Der Gefangene

Als Anklage gegen das bestehende Rechtssystem in den USA sowie gegen die Verhängung der Todesstrafe liest sich John Grishams jüngstes Buch »Der Gefangene«.

In seinem ersten Sachbuch beschreibt der gelernte Jurist und bekannte Bestsellerautor den Fall eines unschuldig zum Tode verurteilten weißen Amerikaners. Elf Jahre saß Ron Williamson in der Todeszelle, weil ihn gewissenlose Polizisten, die unbedingt einen spektakulären Mordfall abschließen wollten, trotz eines Alibis und offenkundiger Beweise seiner Unschuld zu einem »Traumgeständnis« nötigten. Danach gingen die Beamten in gnadenlosen Verhören unter Androhung von Gewalt soweit, von dem psychisch labilen Mann eine Geschichte zu erpressen, wonach er geträumt habe, wie der Mord abgelaufen sein könnte. Gemeinsam mit »verdächtigen« Lügendetektorkurven und Berichten von Gefängnisspitzeln, die behaupteten, Williamson habe die Tat gestanden, reichte das aus, ihn anzuklagen und zum Tod durch die Giftspritze zu verurteilen.

Die Polizei des kleinen Städtchens Ada im »Bibelgürtel« von Oklahoma hatte zuvor schon zwei Männer, Tommy Ward und Karl Fontenot, auf diese Weise lebenslang ins Gefängnis befördert. Deren Fälle war wegen ihrer offensichtlichen Absurdität von dem Schriftsteller Robert Mayer aufgegriffen und in seinem Buch »The dreams of Ada« veröffentlicht worden. Beide Fehlurteile sind bis heute nicht aufgehoben.

Grishams Buch beschreibt das Leben eines depressiven Baseballprofis, der aufgrund von Krankheit und mangelnder finanzieller Mittel einem Fehlurteil zum Opfer fiel. Der Zufall wollte es, dass sich Mitarbeiter eines unabhängigen Bürgerrechtskomitees des Falles annahmen und in letzter Sekunde einen Freispruch erkämpften. Minutiös arbeitet Grisham schlechte Polizeiarbeit, pseudowissenschaftliche Methoden, irrtümliche Identifizierungen, schlechte Verteidiger, faule oder arrogante Staatsanwälte und parteiische Richter auf. Streckenweise liest sich sein Buch wie ein Krimi, wobei ellenlange Ausführungen über Baseball eher den amerikanischen Leser interessieren mögen.

Dennoch ist bei diesem Buch alles andere: Grisham, dessen bisherige Bücher packende Thriller sind, tritt mit diesem Werk unspektakulär auf. Obwohl die Bedeutung des geschilderten Falles ungleich dramatischer als jede Romanhandlung ist, fehlen die üblichen Grishamschen Fluchten und Verfolgungsjagden. Wer einen typischen Grisham erwartet, sollte dies vorher wissen, bevor er zu dem Buch greift.


Genre: Sachbuch
Illustrated by Heyne München

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