Aus einer ursprünglich im tropischen Regenwald lebenden „Urkrähe“ hätten sich die Krähenvögel in der Zeit vom späten Oligozän bis zum Miozän herausentwickelt und über die ganze Erde verbreitet. Die Kulturgeschichte des Menschen habe sich quasi unter der Beobachtung der Krähen vollzogen, denn beide haben sich entwicklungsgeschichtlich aus dem dichten Dschungel in offene Landschaften bewegt. Auf der Flucht vor Jägern hat sich diese Entwicklung allerdings einige tausend Jahre später wieder umgedreht, denn die Krähen sind vom Land in das Stadtgebiet geflüchtet, wo sie Schutz vor Freiwild-Erklärung des Menschen finden und so ihre Populationen wieder ansteigen konnten. Es gab nämlich eine Zeit da wurde tatsächlich Jagd auf die armen Vögel gemacht, weil diverse Vorurteile über sie kursierten. Diese zu bekämpfen, dazu trägt auch diese wunderschön illustrierte Krähenschau des Matthes & Seitz Verlages aus Berlin bei.
Raben die Singvögel unter den Paradiesvögeln
Es gab aber durchaus auch Völker bei denen die Raben oder Krähen, beide Ausdrücke werden oft synonym verwendet, positiv besetzt waren. So habe etwa Wilhelm der Eroberer, der Wikinger, eine Rabenfahne vorangetragen, was wiederum die Eroberten wohl mit Hass auf diesen Vogel erfüllte. Auch die Tatsache, dass Raben Aasfresser sind trug nicht unbedingt zu ihrer Reputation bei, denn das Aasgeier und eben Raben eine wichtige Rolle in der Natur als Gesundheitspolizei spielen, war noch nicht in alle Köpfe durchgedrungen. Krähenvögel gehören zur Gruppe der Singvögel und als Corvidae sind sie eine Familie in der Ordnung der Sperlingsvögel (Passeriformes) in der Klasse der Vögel (Aves). Von den Corvidae gibt es 123 Arten in 24 Gattungen, schreibt Riechelmann, wozu auch Elstern, Häher und südamerikanische Blauraben gehören. Zu der eigentlichen Gattung Corvus gehören wiederum 23, darunter Nebel-, Raben- und Saatkrähen, sowie Dohlen und der Kolkrabe. Ihre engsten Verwandten sind übrigens die Paradiesvögel.
„Trainspotting“ auf Rabenart
„Du bist in Alaska, am Ende der Welt, nirgendwo ein Zeichen von Leben – und auf einmal ist da der Rabe.“ Noch in der Höhe von 7000 Metern am Himalaya würde man sie antreffen, berichten etwa britische Forscher, wo sie auch gerne Steinlawinen auslösen würden, denn die Kolkraben etwa sind sehr verspielt, und lieben es, mit Steinen zu werfen. Es wurden aber auch schon Krähen in Tokio beobachtet, die Steine auf die Bahngleise legten und dann mit schräggelegtem Kopf auf das Klickgeräsuch warteten, das die Züge erzeugten, wenn sie die Steine zerquetschten. „Trainspotting“ auf Rabenart eben. Es sei auch schon beobachtet worden, dass sie Autos, die bei Rot an Ampeln halten, zum Nüsseknacken benutzten oder verstecken ihre Nahrung unter Dachziegeln, wie etwa die Elstern, die ebenfalls zur Corvidae Gruppe gehören. Kolkraben können übrigens als einzige der Gruppe auch am Rücken liegend fliegen. Kiefernhäher wiederum versteckten zu Vorratszwecken im Herbst bis zu 30000 Samen an bis zu 6000 verschiedenen Orten und graben die jeweilige Sorte auch noch rechtzeitig vor dem Aufkeimen aus. Gedächtnisfähigkeiten, die man sich als Mensch nur wünschen kann.
Im Anhang befinden sich noch Portraits der einzelnen Vögel. Auch der Fleißtext ist reichlich illustriert und erzählt von der unterschiedlichen Wahrnehmung der „Galgenvögel“ in unterschiedlichen Teilen der Welt und ihrer langen Geschichte mit dem Menschen.
Cord Riechelmann/Judith Schalansky (Hg.)
Krähen. Ein Portrait
Reihe: Naturkunden
155 Seiten, Gebunden
Illustration: Falk
Preis: 18,00 €
Matthes & Seitz Verlag