Silbersternchen
Ein Roman über einen Roman, das gab’s doch schon mal! Was für Thomas Mann mit «Die Entstehung des Doktor Faustus» recht war, kann für Wolf Hass nur billig sein, auch er hat einen Roman über einen Roman geschrieben, der nun allerdings nur fiktiv ist, anders als bei seinem weltberühmten Kollegen also. Und anders ist auch das literarische Niveau, einen Nobelpreis dürfte Wolf Hass wohl nie bekommen mit seinen Werken, jedenfalls mit denjenigen, die bis heute vorliegen. Er schreibt vielmehr äußerst originelle und spannende Bücher, wen wundert’s bei einem erfolgreichen Krimiautor, und sein Markenzeichen ist der geradezu überbordende Sprachwitz, der die Lektüre für den Leser so kurzweilig und amüsant macht.
Ungewöhnlich ist schon die Form, in der seine Geschichte angelegt ist, vom ersten bis zum letzten Wort als umfangreicher Dialog nämlich, über nicht weniger als fünf Tage sich hinziehend. Es ist das fiktive Protokoll eines akustischen Mitschnitts vom Interview einer Feuilleton-Journalistin mit einem Autor namens Wolf Hass, das sie für eine Literaturbeilage führt. Autor und Rezensentin im Zwiegespräch also, in dem das besprochene «Werk» geradezu seziert wird, ein Liebesroman auch noch, den Plot zu erzählen spare ich mir aber an dieser Stelle, schon um die Spannung nicht zu mindern. Dass Autoren in ihren Romanen selbst auftreten, sich also nicht feige hinter einem der Protagonisten verstecken, ist zwar nicht neu, mir fällt da spontan aus meiner Leseliste Felicitas Hoppe oder Clemens J. Setz zu ein, originell ist es aber trotzdem, vor allem wenn es wie hier auch noch in einer Art literarischem Werkgespräch geschieht. Genau in den darin immer wieder vorkommenden Erörterungen von dramaturgischen Strategien, vordergründig als unwichtig erscheinenden Textdetails, von all den kleinen Tricks und bösen Fallstricken beim Aufschreiben einer komplexen Geschichte, gerade dort liegt denn auch für mich eine der Stärken dieses amüsanten Buches. Mit seinen kunstvoll ineinander verschachtelten Erzählebenen ist dessen Plot geradezu halsbrecherisch konstruiert, ist damit sogar ziemlich anspruchsvoll, was die Aufmerksamkeit des Lesers anbelangt, ganz ähnlich wie bei einem Krimi (sic!). Aber wer den Fehler macht, hier nach Widersprüchen oder Ungereimtheiten zu suchen, der bringt sich selbst um das Lesevergnügen, was ja eigentlich schade ist.
Ernsthaftes, gar Tiefschürfendes ist hier nämlich absolut nicht zu finden, schon der Titel des Romans deutet darauf hin. «Das Wetter vor fünfzehn Jahren», exakt diese Daten für einen beliebigen Tag in einem bestimmten österreichischen Urlaubsort zu kennen, das ist der am Anfang der Geschichte stehende Anlass für einen TV-Auftritt in «Wetten, dass…?» bei Thomas Gottschalk. Diese titelgebende Fähigkeit des Wettkandidaten und Protagonisten gibt also schon die ungefähre Richtung vor, und damit auch das Niveau des Geschehens. Man muss häufig schmunzeln über Ironie und Humor von Wolf Haas, seinen durchaus auch sarkastischen Wortwitz, die vielen kleinen Aperçus und virtuos eingefügten Kuriositäten. Und wo es trivial wird, ist stets auch ein Augenzwinkern nicht zu übersehen in dieser ebenso trivialen wie spaßigen Geschichte, die ich als Satire gelesen habe, eine Parodie allseits bekannter, typischer Figuren und Geschehnisse aus dem realen Leben, eine Screwballkomödie, würde man den Stoff textnah verfilmen.
Ob sich die Lektüre lohnt kann man nur individuell beantworten, es hängt ganz von dem Spaßfaktor ab, den man erwartet als lustvoller Leser. Die bierernste Sorte literarischer Rezipienten wird sich gelangweilt oder auch empört abwenden, denen sei als Alternative oben genannter Roman von Thomas Mann empfohlen. Auf hedonistisch veranlagte Leser hingegen warten ein paar vergnügliche Lesestunden, mit Silbersternchen sozusagen, mit denen auch schon mal ein besonders gelungener Orgasmus bewertet wird in diesem originellen Roman.
Fazit: lesenswert
Meine Website: http://ortaia.de