationshintergrund, sein Hauptproblem aber ist die innere Leere, gegen die er lange vergeblich anzukämpfen versucht.

Obwohl nicht wirklich etwas Erzählenswertes passiert in diesem Roman, stellt er, aus der Proleten-Perspektive seines neureichen Helden erzählt, eine amüsante Gesellschaftskritik dar, in die auch der ungehemmte Turbokapitalismus einbezogen ist, der im Fußball-Business herrscht. Die vielen Klischees in diesem Roman stören erheblich, das Ganze findet in einem Goldenen Käfig statt, und richtig schief geht da eigentlich nie etwas, – außer auf dem Spielfeld mit den zweiundzwanzig Multimillionären, wenn der Ball partout nicht ins Netz will. Zwei Fragen also zum Schluss: Lehrt uns der Fußball etwas über das Leben? – Ganz im Gegenteil! Wird dieser Roman in zwei Tagen den Frankfurter Buchpreis erhalten? – Das kann ich mir auch beim allerbesten Willen nicht vorstellen!

Fazit: miserabel

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Genre: Roman
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