How do I tell them I love them?

Schmerzhafter Entwicklungsprozess

Lark Winter (17) ist in mehrfacher Hinsicht anders: transgender, neurodivers, people of colour, polyamor. Die Erfahrungen, die sier mit dieser Art des Andersseins macht, verarbeitet sier in einem Roman, dessen Hauptfigur passenderweise „Birdie“ heißt, denn sier möchte Schriftsteller*in werden. Aber kein Verlag ist an sierer Geschichte interessiert, es hagelt Absagen. Unter anderem sei sier zu jung, um über solche Themen und Probleme zu schreiben. Oder sier übertreibe mit dem, was sier schreibt. Dabei ist Larks Leben alles andere als einfach, u.a. durch den Rassismus, den sier immer wieder erlebt und das Mobbing sogar in der eigenen LGBTQ+-Bubble. Und Kasim, der beste Freund Larks, hat sich von Lark abgewendet. Dabei will Lark nur eins: Frieden und unendliche Liebe in der Welt. Denn dann gibt es keine Ungerechtigkeiten mehr. Über siere Gedanken schreibt sier im Internet. Auch da muss sier sich mit Hasskommentaren der LGBTQ-Community und people of colour über siere Einstellung auseinandersetzen. Eines Tages aber geht ein Tweet viral, indem es angeblich über siere unerwiderte Liebe geht. Der Haken an der Sache: Diesen Tweet hat nicht Lark, sondern Kasim geschrieben. Lark sieht eine Chance für sieren Erfolg als Autor*in und klärt den Irrtum nicht auf – mit vielen unangenehmen Konsequenzen, aber auch Wachstumschancen.

Sehr tiefgründiger Roman über ernste Themen

Themen insgesamt: nicht-binär, neurodivers, dunkle Hautfarbe, Social Media, Kritik an der eigenen Bubble, Polyamorie, Drogen, Depressionen, Angststörung, Traumata, Rassismus, (Cyber-)Mobbing, Queerfeindlichkeit, Sexismus, Corona-Pandemie, schwierige Familienverhältnisse, Berufswunsch, Liebe in ihren Facetten, Spiritualität – um einmal die wichtigsten zu nennen, denn es sind nicht alle.

Vielfalt – eine Sache der Natur

Der in sich abgeschlossene Roman greift gleich mehrere Themen auf, die deutlich verbreiteter in die Mainstreamliteratur gehören würden: zunächst das Thema Anderssein generell, hier spezifiziert durch nicht-binäre und neurodiverse Menschen, sowie people of colour. Es mag vielleicht erst einmal als too much herüberkommen, dass die Hauptperson all diese Themen in sich vereint. Aber Autor*in Kacen Callender schreibt aus eigener Erfahrung und die Natur geht sowieso nicht nach Schema F vor, sondern hat als Überlebensprinzip ihre unendliche Vielfalt. So geht der Roman sehr in die Tiefe, was Leser*innen, die derartige Erlebnisse nicht teilen müssen, vielleicht als schwere Kost wahrnehmen. Aber Menschen, die anders sind, müssen vielfältige und immerwährende Anfeindungen stemmen können, wollen sie überleben. Das macht sie tiefsinniger und insgesamt stärker. Allerdings kann es auch, wie am Beispiel von zweien der Freunde Kasims gezeigt, zur Radikalisierung und beginnender Unmenschlichkeit führen, wenn alle anderen (außer sie selbst und ihre Meinung) als Feinde wahrgenommen werden und dabei die Realität völlig aus dem Blick gerät.

Larks Gedanken dazu fasst das Buch an einer Stelle folgendermaßen zusammen: „Derselbe Kummer. Dieselbe Wut. Und derselbe Schmerz. Zerreißt uns wieder und wieder. In einer Welt, die von uns verlangt, dass wir uns heilen. In einer Welt, die von uns Schwarzen Menschen verlangt, dass wir uns ändern, damit andere Leute sich sicher fühlen können. Leute, die vor unseren Körpern Angst haben, unsere Haut als bedrohlich empfinden. Genau diese Welt weigert sich, zu sehen, wie sie uns umbringt. Ich bin wütend. Das habe ich mir vermutlich nie wirklich eingestanden. Ich dachte immer, die Wut einer Person wie mir sei in dieser Welt sinnlos. Schwarz, queer, trans, neurodivers. Mir absolut unbekannte Menschen verwenden meine Identitäten gegen mich. Sie sagen, ich hätte nicht das gleiche Recht zu leben, zu existieren. Wenn ich wütend werde, tun sie so, als wäre ich es nicht wert, geliebt zu werden. Wenn ich frustriert bin und mich wehre und Fehler mache (ich bin trotz allem ein menschliches Wesen, das lernen und wachsen muss), werde ich zur unsympathischen Figur eines Buches gemacht. Naja. Vielleicht interessiert es mich nicht mehr so sehr, was andere von mir denken.“ (S. 339)

Lark: Lerche. So hat Larks Mutter sier genannt. Und sie gibt Lark mit, dass sier nicht an Protesten teilnehmen muss, wenn das nicht sierer Identität entspricht – es gibt andere Wege wie z.B. das Schriftstellertum, um der eigenen Stimme Gewicht zu verleihen. Jeder und jedem, wie sie/sier/er mag und kann und nicht, wie andere meinen, dass man kämpfen muss. „‘Ich glaube, unsere bloße Existenz ist genug. Einfach zu sein, zu atmen und uns selbst und einander zu lieben. Das ist auch eine Art Kampf. Findest du nicht auch?‘ Ja. In einer Gesellschaft, die mir Selbsthass und Selbstverachtung beibringt, kann Selbstliebe stattdessen eine völlige Revolution bedeuten.“ (S. 342)

(Selbst-)Reflexion als Grundvoraussetzung für Entwicklung

Das Buch ist sehr (selbst-)reflektiert und auch philosophisch. Auch das gehört dazu, wenn man anders und Anfeindungen ausgesetzt ist: Man denkt viel, eigentlich immerwährend, über sich und die Welt nach. Das Finden zu sich selbst und der eigenen Haltung ist ein fortlaufender, oft schmerzhafter Prozess – der aber gegangen werden muss, will man wachsen und zu einem erfüllteren Leben kommen. Intelligenz muss aber nicht automatisch bedeuten, dass man (selbst-)reflektiert ist, wie zwei von Kasims Freunden zeigen. Sie benutzen ihre Intelligenz als Waffe und drehen Lark immer wieder das Wort im Mund herum, um sier zu diffamieren und den Hass auf sier zu schüren, während sie selbst sich im Gegenzug als diejenigen präsentieren, die einen Feind der Community entlarvt haben und sich so als Held*innen darstellen. Das ist das Gegenteil von Wachstum, das ist Versteinerung. Und das schadet sich und anderen immens. Auch das stellt das Buch sehr schön heraus, ebenso, dass es schwer ist, diese perfide Troll-Strategie zu durchschauen und dagegen anzugehen. Und in Bezug auf Rassismus sollten alle, die rassistisch denken, sich vor Augen führen, dass dunkelhäutige Menschen nichts weniger als die Wiege der Menschheit darstellen – die hellhäutigen sind schlicht Mutationen des dunkelhäutigen Ursprungs. Vielleicht sollte man sich auch einmal das Szenario überlegen, dass alle Menschen von Natur aus blind wären. Würden dann solche Äußerlchkeiten wie die Hautfarbe überhaupt noch eine Rolle spielen?

Intoleranz in der Realität auch in eigentlich toleranten Communities

In der eigenen Bubble nicht ernst genommen zu werden, Intoleranz selbst dort, auch Anfeindungen kommen tatsächlich vor. Intoleranz mancher Homosexuellen gegenüber Bisexuellen ist keine Seltenheit. Auch anderweitige Intoleranz gibt es: Meine Freundin berichtete mir mehrfach von der Frau einer lesbischen Kollegin, die das transsexuelle Kind derselben nicht akzeptiert. Ich selbst wurde mit meinen Gedanken kurz und inhaltslos abgespeist, als ich versucht habe, mich in einer solchen Bubble mitzuteilen, obwohl diese sich als offen bekennt und Aufklärungsarbeit betreibt. Ein anderes Erlebnis hatte ich mit schwarzhäutigen Frauen, die meinen Kommentar zu schwarzhäutigen Göttinnen ein paar Minuten nach Erscheinen gelöscht haben. Ich bin für Verbindung und finde es gut, dass Göttinnen wieder erstarken und Frauen sich ihre eigenen göttlichen Ansprechpartnerinnen suchen – egal welcher Hautfarbe. Aber da ich weißhäutig bin, wurde der Kommentar gelöscht – Rassismus andersherum. Dieser Rassismus andersherum wird in einer anderen Art auch im Buch thematisiert, indem alle weißhäutigen Menschen über einen Kamm geschert und angefeindet werden. Die Wut der people of colour ist sehr verständlich, aber die Schlussfolgerung daraus Larks und meiner Meinung nach die falsche. Auch hier gilt: Pauschalisierung und Engstirnigkeit trennt, Offenheit verbindet.

Es wäre also meiner Meinung nach besser, dass in meinem o.g. Beispiel Frauen sich verbinden und sich nicht gegenseitig z.B. aufgrund der Hautfarbe anfeinden. Damit will ich nicht kleinreden, dass weiße Menschen gegenüber people of colour nicht einiges aufzuarbeiten hätten! Aufarbeitung ist dringend nötig. Allerdings schwächt ein Verhalten wie oben dargestellt die Frauenbewegung insgesamt und spielt patriarchalen Kräften in die Hände, wenn Frauen sich gegenseitig zerfleischen. Miteinander reden und Aufarbeitung bringt viel mehr als Zerfleischung, finde ich.

Oder dass während meiner Studienzeit in einem feministischen Buch stand, Männer seien nicht erwünscht, obwohl sich Männer ebenfalls für die Frauenbewegung einsetzen. Hier wird meiner Meinung nach der Fehler gemacht, dass alle Männer über einen Kamm geschoren werden. Aber es entsprechen eben nicht alle Männer dem patriarchalen Männerbild (Gottseidank!) – auch Männer leiden unter dem Patriarchat, denn es gibt mehr Männertypen, als das patriarchale Bild zulassen und wahrhaben will.

Das alles hat mich schockiert. Und da kommt automatisch die Frage auf, ob solche Leute denn nichts aus der eigenen Erfahrung gelernt haben? Sie wollen Akzeptanz für sich, gestehen sie aber anderen nicht zu? Ich finde es sehr gut und mutig, dass Callender auch diese Probleme in der Welt der people of colour und der LGBTQ+-Gemeinde anspricht. Denn solche Inakzeptanz in den eigenen Reihen schwächt und die Bubble verliert an Glaubwürdigkeit.

Selbstliebe und Selbstfindung

Das Buch strotzt insgesamt vor Themen und Tiefgang. Große Themen sind Selbstliebe und Selbstfindung, gepaart mit der Übernahme der Verantwortung für sich selbst und das eigene Handeln. An Lark sieht man sehr gut, dass das Übernehmen von Verantwortung wie ein Sprung ins kalte Wasser und schmerzhaft ist und man dabei auch viele Fehler machen kann. Aber die Mühe lohnt sich, denn es fördert die Selbstliebe. Es ist schmerzhaft, sich mit sich selbst und anderen auseinanderzusetzen und Grenzen zu ziehen, v.a. weil letztere oft genug nicht akzeptiert werden. Das bedeutet natürlich einen mühevollen Entwicklungsprozess, der letztlich aber lohnend ist. Lark stellt sich diesem Prozess, der alles andere als glatt verläuft, und findet sich am Schluss selbst, dazu neue (echte) Freunde und siere Liebe, denn jetzt ist sier authentisch.

Lark ist sehr spirituell, dabei aber in keiner Religion verhaftet. Sier macht sich ein eigenes Bild über die jenseitige und göttliche Welt, die viele Anklänge an die Reinkarnationstheorie hat. Dabei spielt bedingungslose Liebe eine sehr große Rolle: Liebe zu anderen (was Lark leichtfällt, selbst zu sieren Feinden) und Liebe zu sich selbst (was Lark sehr schwerfällt, da sier regelmäßig angefeindet wird). Sier wünscht sich (Selbst-)Akzeptanz, Harmonie, eine friedliche Welt und einfach sein zu dürfen, ohne Wenn und Aber.

Nicht perfekt sein ist das Ziel, sondern Wachstum. Dabei macht man häufig Umwege und damit Fehler, die aber als weiterer Entwicklungsanstoß dienen können. Den Wachstumsprozess mit all seinen Irrungen und Wirrungen, sowie dass das Leben nicht einfach, sondern komplex ist, stellt das Buch wunderbar dar. Nicht nur Lark durchläuft einen Entwicklungsprozess, sondern auch fast alle anderen Figuren im Buch – außer denjenigen, die nichts dazulernen wollen. Und die gibt es durchaus auch in der eigenen Bubble.

Fazit

Sehr tiefgründiges Buch mit vielen ernsten Themen, die endlich wahrgenommen und akzeptiert werden wollen. Sehr empfohlen!


Genre: Diversität, Entwicklungsroman, Neurodiversität, non-binär, people of colour, Sexismus, Traumata
Illustrated by LYX

Good Talk -Erinnerungen in Gesprächen

Demokratie? Echt? Und wenn ja: Für wen?

Weiße, jüdische Schwiegereltern, die Donald Trump gewählt haben und trotz dunkelhäutiger Schwiegertochter, dunkelhäutigem Enkelsohn und jüdischem Hintergrund weiterhin Schilder für Trump hochhalten. Eine indische Ursprungsfamilie, die dunkelhäutige Inder*innen wie die Autorin als Menschen zweiter Klasse ansieht. Ein jüdischer, weißer Ehemann, der unsensibel auf die Fragen seines sechsjährigen Sohnes reagiert und die Autorin mit der Erziehung eines ebenfalls dunkelhäutigen Kindes in einer rassistischen Welt ziemlich allein lässt. Weiße, männliche Radiomoderatoren, die das Buch der Autorin über Diversität nach männlich-weißen Denkmustern überarbeiten wollen. Weiße, weibliche Reiche, die vor Vorurteilen gegenüber Menschen mit anderer Hautfarbe strotzen, das aber nicht wahrhaben wollen. Menschen verschiedener Hautfarben und mixed-race-Familien, die Wunden durch den ständig präsenten alltäglichen Rassismus davontragen und allmählich den Glauben an das Gute im Menschen verlieren. Rassismus und Sexismus haben viele hässliche Gesichter und stecken subtil oder sichtbar, bewusst oder unbewusst in jeder Ecke des Alltages. Sie sind in einem schlechten Sinne so divers wie die Menschen selbst, was dieser hervorragende Comic anschaulich beschreibt.

Sexismus, Rassismus, Mehrfachdiskriminierung nach dem Motto „Und täglich grüßt das Murmeltier“

Der als Graphic Novel verarbeitete Erfahrungsbericht zeigt anhand alltäglicher Situationen, wie tief Rassismus und Sexismus in jede erdenkliche Ecke der Gesellschaft hineinreichen und wie schwer es Menschen haben, die nicht weiß und nicht männlich sind – also der Löwenanteil der Gesellschaft. Wenn man es genauer betrachtet, hält sich also nur ein kleiner Teil der Menschen für privilegiert: die weißen Männer. Und sie wollen bewusst oder unbewusst bestimmen, was für die Mehrheit der Gesellschaft zu gelten hat bzw. machen sich wenig bis keine Gedanken über andere und wie es ihnen mit all den Diskriminierungen geht.

Was die Graphic Novel aber auch zeigt – und das allein anhand der bloßen Darstellung der vielfältigen Alltagssituationen – Diskriminierung aller Art ist nicht nur ein ernstes Problem der weißen, christlichen Männer. Sie kommt überall vor, sogar dort, wo man es nicht vermutet. Die Autorin zeigt z.B. ihre indische Ursprungsfamilie, die streng zwischen hell- und dunkelhäutigen Inder*innen unterscheidet. Die dunkelhäutigen Inder*innen gelten als Menschen zweiter Klasse. So auch die Autorin, die im Gegensatz ihrer hellhäutigen, indischen Familie dunkelhäutig geboren wird. Das überträgt sich auch auf ihren Sohn: Ihre Großmutter hofft, dass das Kind der Autorin hellhäutig sein wird, betont aber trotzdem, dass es als Mischling in der Hölle schmoren wird. Und Mira Jacob kommt immer wieder in Erklärungsnöte, wenn ihr sechsjähriger Sohn nachhakt, weil er verstehen will, wie diese Welt funktioniert. Dass sie rassistisch funktioniert, will die Autorin ihm weitgehend ersparen, was sie in Erklärungsschwierigkeiten bringt.

Zitate aus dem Buch, dass dies u.a. veranschaulicht: „Jemand – ich glaub Kiese Laymon – hat gesagt, dass weiße Menschen schlafwandeln, wenn es um Rassismus in Amerika geht. Sie sehen es nicht, also glauben sie, es existiert nicht mehr. Sie dazu zu zwingen zu sehen, dass es passiert, hier und jetzt, ist wie einen Schlafwandler aufzuwecken. Sie werden orientierungslos, wütend auf dich, anstatt auf den Rassismus selbst.“

„ ‘Gott, bin ich froh, dass ich gerade kein Kind hab. Ich wüsste nicht, was ich sagen sollte.‘ ‚Aber was kann man sonst sagen? Z fragt nach, weil diese Dinge passieren! Leute, die so aussehen wie er, werden verprügelt, Leute feuern das an, Leute sitzen daneben und gucken zu, Leute sagen: ‚Zeig mir das nicht, ich will es nicht sehen.‘ – Das alles formt in ihm eine große Frage. Wie könnte es auch nicht?‘ “

„ ‚Ich bin nicht der Feind.‘ ‚Ich bin kein weißer Mann.‘ ‚Du redest mit mir, als wäre ich irgendein Typ aus den 50ern, der darüber noch nie nachgedacht hat.‘ ‚Ich rede mit dir wie mit jemandem, der darüber nicht nachdenkt, weil er es nicht musste. Wie jemand, der gerade gesagt hat, ich muss einfach selbstbewusst sein.‘ “ Dieses Mann-Frau-Gespräch macht deutlich, wo der Hund begraben liegt: Der Mann ist sich der Diskriminierung nicht bewusst, will es vielleicht auch gar nicht sein und gibt der Frau auch noch die Schuld, wenn sie versucht sich zu behaupten: Sie soll einfach selbstbewusst sein. Wenn sie es nicht ist, selbst schuld. Aber wie soll frau selbstbewusst sein, vor allem einfach, wenn das Patriarchat tunlichst jegliches frauliche Selbstbewusstsein auslöscht, weil es für die männlichen Machtansprüche gefährlich ist?

„Als ich auf der Highschool war, wusste ich, dass man eigentlich verliebt sein musste, um miteinander rumzumachen, damit man keine Schlampe war, aber sich zu verlieben war schwer.“ Auch hier schwingt zwischen den Zeilen mit, dass freie Sexualität der Frau nicht zugestanden wird. Es gibt noch nicht einmal einen männlichen Gegenbegriff für „Schlampe“. Im Gegenteil: Der Mann ist der „tolle Hecht“, wenn er viele Frauen hat, die Frau dagegen eine „Schlampe“. Das Patriarchat fürchtet die freie Sexualität der Frau, wie die Autoren des Buches „Die Wahrheit über Eva“ herausgearbeitet haben, denn diese lässt den Mann bezüglich seiner Kinder und seiner Beziehung zur Frau und seinen Besitzansprüchen im Unklaren.

„Sogar wenn man verliebt war, konnte es seltsam werden. ‚Denkst du, du schmeckst anders als andere Mädchen?‘ ‚Ich glaube nicht. Warte, ich schmecke anders als andere Mädchen?‘ ‚Schwer zu sagen.‘ “

Tja, da bleiben einem die Worte weg. Und die Graphic Novel ist voll von diesen Erfahrungen einer einzigen Person, die sich über jeden Lebensbereich erstrecken. Sie zeigt auch, dass Sexismus und Rassismus eng miteinander verwoben sind. Frauen sind sowieso Mehrfachdiskriminierung ausgesetzt, was dieses Buch ebenfalls sehr deutlich bis ins kleinste Detail zeigt.

Der Titel „Good Talk“ ist mehrdeutig. Er deutet zum einen an, wie wichtig es ist, miteinander zu kommunizieren: „Denn wenn du zu einem Menschen heranwächst, der sich fragt, wer er ist, warum die Dinge so sind, wie sie sind, und was wir tun können, um sie besser zu machen, hast du immer noch Hoffnung für diese Welt. Und wenn du noch Hoffnung hast, mein Liebling, habe ich sie auch.“ Damit beendet die Autorin ihr Buch mit unausgesprochenen Gedanken für ihren Sohn, die sie ihm wohl mitteilen wird, wenn er alt genug ist, sie zu verstehen. Denn auch da liegt ein Großteil der Schwierigkeit: Das kindliche Hirn ist noch nicht entwickelt genug, um Dinge umfassend verstehen zu können, auch wenn Kinder vieles mitbekommen. Das macht es für Eltern, v.a. für Mütter, an denen die meiste Erziehungsarbeit immer noch hängt, so schwierig, komplexe Dinge einfach zu erklären. Das geht im Grunde gar nicht.

Zum anderen ist es wichtig, Diskriminierungen und alles andere, was schiefläuft, immer und immer wieder anzusprechen, möglichst laut und deutlich, damit sich etwas zum Besseren ändert. Denn Schweigen und Ducken spielt nur Despoten, diskriminierenden Systemen, Regimes und Religionen in die Hände!

Fazit

Äußerst gelungene Graphic Novel zum Thema Diskriminierung, Sexismus und Rassismus. Sie zeigt auf, wie tief Diskriminierungen aller Art immer wieder an jeder Ecke täglich aufs Neue in Gesellschaften lauern und verankert sind – und dass Frauen immer wieder täglich aufs Neue mehrfach diskriminiert werden. Selbst dort, wo man es eher nicht vermuten würde, lauern mannigfaltige Diskriminierungen. Die Graphic Novel sensibilisiert dafür, indem sie Alltagserfahrungen für sich sprechen lässt.


Genre: Diskriminierung, Graphic Novel, Rassismus, Sexismus
Illustrated by Carlsen graphic novel