Detektiv Conan Vol. 1, Episoden 1-34
Infos vorab
„Meitantei Konan“ (Meisterdetektiv Conan) ist eine bis heute international erfolgreiche Manga-Serie von Gosho Aoyama, die seit 1994 läuft. Aus dieser Manga-Serie sind Kinofilme – mittlerweile 24, der 25. Film „Die Halloweenbraut“ soll in Deutschland voraussichtlich im Dezember erscheinen – sowie vier Realfilme und eine Fernsehserie als Animes hervorgegangen. Mir liegen die ersten Folgen der Anime-Fernsehserie von TMS Entertainment aus dem Jahr 1996 vor, die auf der Grundlage des Mangas produziert wurde. Die Fernsehserie wurde in Deutschland zum ersten Mal am 10. April 2002 in RTL II ausgestrahlt. Seit dem 2. November 2016 ist die Serie auf ProSieben Maxx zu sehen. Kazé veröffentlicht in Deutschland die Folgen auf DVD, mir liegt die Blu-ray-Fassung vor. Früher waren die Animes ab 6 Jahren freigegeben, was mittlerweile auf 12 Jahre erhöht wurde. Meiner Meinung nach ist eine FSK ab 6 Jahren tatsächlich deutlich zu früh, da man die blutüberströmten Mordopfer sieht und z.T. auch den Tathergang. Ab 10 Jahren kann man aber als verantwortliche Erwachsene abwägen, ob das Kind solche Szenen schon verträgt.
Inhalt
Der 17-jährige Schüler Shin‘ichi Kudo ist berühmt für seinen detektivischen Spürsinn. In der ersten Folge löst er zusammen mit der Polizei gleich am Anfang erfolgreich einen Mordfall. Als er sich mit seiner Sandkastenfreundin Ran auf dem Jahrmarkt trifft, wird er sofort in einen weiteren Mordfall verwickelt: Auf der Achterbahn, auf der er mit Ran mitfährt, wird ein junger Mann ermordet. Dort kommt Shin’ichi zum ersten Mal in Kontakt mit den mysteriösen Männern in Schwarz, die ebenfalls als Verdächtige infrage kommen. Es stellt sich heraus, dass die Männer in Schwarz nichts mit diesem Fall zu tun haben, aber dafür beobachtet Shin’ichi sie bei einem krummen Geschäft später am Abend. Aber bevor er einschreiten kann, wird er von einem der beiden Verbrecher niedergeschlagen. Der Mann in Schwarz gibt ihm ein Gift, von dem Shin’ichi annimmt, dass es tödlich ist. Shin’ichi schwinden kurz darauf die Sinne. Aber entgegen seinen Erwartungen stirbt er nicht – und wacht als kleiner Junge wieder auf.
Der geschrumpfte Junge sucht Zuflucht bei Professor Hiroshi Agasa, einem Freund der Familie Kudo, der für seine verrückten Erfindungen bekannt ist. Dieser rät ihm, niemandem zu erzählen, dass er der berühmte Meisterdetektiv ist. So ist Shin’ichi vor den Männern in Schwarz sicher und kann in Ruhe Nachforschungen anstellen. Er nennt sich ab jetzt Conan Edogawa und kommt bei Rans Vater Kogoro Mori unter, einem nicht sehr erfolgreichen Privatdetektiv. Auch hier scheint Conan Fälle geradezu magisch anzuziehen, denn seit er bei Mori wohnt, hat dieser keine Probleme mehr, Aufträge zu bekommen. Der erste Fall, den Mori mithilfe des Scharfsinns von Conan lösen kann, ist ein Entführungsfall: Die 10-jährige Tochter eines reichen Firmenchefs wird verschleppt.
Im Laufe der Zeit gewöhnt sich Conan an seinen neuen Körper und geht auch wieder zur Grundschule. Dort kommt er in die Klasse von Ayumi, Mitsuhiko und Genta, denen er schon auf dem Jahrmarkt kurz begegnet ist. Das Mädchen und die beiden Jungen suchen die Freundschaft mit Conan und zusammen gründen sie die „Detektive Boys“, die entweder eigene Fälle lösen oder in die Fälle der Erwachsenen verwickelt werden. So gehen die vier z.B. auf Schatzsuche und werden dabei mit echten Juwelendieben konfrontiert. Ran kommt schon recht früh der Gedanke, dass Conan Shin’ichi sein könnte, aber Conan kann erfolgreich diesen Gedanken zerstreuen. Im Laufe der Zeit erweist es sich aber als schwierig, Ran hinzuhalten, die unbedingt ihren Freund wiedersehen will.
Conan, Kogoro Mori, seine Tochter Ran und die Polizei lösen in Laufe der Zeit unterschiedliche Fälle. So müssen sie z.B. einen Mord auf einem Schiff aufklären, einen Mord im Badezimmer, einen auf einer Toilette, einen an einem Schwertmeister, den Mord im Museum, den Tod einer Klassenkameradin bei einem Klassentreffen Moris, den Mord in einer TV-Show usw.
Serie für Krimi-Fans
Schon in der ersten Folge begegnen den Zuschauer*innen alle zentralen Charaktere der Serie: Neben Shin’ichi sind das seine Freundin Ran Mori und die späteren Detektive Boys, sowie Privatdetektiv Kogoro Mori, Professor Agasa und die Tokioter Polizei, allen voran Kommissar Juzo Megure. Die einzelnen Folgen sind meist in sich abgeschlossen und nach dem Prinzip aufgebaut, dass es eine kurze Wiederholung gibt, warum Shin’ichi zu Conan wurde, danach kommt der Fall, schließlich der Abspann, dem ein Ausklang der Folge nachfolgt und letztlich eine Vorschau auf die nächste Folge, die sicherstellen soll, dass die Zuschauer*innen am Ball bleiben. Wenn der Fall 2 Folgen umfasst, gibt es einen Cliffhanger.
Die Folgen selbst laden zum Miträtseln ein, allerdings ist es manchmal schon für Erwachsene schwierig, die kleinen Details, die schließlich zur Lösung des Falls führen, zu entdecken und die Puzzlestücke zusammenzusetzen. Trotzdem macht das Schauen Spaß, denn die Episoden werden nach dem Spannungsbogen aufgebaut, sodass Shin’ichi in der Mitte der Folge weiß, wer der Mörder oder die Mörderin ist und dann den Fall mithilfe des schlafenden Kogoro aufrollt. Wer also nicht herausgefunden hat, wer die/der Täter*in ist, für die/den bleibt es bis zum Schluss spannend, alle anderen können schauen, ob sie richtig geraten haben.
Mein 10-jähriger Sohn mag die Serie sehr. Er findet sie „sehr gut, abwechslungsreich, spannend“, aber auch „schwer zu erraten“, wer die/der Täter*in ist. Was ihm auch gut gefällt: Man sieht, wie ein Charakter sein Leben wiederholt (Shin’ichi als Conan). Außerdem findet er die Fälle realitätsnah, es werde nichts gezeigt, was es nicht auch in echt geben könnte. Außerdem gebe es viele Emotionen: Unterschiedliche Emotionen wie Hass, Neid, Trauer, Verzweiflung aber auch der Spaß führen zu den Morden. Meine Ergänzung dazu: Meist kann man die Motive der Täter*innen nachvollziehen, denn nicht alle Fälle passieren aus Mordlust, sondern z.T. aus Notwehr oder anderen „milderen“ Motiven.
Mir persönlich ist aufgefallen, dass drei Figuren eine (schnelle) Wandlung in ihrem Charakter vollziehen: Genta, der größte und kräftigste der Detektive Boys, kommt anfangs eher als Raufbold daher, wird aber bald einem großen Schmusebär, der gern viel isst und nicht besonders intelligent ist. Shin’ichi selbst wirkt anfangs eher unsympathisch, weil er sich (zu) viel auf sich selbst einbildet und daher stramm in Richtung Arroganz marschiert. Die Einschränkungen, die er in einem Kinderkörper hat, lehren ihn, auf dem Teppich zu bleiben, was ihn gleich sympathischer macht. Professor Agasa wird anfangs als verrückter Professor dargestellt, dessen Erfindungen nicht funktionieren (ebenfalls ein gern genommener Typus in Mangas und Animes), der sich aber umgehend in einen ernstzunehmenden Erfinder wandelt.
Frauen- und Männerbild
Da die Serie schon älter ist, gibt es auch hier den damals weit verbreiteten Typus des männlichen Lüstlings (man denke an „Dragonball“ oder „Ranma ½“), hier in Gestalt von Kogoro Mori. Das finden zwar männliche Leser sicherlich lustig, aber ich als weibliche Leserin habe mich beim Lesen und Schauen damals wie heute sehr unwohl gefühlt, gepaart mit Gefühlen von Wut, weil Frauen so offensichtlich gar nicht wertgeschätzt, sondern bloß als Beute, Freiwild und Lustobjekt betrachtet werden. Japanische Frauen müssen sich in der Realität in vollen Zügen vor Grabschern fürchten – die durch sowas auch noch Rückenwind bekommen, weil es doch ach so lustig und harmlos ist. Aber lustig ist definitiv anders… Zum Glück scheint dieser Typus in den Mangas weniger zu werden; er darf ruhig ganz aussterben.
Frauen werden in diesem Anime wenigstens nicht ganz eindimensional dargestellt. Es gibt zum Glück nicht nur das weibliche Opfer, sondern auch Mörderinnen, Staatsanwältinnen und insgesamt recht selbstbewusste und selbstbestimmte Vertreterinnen des weiblichen Geschlechts. Das fängt mit Ran Mori an, die eine Karate-Meisterin ist und sowohl Conan als auch ihren Vater immer wieder zur Vernunft schubst. Das Letztere allerdings ist leider eine typisch weibliche Aufgabe, ebenso wie die Hausarbeit, die die 17-jährige Ran in Ermangelung einer anderen Frau im Haus erledigen muss, was an sich schon rückständig ist. Mein Sohn kommentierte eine Szene, in der Kogoro sich darüber beschwert, dass Ran ihm ausnahmsweise kein Abendessen kocht, so: „Warum kocht er nicht selbst?“ Rollenklischees lassen grüßen und gehören schlicht abgeschafft. Außerdem kommen kaum alte Frauen vor, während die alten Männer, die dafür umso häufiger zu sehen sind, gern mal dem Klischee des „alten, weißen Mannes“ entsprechen.
Die Frauen im Film, die zu den Hauptcharakteren in den jeweiligen Episoden gehören, sind jung (oder sehen zumindest jung aus), hübsch bis sexy und entsprechen damit Männerfantasien, aber nicht der Realität, die deutlich vielgestaltiger ist als dieses eindimensionale Bild einer Frau. Die Männer dagegen dürfen alt, unauffällig bis hin zu einem hässlichen Äußeren dargestellt werden. Den Fanservice gibt es also nur in eine Richtung, nämlich in die männliche. Danke auch. Kein Wunder, dass die hübschen Männer in den Mangas für Mädchen und Frauen Hochkonjunktur haben.
Was mir auch aufgestoßen ist: Die Kinder nennen sich „Detective Boys“, obwohl in ihren Reihen ein Mädchen ist. Das gehört zu einem Phänomen, das sich mittlerweile durch die Jahrtausende zieht. Das fängt mit der Sprache an, die den Löwenanteil des Alltags ausmacht, die aber nicht auf die Unterscheidung der diversen Geschlechter achtet und sie dadurch der Unsichtbarkeit und Marginalisierung preisgibt. Umfassend gehört es zu einer Geschichtsschreibung, die die Männer zum Normalfall macht, die Frauen aber an den Rand drängt bis hin zur Ausradierung sowohl in Wort, Schrift als auch in der Historie selbst.
Fazit
Spannende Krimi-Serie für ältere Kinder und Jugendliche, die aber die von der damaligen Zeit herrührenden Rollenklischees bedient – kein gutes und zeitgemäßes (Vor-)Bild.