65 Karten über Kacke

Der Herausgeber Goldeimer ist ein gemeinnütziges Unternehmen aus Hamburg, das sich für den weltweiten Zugang zu Klos und für eine nachhaltige Sanitärwende einsetzt. In vorliegender Publikation werden Fakten auf den Tisch gelegt, die mit einschlägigen Grafiken, Karten und Bildern drastisch veranschaulichen auf welchem Holzweg sich unsere Zivilisation schon lange befindet. In 65 Karten über Kacke geht es nicht nur um die Wurst, sondern auch um lukrative Geschäfte, um Fäkalsprache im Bundestag und um gefrorenen Kot auf dem Mount Everest.

Kacke: Diktatur oder Demokratie?

Der Rohstoff Phosphor spielt bei der Welternährung eine wesentliche Rolle. Nur dumm, dass hauptsächlich Diktaturen über die größten Phosphorreserven der Welt verfügen. Nichtzuletzt deswegen müssen spätestens ab 2032 alle Kläranlagen, di das Abwasser von mehr als 50.000 Anwohner:innen behandeln, auch den darin enthaltenen Phosphor zurückgewinnen. In Belgrad wird dies schwierig, ist doch die serbische Hauptstadt die einzige Europas, die über keine Kläranlage verfügt. Weswegen der Schwimmer und Chemieprofessor Andreas Fath es auf seiner jährlichen Donauwassertestreise (vom Schwarzwald zum Schwarzen Meer) auch vermeidet, durch Belgrad zu schwimmen. Aber das Problem der Kläranlagen ist in der ganzen Welt als ein soziales bekannt. In Indien zum Beispiel aber auch Afrika und Indonesien gibt es nicht einmal genügend öffentliche Toiletten, was zu Krankheiten und Vergewaltigungen führt.

65 Karten über Kacke

In Nordkorea hingegen muss jede/r Staatsbürger:in seine Fäkalien sogar sammeln. Eine sog. Fäkalsteuer ist allerdings in der ganzen Welt einzigartig, so die Autoren. Urin ist tatsächlich nützlich zur Gewinnung, so er von den Exkrementen getrennt aufgefangen wird. Städte die ihren Urin sammeln können ihre Treibhausemissionen um bis 47 Prozent, ihren Energieverbrauch um bis zu 41 Prozent und ihren Frischwasserverbrauch um etwa 50 Prozent reduzieren. Die Nähstoffbelastung der Abwässer (Stichwort: Ammoniak) könnte sogar um 64 Prozent reduziert werden. Ein Gamechanger, der leider immer noch sehr tabubelastet ist, könnte die Welt tatsächlich verändern. Zum Guten.

Tabu oder To Do: Kacke

Die Länge des deutschen Kanalisationsnetzes ist länger als der Weg zum Mond. 384,400km ist der Abstand zum Erdumkreiser, 619,291 die Länge der Kanäle, die sowohl Regenwasser, Schmutzwasser als auch Mischwasser auffangen und wohin leiten? Richtig, in die Flüsse. Aber noch schlimmer ist es, am Gipfel des Mount Everest zu stehen und dem Geruch menschlicher Ausscheidungen ausgeliefert zu sein. Laut einer Statistik Befinden sich bereits 3 Tonnen Kacke am “Dach der Welt”, das wohl bald zum höchsten Örtchen der Welt wird. Besucher:innen müssen seit 2024 ihre Abfälle aber ohnehin wieder runtertragen und bekommen eigens dafür präparierte Säckchen mit einem Pulver, das die Ausscheidungen trocknet. Im Basislager des Everest sind es bereits 21,7 Tonnen die davon abgegeben wurden.

Ein Furz geht um die Welt

Aber kommen wir zu unterhaltsameren Fakten und Karten: ein Elefant kackt etwa 50kg am Tag, der Mensch im Vergleich dazu nur 128g. Ein Elefant und eine Katze brauchen für ihr Geschäft nur jeweils 20 Sekunden, ein Mensch immerhin 120. Mit den Fürzen ist es vielleicht sogar noch lustiger: 0,5 Liter/Tag, das sind bei 84 Millionen Deutschen immerhin 42 Millionen Liter, mit denen man 12 Heißluftballons füllen könnte. Wenn das Montgolfiere gewusst hätte! Grauslich wird’s mit dem “Monster von Whitechapel”. So wurde der riesige Fettberg aus Speiseöl und anderen Ölen im Londoner Kanalsystem genannt. Darin enthalten: Klopapier, Binden, Kondome, Drogen, Windeln, Wattepads u.ä. Eine Playlist zum Buch zeigt die Vielseitigkeit der Unterhaltsamkeit der Thematik und lädt zum fröhlichen Mitsingen ein.

Und wo wir schon einmal beim Thema sind, hier noch eine andere passende Publikation des Katapult Verlages: Kochen für den Arsch

Goldeimer
65 Karten über Kacke.
Über unbekannte Unterwelten, große Geschäfte und unangenehme Wahrheiten
ISBN: 978-3-68972-001-8
2025, Hardcover, 245mmx195mm, 128 Seiten
KATAPULT-Verlag GmbH
24.-€


Genre: Entwicklung der Landwirtschaft, Ökologie, Wirtschaft, Wissenschaft
Illustrated by Katapult

Eine kurze Geschichte der Informationswerke von der Steinzeit bis zur künstlichen Intelligenz

Anfangs dachte ich, das Vorgängerbuch Sapiens, das 25 millionenfach verkauft wurde, müsste ich vor diesem gelesen haben; der Autor bezieht sich gerne darauf. Dann aber überzeugte die Fülle der Beispiele dieses Buches. Diese „kurze Geschichte“ des Historikers hat mehr als sechs hundert Seiten, einhundert davon sind Quellenangaben.

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Genre: Politik und Gesellschaft, Wissenschaft
Illustrated by Penguin

Unsere Welt neu denken: Eine Einladung

Titel Maja GöpelDies ist ein kleines Büchlein (200 Seiten), aber es hat es in sich: Die Klimakrise wird nicht erst beschrieben, es geht darum, welches Wirtschaftssystem nötig wäre, um sie aufzuhalten. Wir sind eingeladen, mitzudenken. Am Ende jeden Kapitels stehen weitergehende Gedanken zum Gesagten, wie ein Abspann.

Unsere Utopien haben sich in Dystopien verwandelt, Ursache ist die derzeitige Produktionsweise. Diese wird von ihren Kollegen Wirtschaftswissenschaftlern als gottgegeben gelehrt. Maja Göpel, die promovierte Volkswirtin und Professorin, nimmt uns mit in eine Vorlesung, als sie junge Studentin war: Es ging darum, wie sich Menschen entscheiden, um ein Auskommen zu haben. Gelehrt wurde, dass Arbeiter immer den höchsten Lohn anstreben, auch wenn es bedeutete, dass sie ins Ausland müssten. Als sie fragte, ob berechnet worden war, „ab wieviel Armut vor Ort und Lohnunterschied Menschen denn ihre Familie verlassen würden und (warum) für einen solchen Aufwand aufseiten der Arbeiter*innen keinerlei Kosten in dem Modell auflaufen würden, wurde es plötzlich still im Hörsaal.“

Dem verblüfften Prof fiel nur ein: “Seht her, da spricht ja ein warmes Herz.“ Sie nahm das als Anstoß, sich mit den volkswirtschaftlichen Theorien zu befassen, und dies später in ihrer Promotion zu vertiefen.

Wir erhalten grundlegendes Wissen zu den immer wieder zitierten Größen des Fachs. Wir lernen, dass der „homo oeconomicus“ unersättlich ist. Dazu aus dem Abspann des Kapitels Mensch und Verhalten: „Die Mehrheit der Ökonomen denkt den Menschen immer noch als eine egoistische Kreatur, der es nur um den eigenen Vorteil geht und die dadurch auf wundersame Weise für alle Wohlstand schafft. Dieses Menschenbild ist falsch und muss dringend einem Update unterzogen werden…“

Während sich in der Natur über Milliarden von Jahren stabile Kreisläufe herausgebildet haben, auch durch Korrekturen immer wieder ausgeglichen wurden, ist unsere industrielle Produktionsweise nur auf ihre Endprodukte ausgerichtet, wie ein Fließband, das immer weiterläuft. Wenn Produkte nicht mehr gebraucht werden, werden sie nicht wieder in den Kreislauf eingespeist, sie werden Müll, der zunehmend die Umwelt belastet. Weiteres Wachstum ist angestrebt, auch wenn wir inzwischen wissen, dass mehr Produktion auch mehr Planetenzerstörung bedeutet. Dazu heißt es im Abspann des Kapitels Technologischer Fortschritt, dass das, was Fortschritt ist, neu gedacht werden muss.

Seit wann gibt es diese Bedenken? 1983 setzten die Vereinten Nationen eine Kommission ein, die „sich Gedanken machen sollte, wie sich unser Wirtschaften mit den Grenzen des Planeten vereinbaren lässt.“ Geleitet wurde sie von Gro Harlum Brundlandt. Die Definition, die als Grundlage für weitere Umweltabkommen gefunden wurde, lautet: „Dauerhafte (nachhaltige) Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können.“ Im selben Jahrzehnt erhält der US-Ökonom Solow den Nobelpreis für sein Konzept von Wachstum, welches die Rolle von Erfindungen in den Vordergrund setzt, auch diejenigen, die Naturkapital ersetzen können (Substituierbarkeit). Maja Göpel erläutert, wie dies die Definition der Brundlandt Kommission verwässert, und dafür bekommt er den Nobelpreis? Auf diesem Hintergrund verstehen wir, wie etwa die US-amerikanische Firma Walmart dazu kommt, im Jahr 2018 ein Patent für eine Blütenbefruchterdrohne anzumelden: Wenn Bienen aussterben, dann können sie doch durch eine Drohne substituiert werden!

In den reichen Ländern sind Verhaltensänderungen notwendig, dazu ein Leitsatz: „Konsumiere so, wie Du Dir wünschen würdest, dass alle es tun!“ Wir haben gelernt, das Ich im Mittelpunkt zu sehen, es gelte, nun das Wir mehr zu bedenken.

Die Stärke dieses Buches ist die von der (jungen) Wissenschaftlerin gelebte Erfahrung, wie sich die Welt im letzten Vierteljahrhundert entwickelte: Sie ist in den neunziger Jahren als Freiwillige vom BUND bei einer Demonstration in Cancun dabei, als Protest gegen eine Tagung der WTO (Welthandelsorganisation). Diese war 1994 gegründet worden, als nach dem Zusammenbruch des Kommunismus die Vorteile einer globalisierten Weltwirtschaft formuliert worden waren.

Sie ist Geschäftsführerin des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung, und auch Mitbegründerin der Scientists for Future, die wissenschaftliche Belege für die Jugendlichenbewegung Fridays for Future liefern. Sie hat die Bildung der Oligopolisten (Marktführer mit wenig Konkurrenz) beobachtet und wissenschaftlich begleitet, die Finanzkrise, bei der Großbanken mit Steuergeldern gerettet wurden, und, und, und …

Es ist dies das erste wirtschaftswissenschaftliche Buch, das ich gerne, und bis zum Schluss, gelesen habe. Und ich habe endlich verstanden, was mich so störte, als ich vor Jahren meinen Master in Management machte: Nicht alle, nur wenige Menschen ticken so, wie sie es nach dem Menschenbild der Ökonomen tun. Im Gegenteil: Warme Herzen können einen scharfen Geist befördern!


Genre: Politik und Gesellschaft, Wirtschaft, Wissenschaft
Illustrated by Ullstein

Das Recht auf Schlaf

Eine „Laudatio auf den Schlaf“ nennt Till Roenneberg seine „Kampfschrift“. Der Professor am Institut für Medizinische Psychologie der Ludwig-Maximilians-Universität München ist Schlafforscher und Chronobiologe, also ein Erforscher unserer biologischen Uhr. Er beherrscht damit das Thema und möchte Nichtfachleuten Wissen vermitteln. Ob es ihm gelingt, steht allerdings auf einem anderen Blatt. Weiterlesen


Genre: Sachbuch, Wissenschaft
Illustrated by dtv München

Wie der Bauch dem Kopf beim Denken hilft

In jedem von uns könnte ein kleines Genie stecken, heißt es, und viele Dichter, Denker, Wissenschaftler und Forscher haben sich bemüht, die Bedingungen und Ursachen der Genialität herauszufinden. In einem sind sich dabei inzwischen wohl alle einig: In unserem Gehirn findet sich keine Antwort auf diese Frage!  Weiterlesen


Genre: Sachbuch, Wissenschaft
Illustrated by Fischer Taschenbuch Frankfurt am Main