Hunter S. Thompson, der erklärte Anarchist des »New Journalism«, nannte seine Form des Schreibens »Gonzo-Journalismus«, wobei das Adjektiv »gonzo« für bizarr, verrückt, hemmungslos und schräg steht. Er wurde zur Ikone der Beat-Generation und gilt als einer der durchgeknalltesten Autoren, die Amerika hervorgebracht hat.
In dieser Grahic Novel schildern die Comic-Zeichner Will Bingley und Anthony Hope-Smith HSTs Lebenslauf anhand seiner bekanntesten Werke. Nachvollziehbar gelingt ihnen dabei der Balanceakt zwischen Schreib- und Drogenexzessen, Erfindung und Wahrheit, Genie und Wahnsinn.
Monatelang lebte HST unter »Hells Angels«, um ein Buch über sie zu schreiben. Er ging stets voll in seinem Thema auf, er nahm Recherche wichtig und versuchte, mit dem jeweiligen Milieu eins zu werden. In seiner vielleicht bekanntesten Geschichte »Das Kentucky-Derby ist dekadent und degeneriert« besucht er mit einem britischen Zeichner das berühmte amerikanische Derby, um das feiste und verlogene Amerika zu beschreiben. Die Story verläuft turbulent, die Pferde sieht der Berichterstatter überhaupt nicht, da er meistens die VIP-Bar plündert. Er beschreibt, wie einige tausend volltrunkene Trottel »schreien, heulen, kopulieren, sich gegenseitig niedertrampeln und sich mit zerbrochenen Whiskeyflaschen angreifen«. Schließlich versprüht er eine Dose Kampfgas, was zu einem infernalischen Tohuwabohu führt. Dabei ist die vermeintliche Leichtigkeit, mit der die Geschichte daherkommt, Teil der Kunstfertigkeit des Autors und seiner Fähigkeit, sich selbst in seinen Texten zu inszenieren.
Thompson wurde zum Outlaw, weil er die klassischen Werte des »good old America« verhöhnt und zu einem der letzten Freiheitshelden, der sich mit Mitteln von Sprache und Stil gegen Vermassung und Verblödung wehrt und als kreativer Unruhestifter stets im Mittelpunkt seiner eigenen Geschichten steht. Dies wird in der vorliegenden »grafischen Biografie« gut herausgearbeitet.
Besonders aufschlussreich finde ich das Vorwort seines langjährigen Lektor Alan Rinzler, der über die Mühen schreibt, die er mit dem Zusammensetzen der oft nur auf Papierfetzen verteilten Werke HSTs hatte. »Hunter hasste Lektoren«, schreibt Rinzler »und war der schwierigste Autor, mit dem ich je zusammengearbeitet habe.« Dennoch konnte auch er sich dem Sog des Genies nicht entziehen.