Leben in Waisenhaus
Im Kinderheim “Star Kids” sind Pflegekinder mit unterschiedlichen Charakteren aus ebenso unterschiedlichen Familienverhältnissen untergebracht. Allen gemeinsam ist, dass ihre Eltern nicht in der Lage sind, ihre Kinder zu erziehen. Die Kinder wissen, dass sie anders sind und deswegen in der Schule als Außenseiter abgestempelt werden. Das schweißt sie notgedrungen enger zusammen. Gemeinsamer Zufluchtsort der Heimkinder ist ein alter Nissan Sunny, in dem sie in ihre eigene Fantasiewelt abtauchen und so Kraft für den Alltag schöpfen können.
Autobiographische Züge
Der Manga hat autobiographische Züge: Der Autor verwertet seine eigenen Erlebnisse im Heim für seine Geschichte. Er verdammt die Zeit im Heim nicht, denn sie birgt, wie auch im Manga dargestellt, viele glückliche Momente. Diese sind aber immer latent von den Gefühlen des Getrenntseins von den Eltern durchzogen. Auch das so entstandene gespaltene Verhältnis zu den Eltern thematisiert er. Dabei geht er authentisch und einfühlsam vor. Als Erzählweise verwendet er keine durchgehende Story, sondern Sequenzen, die als Schlaglichter im Heimalltag angelegt sind. Diese rücken jeweils ein anderes Kind und dessen Charakter in den Mittelpunkt. Diese Unverbundenheit hat allerdings den Nachteil, dass die LeserInnen schwerer in die Geschichte hineinfinden und die Charaktere trotz aller Empathie auf Distanz bleiben.
Als Extra bietet der Manga einen Essay von Christian Gasser, der den LeserInnen den Autor näher bringt, auf die Entstehung des Mangas und den Manga selbst eingeht. Dieses Nachwort ist zum Verständnis des Mangas sehr zu empfehlen, da man ohne dieses Hintergrundwissen doch etwas ratlos vor der Geschichte steht.
Die Distanz, die der Autor anscheinend zu seiner eigenen Vergangenheit aufgebaut hat, ist somit im Manga zu spüren. Die Schlaglichter lassen an Erinnerungssequenzen denken, die das Geschehen nahe heranzoomen, um dann wieder im Gehirn zu verschwinden.
Geschmackssache ist die Darstellung der Jungen. Sie sind recht authentisch, was Vor- und Nachteile birgt. Denn hier werden v.a. die negativen Züge betont: ständige Rotznase in Kombination mit rotzigem Verhalten und ebenso rotziger Sprache, Pornosucht, Rauchen, Degradierung der Mädchen als Objekt, Verletzung der Mädchen im Heim durch unsensibles Verhalten. Wenn das ein Ausdruck der Freiheit sein soll, stellt sich automatisch die Frage, warum solch negative, destruktive und unsoziale Züge Freiheit darstellen sollen, denn sie bergen eher die Gefahr einer Spirale abwärts, weil sie problembehaftet sind. Den Mädchen wird übrigens zumindest im 1. Band nicht das gleiche destruktive Verhalten zugestanden. Sie verhalten sich deutlich sozialer, scheinen damit aber im Nachteil zu sein. Die Mädchen stehen auch nicht so sehr im Mittelpunkt wie die Jungen, sondern sind eher am Rand platziert und wirken damit fremder und distanzierter.
Fazit
Trotz aller Authentizität und Empathie wirkt der Manga in seiner Erzählweise auf mich zu distanziert und vom Bild, das von den Jungen gezeichnet wird, zu destruktiv, um mich wirklich zu berühren. Die Mädchen sind mir zu sehr im Hintergrund. So bleibt er, wie die Kinder des Heims, für mich eine Randerscheinung, die ich nicht weiter verfolgen werde. Schade, denn aus dem Thema hätte man mehr machen können.