Blauer Montag

gruenberg-1Null Bock auf nichts

Wenn ein Autor als Ich-Erzähler auftritt, hat man es in der Epik normalerweise mit einer Autobiografie zu tun. In einem Roman jedoch, und «Blauer Montag» ist explizit als solcher deklariert von Autor und Verlag, wirft diese Konstellation immer wieder die Frage auf, ob das jeweils Gelesene nun pure Fiktion ist oder doch real Erlebtes. Und das umso mehr, wenn eine ungewöhnlich provokante Geschichte derart sachlich, nüchtern und kaltschnäuzig erzählt wird wie die äußerst chaotisch anmutenden Erlebnisse des in Amsterdam lebenden Holländers Arnon Grünberg. Einer, der der Null-Bock-Generation angehört und seine nihilistische Einstellung zu seiner ganz persönlichen Lebensphilosophie verklärt, der um nichts in der Welt sich den gesellschaftlichen Konventionen anzupassen gedenkt, der einen anderen, besseren Weg zu suchen scheint, ohne recht zu wissen, was das denn wäre, wonach genau er da eigentlich sucht.

Die in fünf Abschnitte gegliederte Geschichte beginnt gleich turbulent mit dem Tod und der Beerdigung des Vaters, der offiziell mit Briefmarken handelte, dessen wahre Geschäfte aber undurchsichtig sind. So gehört denn zum Beispiel eine Reitschule für Behinderte mit zwanzig Pferden zu seinem Nachlass, sehr zur Verblüffung von Ehefrau und Sohn Arnon. Im Stil eines Pennälerromans geht es in einer Rückblende weiter mit dessen Schulnöten und seiner ersten Liebe Rosie, locker und amüsant erzählt, ohne dieser Thematik jedoch neue Seiten abgewinnen zu können. Was das blutjunge Pärchen eint ist ihre ungestüme Art, das Besondere, Aufregende zu suchen und allem Konventionellen zu trotzen, «die ganze Welt ist langweilig», wie Rosie ernüchtert feststellt. Im dritten Abschnitt wird die Phase der Krankheit des nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmten Vaters geschildert. Arnon kümmert sich um ihn, fährt ihn im Rollstuhl in die Kneipe und kommt ihm näher als je zuvor.

Im vierten Abschnitt unter dem Titel «Die Mädchen», der fast die Hälfte des Romans umfasst, wird über die Zeit nach dem Rauswurf aus der Schule berichtet, wo Arnon, inzwischen erwachsen geworden, sich mit verschiedenen Gelegenheitsjobs durchs Leben schlägt. Als Verleger ging er schnell in Konkurs, zur Büroarbeit hatte er ebenfalls bald keine Lust mehr, seine Geldquellen bleiben völlig im Dunkeln, erwähnt wird nur, dass er selbständig als Manuskriptleser für einen Verlag tätig ist. Immer in Geldnöten und oft abgebrannt bis auf den letzten Gulden, hat er für Kneipen, Bars und Restaurants, aber auch für Damen des horizontalen Gewerbes, auf wundersame Weise dann doch immer noch genügend Geld übrig. Seit Rosie ihn verließ, hatte er keine Freundin mehr, Liebe und emotionale Bindungen sind ihm total fremd geworden, es zieht ihn nur noch zu käuflichen Frauen hin.

Die Erlebnisse des trostlosen Helden im Bordellmilieu Amsterdams sind das Langweiligste, was ich seit Langem gelesen habe, da ändern auch einige eingeschobene Puffwitze nichts dran. Über nicht weniger als fünf «Mädchen» wird ausführlich berichtet, aber weder die freudlosen sexuellen Verrichtungen noch die dümmlichen Gespräche zwischen Nutte und Freier sind in irgendeiner Weise interessant oder gar erbaulich. Denn weder die Voyeure noch die Alltagsphilosophen unter den Lesern kommen da wirklich auf ihre Kosten. Letztere seien auf den im Rotlichtmilieu angesiedelten Roman «Im Stein» von Clemens Meyer verwiesen, – wenn’s denn unbedingt sein muss! Über die Ursachen der seelischen Verwahrlosung des Helden darf spekuliert werden, in Frage kommen sowohl das lieblose Elternhaus als auch die gescheiterte Liebesbeziehung zu Rosie, der Text bietet leider kaum Ansatzpunkte für eine fundierte psychologische Analyse. Am Ende schließlich startet der Ich-Erzähler in eine neue Karriere als Callboy, aber was daraus dann wird, das erspart der Autor den geplagten Lesern, wofür ich ihm äußerst dankbar bin.

Fazit: miserabel

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Diogenes Zürich

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