Frühstück bei Tiffany

 

capote-1Satire auf New Yorks Schickeria

Im Werk des in New Orleans geborenen Schriftstellers Truman Capote markiert der 1958 erschienene Kurzroman «Frühstück bei Tiffany» einen Höhepunkt seines vielseitigen Schaffens, das durch seine Tätigkeiten als Drehbuchautor und Schauspieler dem Film stets eng verbunden war. Ein Jahr nach der amerikanischen Erstausgabe erschien der Roman bereits in deutscher Übersetzung, 1961 folgte dann die berühmte Verfilmung des Stoffes mit Audrey Hepburn und machte die Geschichte von Holly Golightly einem weltweiten Publikum bekannt. Wie so oft kann aber auch hier der Film nicht wirklich überzeugen, wenn man ihn mit dem Buch vergleicht, also heißt es selber lesen, will man die berühmte Erzählung unverfälscht und ungeschmälert in allen ihren Facetten goutieren.

Im Mittelpunkt der Geschichte, die zeitlich im Zweiten Weltkrieg angesiedelt ist, steht die unkonventionelle 19jährige Holly Golightly, deren in etwa mit «Leichtfuß» übersetzbarer Nachname schon ihren Lebenswandel andeutet, sie schlägt sich frech und unbekümmert als Partygirl durchs New Yorker Nachtleben. Ihre diversen Verehrer nimmt sie erfindungsreich und gnadenlos aus, ohne ihnen entgegen zu kommen, als attraktive Frau auch nur ein wenig von dem zu bieten, wonach sie alle lechzen. Namenlos bleibender Ich-Erzähler ist ihr mutmaßlich schwuler Nachbar, der sich schon bald als einziger echter Freund erweist in einer ansonsten platonischen Beziehung. Denn nicht immer ist Hollys Leben lustig und unbeschwert, und wenn sie den Koller bekommt, das «rote Grausen», wie sie es nennt, dann ist wieder ein Besuch bei Tiffany fällig, dem Juwelier in der Fifth Avenue, – nicht als Kundin, nur der besonderen Atmosphäre wegen, die sie dann immer rasch wieder aufrichtet. Ihr Charme, ihre Cleverness und Unverfrorenheit helfen ihr zuverlässig über alle Klippen. Schlussendlich will sie José heiraten, einen brasilianischen Diplomaten, von dem sie ist schwanger ist und mit dem sie nach Rio de Janeiro ziehen will.

Aber sie hatte vor einiger Zeit unbedarft einen Job angenommen, der ihr jeweils hundert Dollar einbringt, nämlich Sally Tomato wöchentlich im Zuchthaus Sing-Sing zu besuchen. Die harmlos scheinenden Botschaften, die er ihr dabei mündlich mitgibt, werden ihr zum Verhängnis, sie wird verhaftet unter dem Verdacht, für den Mafiaboss gearbeitet zu haben. José trennt sich daraufhin von ihr, um sein Ansehen besorgt. Holly erleidet eine Fehlgeburt, flieht aus dem Krankenhaus und nutzt kurz entschlossen ihr Flugticket nach Rio, danach hört der Erzähler nichts mehr von ihr. Bis eines Tages eine Postkarte eintrifft: «Brasilien war scheußlich, aber Buenos Aires ganz toll. Nicht Tiffany, aber fast. Bin hüftabwärts mit himmlischem Señor verbunden. Liebe? ich glaube nicht. Sehe mich jedenfalls nach was zum Wohnen um (Señor hat Frau und sieben Bälger) und lasse Sie Adresse wissen, sobald ich selber weiß. Mille tendresse.» Diese Adresse aber hat er nie bekommen.

Truman Capote schreibt hier in bester US-amerikanischer Erzähltradition, journalistisch knapp und zielgerichtet mit dem Augenmerk immer auf seiner Geschichte, die er chronologisch erzählt. Sein völlig unprätentiöser Sprachstil ist leichtfüßig wie Hollys Lebensweise, gekonnt angereichert mit Alltagssprache aus dem Milieu einer exzentrischen Lebedame, eine leicht zu lesende, amüsante Satire auf die Schickeria von New York. Denn immer wieder kommt man ins Schmunzeln bei den teils grotesken Situationen, in die Holly und ihr Nachbar unversehens hineinschlittern. Für Buchleser erhellend aber ist auch der Vergleich mit dem vermutlich allseits bekannten Spielfilm. Dort bleibt nämlich von der verruchten Atmosphäre um die lebensgierige Holly so gut wie nichts übrig, die Story wird dank Audrey Hepburn wie mit Zuckerguss serviert, und ein kitschiges Happy End verkehrt schließlich die Intention des Autors geradezu ins Gegenteil. Den Roman zu lesen lohnt sich deshalb allemal!

Fazit: lesenswert

Meine Website: http://ortaia.de


Genre: Roman
Illustrated by Rowohlt Taschenbuch Reinbek

Die Hunde bellen

Truman Capote verzichtete bewusst auf die üblichen Reporterutensilien wie Tonband oder Diktiergerät, er nutzte nicht einmal Stift und Papier bei seinen Interviews. Der Autor setzte lediglich sein Hirn als Speichermedium ein, weil er der Überzeugung war, nur so eine natürliche Beziehung zwischen den Interviewpartnern (dem nervösen Kolibri und dem Vogelfänger, wie er es nannte) herstellen zu können. Die Ergebnisse dieser Arbeitsmethode lässt sich jetzt in geballter Form in seinen gesammelten Reportagen und Porträts nachlesen, und ich gestehe neidlos: Capotes Texte sind gnadenlos gut.

Eingeleitet wird der voluminöse Band nicht-fiktionaler Texte von Capotes umfangreichem Konversationsporträt des exzentrischen Schauspielers Marlon Brando, den er in einem Hotel in Kyoto während der Dreharbeiten zum Liebesmelodram »Sayonara« besuchte. Er schildert den Charakterdarsteller als »Fürst in seinem Reich« und nutzt Brando zugleich als Versuchskaninchen, um eine neue Art des journalistischen Schreibens auszuloten.

Capotes Ansatz lautete, eine Reportage ebenso anspruchsvoll zu schreiben wie jede andere Art Prosa, sei es Essay, Kurzgeschichte oder Roman. Im Erscheinungsjahr 1956 war das ein Wagnis, und Capote schildert den Ausgangspunkt seiner Überlegungen: »Was ist die niederste Stufe des Journalismus? Anders gefragt, welcher Dreck lässt sich am schwersten zu Geld machen? Antwort, ganz klar: Interviews mit Hollywood-Stars, dieses unerträgliche Promi-Gelaber … So etwas zur Kunst zu erheben, wäre eine echte Aufgabe.«

Capote gelang mehr als das: seine journalistischen Texte lesen sich wie Literatur und wurden zu einer eigenen Kunstform. Seine Reportagen und Porträts sind Kampfansagen an eine zunehmend unverständliche Sprache der so genannten Hochliteratur, die sich auf rein formale Spielereien und auf die Vernachlässigung der Alltagsstoffe kapriziert. »Schlicht sollen sie sein, meine Sätze, und klar wie ein Gebirgsbach«, lautete sein sprachliches Credo, während er bei seinem Stil besonderen Wert legte auf die Gestaltung »statischer« Textteile, mit denen er seinen jeweiligen Gesprächspartner und die Stimmung des Interviews herausarbeitete.

Eine gewalttätig knisternde Spannung liegt auf seinem Gespräch mit Robert Beausoleil, einem Dauergast im Hochsicherheitstrakt von San Quentin in Kalifornien. Der Leser spürt unmittelbar den mörderischen Atem der wohl schillerndsten Gestalt aus der Charles-Manson-Sekte, der sich im Gefängnis zum Anführer der faschistischen »Arischen Bruderschaft« erhob.

Ganz anders und nahezu beschwingt schilderte Capote das Tagewerk der Mary Sanchez. Er begleitet die Putzfrau auf ihren Einsatzorten in New York und erfährt dabei enorm viel über sie wie über die Bewohner der Appartements, die sie putzt. Sanchez erträgt ihre Arbeit als Putzteufel, indem sie immer wieder zu einer kleinen Blechschachtel greift, in der sich eine Ansammlung von Jointkippen befindet. Irgendwann gelingt es ihr, Capote zum Mitrauchen zu animieren und darauf bekommt die Story einen wundervoll leichten, geradezu bekifften Touch.

In »Versteckte Gärten« wiederum beschäftigt sich Capote in einer Art Selbstgespräch mit seiner Heimatstadt New Orleans. Dazu setzt er sich an einem prachtvollen Frühlingstag in einen uralt gewachsenen Park und reflektiert, was er dort sieht und erlebt. In einem der Gespräche, die der Wind an sein Ohr trägt, streitet sich ein Zuhälter mit einer Frau, die für ihn anschafft, und es wäre kein Text von Capote, wenn die Dame nicht am Schluss der Geschichte wie zufällig vorbei kommt und ihn anspricht.

Wer sich für journalistische Sprache und Stil interessiert, der wird von Capote vorzüglich bedient. Der am 30. September 1924 in New Orleans geborene Autor steht für den »New Journalism«, zu dessen Wegbereitern auch Tom Wolfe, Hunter S. Thompson und Norman Mailer zählen. Sein 1958 veröffentlichtes »Frühstück bei Tiffany« erlangte auch dank der Verfilmung mit Audrey Hepburn große Berühmtheit. Capote begründete 1965 mit seinem Welterfolg »Kaltblütig«, der exakten Aufarbeitung eines blutigen Mordes an einer Farmerfamilie, sogar eine neues Genre: den Tatsachenroman. Truman Capote starb am 25. August 1984 in Los Angeles.

Diskussion dieser Rezension im Blog der Literaturzeitschrift


Genre: Reportagen
Illustrated by Kein & Aber Zürich