Der schwedische Autor Jonas Jonasson gehört zu den Autoren, die aus jedem Buchtitel eine Kurzgeschichte machen. „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“ war sein Erstlingswerk, das den Journalisten auf einen Schlag weltberühmt und reich machte, da es sich nicht nur millionenfach verkaufte, sondern auch in 45 Sprachen übersetzt und verfilmt wurde. Weiterlesen
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Drei fast geniale Freunde auf dem Weg zum Ende der Welt
Der Hundertjährige, der zurückkam, um die Welt zu retten
Sechs lange Jahre, nachdem der Hundertjährige aus dem Fenster stieg und auf wundersamen Wegen und nach absurden Abenteuern ein hübsches Barvermögen sammelte, kehrt Allan Karlsson wieder in die Bücherwelt zurück. In dieser Warteschleife alterte der Hauptheld zum Glück nur ein Jährchen, denn die Story beginnt an seinem 101. Geburtstag, den er auf Bali verbringt. Weiterlesen
Die Analphabetin, die rechnen konnte
Gibt es ein besseres Konzept für einen Autor, als ein überaus erfolgreiches Konzept – in diesem Fall das des Welt-Bestsellers »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« – zu wiederholen? Dan Brown macht es, John Grisham zelebriert es bis zur Perversion, und auch Jonas Jonasson strickt seinen zweiten Roman über eine Analphabetin so wie seine überaus erfolgreiche Nummer Eins.
Jonasson schildert den sagenhaften Aufstieg von Nombeko, einem kleinen schwarzen Mädchens aus Soweto. Die Analphabetin startet als Latrinenausträgerin, wird bald Chefin aller Scheiße-Schlepper, dann eine Art wissenschaftliche Hilfskraft und beendet schließlich ihre wundersame Laufbahn als Botschafterin Schwedens in Südafrika. Ihre besten Freundinnen sind drei chinesische Schwestern, die Kunst fälschen und Hunde vergiften.
Die Schicksalsgeschichte der pfiffigen Schwarzen wird mit viel Humor und diversen satirischen Seitenhieben auf politische Konstellationen erzählt. Parallel beschreibt der Autor das Leben eines schwedischen Zwillingspaares. Dies wiederum wird von einem schwärmerisch monarchistisch eingestellten Vater erzogen, der irgendwann anfängt, den König als Objekt seiner Anbetung zu hassen und zum Republikaner umschwenkt.
Natürlich laufen die beiden Erzählstränge ineinander und die Geschichte kulminiert in Schweden. Mordende Agenten vom Mossad sind auf ihren Spuren, denn Nombeko hat eine Atombombe im Gepäck, die in Südafrika vom Laster fiel. Sie gilt es, loszuwerden. Die tumbe schwedische Polizei bekommt dabei ebenso ihr Fett ab, wenn sie ein angeblich besetztes Haus stürmt wie das Schwedische Königshaus und die herrschende Politik.
Insgesamt beschert es erneut großes Vergnügen, Jonas Jonasson zu lesen. Es ist dabei müßig, lange abzugleichen, ob sein zweiter Roman an die Stärke seines weltbekannten Erstlings heranreicht. Nein, er reicht nicht daran, denn schon die Ausgangsgeschichte ist sehr viel ernster und sozialkritischer als die Slapstick-Komödie des »Hundertjährigen«.
Der Autor versteht es dafür ausgezeichnet, Realitäten ins Abstruse zu überdrehen und Situationen derart zu überzeichnen, dass der Leser sich vor Lachen schütteln kann, ohne dabei den politischen Wahnsinn beispielsweise des afrikanischen Apartheid-Regimes zu übersehen.
Ein amüsantes, flott geschriebenes Buch für intelligente Leser.
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Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand
Der skandinavischen Literatur wird gern eine depressive Schwere nachgesagt. Je nördlicher die Erzähler angesiedelt sind, desto lichtloser seien ihre Werke, hört man immer wieder. Jonas Jonasson, ein gebürtiger Schwede, brach nach 20 Jahren seine Zelte im Norden ab und zugvogelte gen Süden in den Schweizer Kanton Tessin. Vielleicht war das der entscheidende Grund, dass er mit »Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand« ein federleicht geschriebenes Roadmovie zu Papier brachte, das völlig verdient als Münchhausiade erster Ordnung in luftige Höhen der Hitparaden fliegt.
Hauptheld Allan Karlsson ist ein Aussteiger wie er im Buche steht: An seinem 100. Geburtstag entkommt der rüstige Senior aus dem Altenheim, während der Stadtrat samt Presse und Heimleitung zur Feierstunde wartet, um ihn wie ein Tier im Käfig zu begaffen, für ihn zu singen und ihn mit Torte zu füttern. Ohne Hut und in Pantoffeln schafft es Allan bis zum Bahnhof, wo er einen großen Koffer mitgehen lässt, der sich später als Depot eines Räuberschatzes offenbart.
Gejagt von einer Motorradgang, die den wertvollen Koffer wieder zurückhaben will, sowie von einem ehrgeizigen Staatsanwalt und der Polizei, die glaubt, der alte Herr sei entführt worden, gerät der Protagonist in immer neue wundervolle Situationen und lernt dabei Typen können, die allesamt aus eigenen Romanen entstiegen sein könnten. Denn jeder Einzelne von ihnen ist eben solch ein Sonderling, wie Allan einer ist. Deshalb ziehen sich die Figuren auch magisch an, stehen einander bei und erzeugen gemeinsam ein Tohuwabohu, dass an Spaß und Genussfreude nichts zu wünschen übrig lässt.
Geschickt eingeflochten in die absurde, sich orgiastisch steigernde Spielhandlung ist die Biografie des Hundertjährigen, die ebenso fantastisch und märchenhaft ist wie seine Flucht aus dem Siechenheim. Dabei schraubt sich auch diese Lebensgeschichte in immer groteskere Höhen: Aus einem Knaben, der gern mit Knallfröschen spielt, wird ein Sprengstoffexperte, der im spanischen Bürgerkrieg versehentlich dem Faschistengeneral Franco das Leben rettet, darauf unter dessen Schutz nach Amerika reist und erneut durch Zufall – stets verbunden mit einem Saufgelage und einer opulenten Mahlzeit – den entscheidenden Hinweis für den Bau der Atombombe gibt und damit Duzfreund von US-Präsident Truman wird, Stalin ärgert, Maos Geliebte rettet, Kim Il Sung trifft und sich mit vielen anderen Potentaten und Staatschefs betrinkt …
Im Ergebnis treffen der Hundertjährige, ein für unschuldig erklärter Gelegenheitsdieb, ein ewiger Student, seine schöne Verlobte und deren Haustiere, ein Elefant und ein Schäferhund, ein religiös gewordener Lebensmittelgroßhändler, ein einstmals einsamer Kriminalkommissar sowie ein ehemaliger Gangsterboss mitsamt Mutter aufeinander. Mittels Schnaps, vertrackter Zufälle und einem Lerneifer, der ihnen ein gemeinsames Überleben sichert, findet sich diese herrliche Truppe und beschert dem Leser, der an ihren Abenteuern teilhaben darf, ein Meisterwerk literarischer Hochkomik, das seinesgleichen sucht.
Ein wundervolles leichtes Stück Literatur, das Regenwolken vom Himmel bläst und die Sonne wieder scheinen lässt.
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