Axel Hollmann liefert mit „Benzin“ einen spannenden Krimi, der im zweiten Drittel voll durchstartet und bis zum Höhepunkt rasant durchhält. Seine Geschichte spielt im Milieu der neuen Berliner Mitte und erzählt vom Aufbegehren der „Ureinwohner“ gegen das Profitstreben unersättlicher Baulöwen und ihrer Helfershelfer.
Hollmans Heldin Julia Wagner ist eine auf den ersten Blick taffe Motorradbraut, die ihren Helm gern vom Kopf reißt und auf den Tisch knallt, in einem Saustal haust, von Lieferpizzen lebt, sich in Sofas fallen lässt, Bier aus Flaschen schluckt, Kerle zu Boden wirft und auch sonst diverse typisch männliche Allüren an den Tag legt.
Auf der anderen Seite ist die unzuverlässige Dreißigjährige ein naives Sensibelchen, das dem LKA, dem sie angehörte, den Sheriffstern auf den Tisch warf, nachdem sie ihr Vorgesetzter, mit dem sie ein Verhältnis hatte, von der Bettkante schubste. Beim ersten Rendezvouz mit einem anderen Kriminalbeamten werden ihre Knie jedoch gleich wieder weich.
Und auch in ihrem nächsten Beruf als Fotografin eines Berliner Boulevardblattes ist sie unglücklich, weil sie es ihrer Chefin nicht recht machen kann, Dinge nicht zu Ende bringt und der festen Überzeugung anhängt, Journalisten täten „was man ihnen sagt“ und lögen wie gedruckt. Außerdem glaubt sie, als freie Fotografin irgendwelche „Stories“ auftun statt Aufnahmen machen zu müssen.
Die Hauptheldin wirkt also charakterlich schwach, unentschlossen und in ihrer figürlichen Anlage noch recht unausgeformt. Sie will in erster Linie stets ihrer Umwelt etwas beweisen, um in einem besseren Licht zu stehen. Hinzu kommt ein seltsam negatives Bild vom Selbstverständnis des Boulevardjournalismus, dessen Vertreter entweder gebrochene Alkoholiker oder Zyniker sind. Hier wäre der Autor gut beraten, sich ein wenig intensiver mit Berufsbild und -wirklichkeit des Journalisten zu befassen, um Klischees zu vermeiden und durch Sachkenntnis zu überzeugen. Ein freier Fotograf lebt von der Anfertigung überzeugender Bilddokumente. Es recherchiert keine „Stories“ und ist auch nur in den allerseltensten Fällen investigativ tätig.
Bei Arbeiten, die im Self-Publishing entstanden sind, ist neben der Frage, wie gut ein Autor sein Milieu recherchiert hat, interessant, welche Erzählperspektive gewählt wird. Axel Hollmann macht es sich mit der Wahl der Ich-Erzählung aus der Sicht eines weiblichen Protagonisten doppelt schwer. Vielleicht stammt daher auch das ausgeprägt maskuline Verhalten von Julia Wagner.
Außerdem wechselt der Autor in den Kapiteln 13, 33 sowie 47 ohne Grund die Erzählperspektive. Aus der personalen Erzählerin wird plötzlich ein allwissender (auktorialer) Erzähler, der das Geschehen von außen überschaut. Dies hätte ein erfahrener Lektor bemerkt, und wenn die Ich-Erzählerin dann plötzlich berichtet, was im Inneren einer anderen Person vorgeht, dann hätte er diesen Schnitzer auf jeden Fall eliminieren müssen.
Streiten kann man schließlich über die Frage, ob der als Klammer genutzte zusätzliche Handlungsstrang um Sandras Fitnessstudio und ihren Trainer nicht besser entfallen wäre. Sie bremst das Einstiegstempo und hat mit der eigentlichen Krimihandlung nur insofern zu tun, als sie das Stehaufmännchenprinzip der Heldin erklären will. Eine ersatzlose Streichung hätte die explosive Handlung sofort entzündet und wäre für das Gesamttempo förderlich, zumal „Benzin“ als Prequel für eine ganze Serie Julia-Wagner-Krimis dient, die der Protagonistin bestimmt noch manchen Entwicklungsspielraum bietet.
Abgesehen von diesen Kleinigkeiten hat Hollmann eine interessante Geschichte mit viel Potential kreiert, die allerdings eine noch gewissenhaftere Auseinandersetzung mit Thema und Sprache verlangt, will sie denn wirklich abheben.
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