Geradlinig und ungezwungen erzählt Katja Lukic von der Verwirklichung ihres Traumes, aus ihrem bisherigen Alltag auszusteigen und auf die Suche nach einem anderen Leben zu gehen. Gemeinsam mit ihrer Freundin bricht sie Richtung Süden auf, um als Straßenkünstlerin eine Existenz zu finden.
Karen, so der Name des Alter Egos der Autorin in der biographischen Schilderung, kommt an ihrem 30. Geburtstag zu dem Schluss, ein anderes Leben wagen zu wollen. Sie meint, mit ihrem Job in einer Sackgasse zu stecken und trotz abgeschlossenem Studiums von einem eingeschworenen Kreis alter Männer in den oberen Etagen schikaniert zu werden. Ergo kündigt sie ihren Job und beschließt, gemeinsam mit ihrer Freundin Mona für ein Jahr nach Spanien zu ziehen. Dabei ist sie diejenige, die zögert, während Mona wesentlich tatkräftiger und entscheidungsfreudiger wirkt.
Die beiden kaufen einen zum Wohnmobil ausgebauten 21 Jahre alten VW-Bus mit Hängerkupplung sowie einen Verkaufsanhänger. Daraus wollen sie warm gemachte Wiener Würstchen aus der Dose verkaufen. Karen lässt sich durch einen Puppenspieler auf der Möckebergstraße inspirieren und studiert mit einer Handpuppe, die zu Whitney-Houston-Songs aus dem Kassettenrecorder tanzt, eine kleine Playback-Show ein.
Ohne Kenntnisse der spanischen Sprache und ohne finanziellen Background geht die Reise am 1. Mai 2001 los. Ihre Wohnungen haben sie an Untermieter vergeben und ihr bisheriges Leben in eine Abstellkammer gesperrt. Im Bus »Woody« mit Anhänger »Daisy« am Haken schnaufen die Freundinnen langsam gen Süden. Ihr Ziel ist Málaga in Andalusien. Sie nähren sich von Dosenhering, der das Aroma von Freiheit verströmt und in nach Abenteuer duftender Tomatensoße schwimmt sowie von Pasta in Tomatensoße aus Pappkartons.
In einem kleinen französischen Küstenort feiert Karen die Premiere ihrer Handpuppen-Show. Leider interessiert sich kein Schwein für ihre Darbietung, und der Hut, in ihrem Fall eine alte Kaffeedose, bleibt leer. Am Etappenziel Barcelona werden die beiden Frauen fasziniert von Straßenkünstlern, die sich als lebende Statuen präsentierten und nur dann knappe Bewegungen machten, wenn ein Geldstück in ihre Blechnapf sprang. Als sie mit ihrer Puppen-Darbietung zwar ein paar Peseten einnehmen, jedoch von einem Polizisten darauf hingewiesen werden, dass Musik vom Band unerwünscht ist, entwerfen sie selbst Kleider, um als in Silber geschminkte Doppelstatue aufzutreten.
Die beiden haben mit dieser Entscheidung Erfolg. Sie treten als silbern geschminkte Marktfrauen auf, die Blumen und Äpfel verkaufen. Viele Passanten, vor allem Touristen, reagieren positiv und werfen kleine Münzen in die Blechdose. Bald stellt sich für die Mimos, so die Bezeichnung für lebende Statuen, das Problem, wie und wo sie das bald Säcke füllende Kleingeld wechseln können. Bekanntschaften mit anderen Straßenkünstlern helfen, sich auszutauschen und Lösungswege zu finden. Sie werden aber auch mit Dieben konfrontiert, die ihnen Geld aus der Sammelkasse stehlen und damit türmen. Selbst »Woody« wird aufgebrochen und geplündert.
Trotz derartiger Rückschläge überwiegen der Überlebenswille und das positive Denken, eine Existenz aufbauen zu können. Karen und Mona reisen bald von einer Fiesta zur nächsten, tauschen sich mit anderen Straßenkünstlern aus und bekommen ein sicheres Gefühl, wann und wo es sich lohnt, als Silber-Statue aufzutreten. So durchqueren sie Spanien, atmen begeistert die faszinierenden Eindrücke der bereisten Städte ein, genießen die regionalen Kulinaria sowie ein aufmerksames Publikum, verlieren dabei allerdings ihre Ausgangsidee, Würstchen verkaufen zu wollen, vollkommen aus den Augen.
Bald ist das für den Roadtrip verabredete Jahr um und die Frage steht im Raum, ob Karen wieder nach Hamburg zurückkehrt. Dort hat sie soziale Kontakte, ihre Freunde und die vermeintliche Sicherheit der Heimat. Nach einer Phase der Unentschlossenheit spürt sie, wie gut Spanien ihr tut, zumal sie auch mit dem Schreiben begonnen hat. Die beiden Frauen entschließen sich, ein weiteres Jahr im Mittelmeerraum zu verbringen, aus denen letztlich sieben Jahre werden sollen, wie der Fortsetzung der Lebensgeschichte in zwei weiteren Bänden entnommen werden kann.
In »Nur ein Jahr« erzählt Katja Lukic unprätentiös und nonchalant die Geschichte ihrer Suche nach einem anderen Leben. Die biographische Schilderung liest sich flüssig und entwickelt eine gewisse Sogwirkung. Unterm Strich wirkt das Roadmovie indes ein klein wenig rosarot gefärbt und unglaublich reibungsfrei. Im Buch geht es bei den beiden Reisenden immer harmonisch zu, es kommt kaum Beziehungsstress auf und Aspekte wie Liebe, Emotion und Erotik bleiben vollkommen ausgeblendet. Das ist zumindest für den Rezensenten schwer nachvollziehbar, doch vielleicht sind Mimos in ihrer statuarischen Verharrung so, und Herr Frieling irrt sich.
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Lieber Rupi,
kaum bin ich zwei Tage aus Spanien (Gran Canaria) zurück, da “muss” ich deine Buchbesprechung lesen. Und das, während ich mich an den Rechner gesetzt habe um mal über den dicken Daumen zu peilen, was mich eine “Zweitexistenz” auf den Canarischen Inseln in etwa kosten könnte.
Zufall?
Allerdings setze ich dabei weniger auf Geld vor Ort zu verdienen, als vielmehr, wie gehabt, unter anderem Hypnosen aus dem Stegreif vor wunderbaren südlichen Kulissen in die www-Weiten zu senden.
Besten Dank für deine (wie immer) wunderbaren Impulse, und dir (und allen, die sich angesprochen fühlen) einen wunderbaren Start ins Jahr 2019, in dem gerade Menschen wie du (und vielleicht auch wie ich) gebraucht werden.
Liebe Grüße
Matthias
Vielen Dank, lieber Matthias! ????