Boys run the Riot 1

Darf ich mich zeigen, so wie ich bin?

Ryo hat ein Problem: Er findet die Mädchenuniform seiner Schule fürchterlich – v.a. weil er sie selbst tragen muss. Denn Ryo ist transgender, ein Junge im Körper eines Mädchens. So ist er tagtäglich gezwungen, sich Ausreden zu überlegen, warum er nicht in Uniform sondern in Sportkleidung in die Schule kommt, muss die schrägen Blicke ertragen, wenn er mit Jungs abhängt und Mädchen toll findet. Nur seine Kumpeline Chika ist vom Charakter her offen und gegen jede Ungerechtigkeit. Aber selbst ihr kann Ryo seine wahre Identität nicht anvertrauen. Dann allerdings ändert sich sein Leben grundlegend, als Sitzenbleiber Jin in die Klasse kommt. Jin pfeift auf Konventionen, er will sein eigenes Leben leben – und er sieht Ryo, wie Ryo wirklich ist. Weil Rin alles so sieht, wie es wirklich ist, hat er auch keine Vorurteile und ist in der Lage, die Qualitäten und den Charakter eines jeden Menschen sofort wahrzunehmen. Deshalb bietet er Ryo spontan an, mit ihm ein Modelabel zu gründen, denn Ryo hat eine Begabung für alles Künstlerische. Aber Ryo ist noch misstrauisch, denn er hat mittlerweile zu viele Narben davongetragen, um noch jemandem zu vertrauen.

 

Der Gesellschaft einen unbequemen Spiegel vorhalten

Der 1. Band der Reihe lässt sich sehr gut an. Er bietet Einblicke in die Gedankenwelt derjenigen, die am Rande der Gesellschaft stehen – und entlarvt gleichzeitig durch die reine Präsentation der Charaktere, wie die Gesellschaft wirklich tickt: arrogant, egoistisch, engstirnig, diskriminierend, gewalttätig. Diese Charakterzüge nämlich tragen die besonders beliebten Jungen der Schule, während Ryo, Rin und im weiteren Verlauf der begabte Fotograf und ebenfalls Außenseiter Todo zwar menschliche Schwächen und Macken haben, aber in der Lage sind, sich selbst und anderes zu reflektieren, den Mut zur Selbstfindung aufbringen, einen guten Kern haben, den eigenen Schwächen ins Auge zu blicken und den Mut anderer wertzuschätzen, ebenso wie sie lernen, nicht nur sich selbst, sondern auch andere aufgrund ihrer menschlichen Qualitäten zu schätzen. Und ausgerechnet Rin, der vom Aussehen her das Schlägerklischee in jeder Hinsicht erfüllt, ist Lehrmeister für Ryo und Todo. So lernen die beiden, ehrlich zu sich selbst und anderen zu sein und sich für ihre Werte einzusetzen.

Der Manga bringt also allmählich ans Licht, worauf es wirklich ankommt: Menschlichkeit, Selbstfindung und das Kämpfen für eine gerechte und barmherzige Welt. Denn die jetzige ist noch weit davon entfernt, wenn sie Gewalttätigkeit und Diskriminierung nicht nur zulässt, sondern sogar gutheißt und destruktive Menschen hohes Ansehen genießen. Der Manga hält der Welt den Spiegel vor und zeigt die Destruktivität der Menschen, für die das zum normalen Leben gehört. Und er bricht eine Lanze für die Kunst, die schon immer Selbstausdruck war, intelligent die Geschehnisse der Zeit beleuchtet, bricht, kritisiert, seziert, mögliche (Lösungs-)Wege aufzeigt und damit ein fundamental wichtiger Teil der Gesellschaft und deren Gewissen ist. Da Mangas ebenfalls Ausdruck von Kunst sind, kann man hier also von der Form her eine Ebene in der Ebene beobachten. Kunst drückt sich in diesem Manga nicht nur in qualitativ hochwertigen Graffitis und Fotos aus, sondern auch in der Mode – sofern diese eine Botschaft hat, dem Selbstausdruck dient und die Herzen der Menschen berührt. Natürlich wollen die drei mit ihrem Traum auch Geld verdienen, aber für Geld verbiegen sie sich nicht, sondern nutzen die Mode als ihr Sprachrohr.

 

Insgesamt also ein sehr gelungener, tiefgründiger Auftakt einer hoffentlich im weiteren Verlauf guten und wichtigen Serie!


Genre: Anderssein, Kunst, Manga, Mode, Selbstfindung, Transgender
Illustrated by Carlsen Manga!

She likes Gay Boys but not me 2 und 3

She likes gay boys but not me 3 - Naoto Asahara, Akira Hirahara

Konformität versus Individualität

Jun wird gegen seinen Willen geoutet und hat anschließend einen schweren Stand in der Klasse. Auch seine Freundin Sae kämpft mit der Situation. Aber als sie vor ihren Schulkameraden eine Rede hält, outet sie sich als Fan von BL-Manga und steht für sich und Jun, sowie für alle, die anders sind, ein. Jun kommt daraufhin eine Weile nicht mehr in die Schule. Er erfährt schließlich, dass die anderen in der Klasse mit den Lehrer*innen über Homosexualität gesprochen haben und sie scheinbar tolerant sind. Aber Jun merkt an kleinen Details, wie es um diese Toleranz tatsächlich bestellt ist – da ist noch viel Luft nach oben. Da ist ihm eine ehrliche, wenn auch unangenehme Meinung wie die von Yusuke lieber, denn mit Ehrlichkeit kann man besser umgehen als mit Scheinheiligkeit, zumal dieser Austausch der Meinungen langfristig mehr Verständnis füreinander bewirkt. Außerdem will Jun den Selbstmord seines Internetfreundes „Mr. Fahrenheit“ aufarbeiten und fährt deshalb mit Sae zu dessen Wohnort. Als er die Familie des Toten kennenlernt, weiß er, warum der Junge sich umgebracht hat. Außerdem will er für sich und seinen toten Freund herausfinden, warum Gott Homosexuelle geschaffen hat, wenn sie vordergründig keinen Nutzen für die Fortpflanzung bringen.

Auch seine Beziehung zu seinem deutlich älteren Lover stellt Jun infrage. Er erkundet, wie dieser die Beziehung zwischen ihnen sieht und erkennt, dass es keine Zukunft für sie gibt, weil der ältere Mann nicht zu seiner Homosexualität steht und Teil der Gesellschaft bleiben will. Und immer wieder fragt sich Jun, was Liebe eigentlich bedeutet, denn er liebt Sae sehr, aber nicht auf sexuelle Art. Sae hilft ihm und sich selbst, indem auch sie über verschiedene Dinge reflektiert und ihre Gedanken mit ihm teilt. Dabei erfährt Jun, dass Mädchen bzgl. Homosexualität aufgeschlossener sind als Jungen. Jun wird immer verirrter von all den Problemen und unternimmt einen Selbstmordversuch, der aber scheitert. Danach ordnet er sein Leben neu.

Selbstfindung unter besonderen Umständen

Die in sich abgeschlossene dreiteilige Reihe beleuchtet tiefsinnig die Probleme, die Menschen haben, wenn sie anders sind. Dabei bietet der Manga immer mehrere Sichtweisen an, betrachtet diese von allen Seiten, indem die Protagonist*innen für ihre Sichtweisen sprechen und sich dabei weiterentwickeln. Bewertet werden sie nicht, höchstens von den Protagonist*innen selbst, die ihre Gedanken und die der anderen im Herzen bewegen und schließlich ihre eigenen Schlüsse ziehen. Damit bietet die Reihe auch Problemlösungsstrategien an und spielt diese durch. Psychologie und Philosophie spielen in dem Manga eine große Rolle und verbinden sich mit den Irrungen und Wirrungen von Pubertierenden, die es so schon schwer haben und erst recht, wenn sie auf irgendeine Weise anders sind.

Auch der Avatarname „Mr. Fahrenheit“ passt in dieses Thema der Andersartigkeit, denn der Junge, der sich so nennt, ist anders, intelligent und gebildet, was die Protagonisten im Buch „Fahrenheit 451“ nicht sein dürfen – selbstständiges Denken, das meist durch die Lektüre von Büchern gefördert wird, gilt als gefährlich. Sich zu outen gilt als gefährlich. Das zieht oft genug den gesellschaftlichen Tod nach sich. Und diesen erfährt Jun, wenn auch in abgemilderter Form, weil er Sae und seinen besten Freund und sogar Yusuke um sich hat, die ihm auf ihre Weise helfen.  „Mr. Fahrenheit“, überraschenderweise jünger als Jun, hatte diese Hilfe nicht, weshalb ihm aus seiner Sicht nur der Freitod blieb.

Fazit

Andersartigkeit, Homosexualität, Sterben und Tod, Liebe und Liebeskummer sind die Hauptthemen dieser sehr guten Reihe, die diese tiefsinnig und intelligent beleuchtet und zu denen verschiedene Sichtweisen angeboten werden. Empfohlen.


Genre: Anderssein, Homosexualität, Manga, Selbstfindung, Selbstmord, Trauer
Illustrated by Carlsen / Hayabusa