Auf den Lügen aufgebaut
Antonia lebt seit zehn Jahren im Arbeitslager in Workuta. Als Kommunistin ist sie vor Hitler in die Sowjetunion geflohen, nicht in die Länder des Klassenfeindes. Und wurde wegen »Spionage« verurteilt. Ihr Mann wurde erschossen, weil er aus dem Lager ausbrach, um seine Tochter zu sehen.
1952 kommt sie frei. Als einzige Überlebende der kommunistischen Gruppe, mit der sie geflohen ist. In der DDR empfängt man sie freundlich, ihr wird eine Wohnung gestellt, sie erhält eine leitende Stellung. Die Kommunisten der SED haben ein schlechtes Gewissen.
Und sie wollen Stalins Säuberungen und Verbrechen geheimhalten. Sie muss eine Erklärung unterschreiben, dass sie niemandem erzählt, dass sie im Lager war und die Schergen der Kommunisten ihren Mann erschossen haben. Ohne Grund, in einem Verfahren, in dem es keine Verteidigung gab und das Urteil vorab feststand.
Wenn das bekannt wird, nützt es dem Klassenfeind, so die Begründung. Erzählt sie die Wahrheit, macht sie sich strafbar. Der Aufbau des Sozialismus ist auf Lügen aufgebaut. Heute würde man sagen: Fake News sind das Fundament.
Antonia glaubt weiter an den Kommunismus. Sie unterschreibt, dass sie nichts sagen wird. Und setzt sich für die neue Gesellschaft ein.
Beim Tod Stalins feiert sie mit Mithäftlingen. Und trinkt und ihr Liebhaber erfährt die Wahrheit. Die SED schlägt zu, sie landet im Knast.
Der Film greift die Lebenslügen der DDR auf. Was man sagen durfte und was nicht, was man wahrnehmen durfte und was nicht.
Die Lügen vergifteten den Staat. Sie sollten dem Sozialismus nützen und trugen doch und gerade deswegen zu seinem Untergang bei. Wer Probleme unter den Teppich kehrt, nicht über sie spricht, kann sie nicht lösen. Deshalb ist Meinungsfreiheit so eine Erfolgsstory. Und so nötig.
Großartige Schauspieler, ein hervorragendes Drehbuch und ein ebensolcher Film setzen all denen ein Denkmal, die so oft vergessen wurden. Den Kommunisten, die eine bessere Gesellschaft schaffen wollten und von dieser verraten wurden. Nicht vom Klassenfeind. Sondern von den eigenen Genossen und der eigenen Partei.
Ich gestehe, ich habe geweint, als ich aus dem Kino kam. Immerhin stamme ich auch aus der Generation 68, die den Sozialismus so verehrte. Und habe die vielen erlebt, die die Geschichte einfach nicht wahrhaben wollten, in DKP, den K-Gruppen, anderen linken Organisationen. Die in der Kneipe die Verbrechen zugaben und sie in der Öffentlichkeit und ihren Zeitungen leugneten. Und die sich heute immer noch im Verschweigen üben.
Mein Dank an die Filmemacher, die Schauspieler und alle die anderen, die zum Gelingen dieses Films beigetragen haben.
Und danke an die Tilsiter Lichtspiele, in dessen Minikino ich den Film sehen durfte!