Prinzession Briony, die sich unter einer Gauklertruppe versteckt hielt, ist in die Hände syanesischer Soldaten gefallen. Als »Gast« wird sie am Hofe von König Enander festgehalten und entgeht nur knapp mehreren Mordanschlägen.
Derweil irrt ihr Zwillingbruder Barrick in Begleitung des Raben Skurn durch den Wald der gefährlichen Seidenspinner im Schattenland. Unter Lebensgefahr und auf geheimnisvollen Wegen gelangt er in der Land der träumenden Götter, die Gott Krummling in den Schlaf fallen ließ. Auf Krummlings historischen Straßen schafft Barrick es bis in die Residenz des blinden Qar-Königs Ynnir, um ihm den Spiegel zu bringen, der ihm von Gyir Sturmlicht anvertraut wurde.
Ynnir, der im Sterben liegt, überträgt Barrick die Kraft der Feuerblume, eine Flamme der Unsterblichkeit, wie sie die Götter tragen. Diese Kraft wird von ihren Trägern an ihre jeweiligen Kinder weitergegeben, lediglich die Südmarksburg belagernde Quar-Fürstin Yasammez hat sie durch die Jahrhunderte nie hingegeben. Yasammez will sich an den Menschen rächen, weil diese ihre Schwester, die Quar-Königin Saqri ermordet haben sollen. Lediglich durch ein von Ynnir durchgesetztes Abkommen, der Pakt des Spiegelglases, wird sie noch zurück gehalten. Ynnir vermag durch die Weitergabe de Feuerblume und seinen eigenen Tod auch, Königin Saqri aus dem Reich der Toten zurückzuholen und wieder zu erwecken.
Im dritten Teil von »Shadowmarch« wird das engmaschige Geflecht der vielen Figuren noch komplexer. Dachlinge, Funderlinge, Zwielichter, Traumlose, Stoltewichte und Menschen treten auf. Weinende Schatten, Gestalten aus Spinnweben, samtene Ratten, Männer mit glutroten Augen, riesige Wasserwesen, Hammerfüße, Tiefenettins und andere Urwesen aus den Tiefen der Erde kommen hervor. Der Autor zieht alle Register der Phantasie und schafft es dennoch, alle Fäden seines Epos gespannt zu halten.
In einem Gespräch, das ich mit Tad Williams bei der Vorstellung des vierten und letzten Bandes von »Shadowmarch« führen konnte, bezeichnete er sich selbst als »Kontrollfreak«. Damit erklärt er seine Fähigkeit, den Überblick über das gewaltige Getümmel zu behalten. Er will alles selbst gestalten vom Kostüm über das Licht bis hin zur Dramaturgie und kommt ohne Exposés, Stammbäume oder Hilfsmaterialien aus.
Tad Williams schreibt in kräftigen Schwüngen und überarbeitet seine Romane nicht wesentlich. Er behauptet sogar, die Manuskriptteile später nicht einmal mehr zu lesen. So verwundert es wenig, dass dieses anfangs auf drei Bände konzipierte Opus noch einen vierten Teil benötigt, um die Protagonisten zur letzten Schlacht wieder zusammen zu führen. Und es liegt in der Struktur der Erzählung, dass dieses Gefecht im Herzen der Südmarksburg geführt werden muss.
Hier geht es zur Rezension von Shadowmarch 4: Das Herz