Die Dinge. Eine Geschichte der Frauen in 100 Objekten

Ich lese dieses Buch seit einem halben Jahr und bin noch nicht „durch“. Pro Tag etwa drei Objekte, und manche immer wieder. Was können alles Objekte sein? Annabelle Hirsch erklärt es uns und beginnt mit einen 30 Tausend Jahre alten weiblichen Oberschenkelknochen, der einen verheilten Bruch zeigt.

Im Vorwort berichtet sie, dass ein Mann losprustete, als sie im Kreis von Bekannten über den Plan sprach, die Geschichte der Frauen an Objekten zu beschreiben: Frauen wären doch selbst Objekte!

Von den hundert beschriebenen kann es hier nur eine kleine Auswahl werden. Ihr profundes Wissen auch über Mythologie, Religionen und Geschichte verblüfft, auch wie sie Zusammenhänge darstellt. Es geht um Sex and Crime, um Religion und Mystik, um Recht und Liebe, wie sie von Frauen erlebt werden.

Zurück zum Oberschenkel: Margret Mead berichtet von der Frage eines Studenten, was wohl ihrer Meinung das älteste Zeugnis menschlicher Zivilisation sei. Sie antwortete: Dieser Oberschenkel zeigt, dass die Frau mit dem gebrochenen Oberschenkel über Wochen auf die Hilfe anderer Menschen angewiesen war; die sie fütterten, vielleicht auch trugen. Ein Tier wäre, ohne Laufen zu können, gestorben…

Dann geht es nicht nur ums Überleben, auch um die weibliche Lust: Drei Dildos stellte sie vor, der erste im 17. Jahrhundert aus Muranoglas. Venedig war ein Ort der raffinierten Sünde, schade, dass die katholische Kirche nichts von Onanie hält.

Da war man 1984 weiter, als in den USA der kleine Rabbit Pearl entwickelt wurde, mit einem Kitzler für den Kitzler. Im Film Sex and the City wurde Miranda süchtig nach ihm und man sprach davon.

Dann geht es um die Rechte der Frauen im Grundgesetz: Von den vier „Müttern“ des Grundgesetzes war nur eine, Elisabeth Selbert, konsequent gegen die Fortführung der Formulierung des Textes der Weimarer Republik. „Männer und Frauen sind gleichberechtigt,“ forderte sie, das ist etwas anderes als: sie sind gleich. Als auch die anderen drei Mütter eher zu Kompromissen bereit waren, betrieb Frau Selbert Öffentlichkeitsarbeit in Fabriken, auch im Radio und „erklärte den Frauen, was auf dem Spiel stand“. Das erinnert mich an den Film „Die Unbeugsamen“ von Torsten Körner, wo die CDU-Frauen vor Adenauers Haus dagegen protestierten, dass er immer nur eine (Alibi) Frau als Ministerin zulassen wollte.

Aus Großbritannien stellte sie die Hungerstreikmedaille vor: Als Frauen vor und während des ersten Weltkrieges bürgerliche Rechte forderten, sahen sie, dass es andere Aktionen gegen brauchte, notfalls mit Gewalt. Auch gegen sich selbst; sie hungerten. Dazu gab es den „Cat and Mouse Act“. Wenn die Frauen so geschwächt waren, dass sie drohten zu sterben, wurden sie entlassen, aber zurück ins Gefängnis gebracht, wenn sie wieder hungerten. Erst später gab es dann die Medaillen.

In den USA gab es eine Medaille für Women Airforce Service Pilotinnen, die während des Krieges dienten. Als die Männer zurückkamen, wurden sie nicht mehr gebraucht. Sie könnten doch Stewardessen werden…

Frau Hirsch ist Deutsch-Französin und hat auch in Paris studiert. Viele ihrer Objekte stammen aus Frankreich.

Etwa das vom Buch des Essayisten de Montaigne aus dem sechzehnten Jahrhundert. Da geht es um die Freundschaft im Sinne des Humanismus. „Weil ich es war, weil er es war“ beschreibt er eine Beziehung. Das ist etwas Anderes, als die Nächstenliebe. Wie kann die funktionieren, wenn mir ein Mensch nicht angenehm ist.

Aber, geht das nur unter Männern? De Montaigne hatte eine Brieffreundschaft mit einer Frau und wünschte sich nach seinem Tode, dass sie sein Werk weiter betreut, und seine Witwe bat sie darum.

Oder der Nervenarzt Charcot, der sich auf hysterische Frauen spezialisierte und es schaffte, dass sie sich vor großem Publikum in einem Krampfanfall hineinsteigerten. Selbst Freud hat sich das mal angesehen. Von dessen Theorie vom Penisneid hält sie dann auch nichts.

Auf dem Klappentext steht: von diesem Buch kauft frau sich am besten gleich zwei; eins für sich und eines für die beste Freundin.

Ich habe es schon dreimal verschenkt.

Feministische Geschichte und Philosophie.


Genre: Feminismus, Politik und Gesellschaft, Sachbuch
Illustrated by Kein & Aber Zürich

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