Eine typische Sommerlektüre
Seit jeher haben ja Reisebücher in der Literatur ihren festen Platz, gehören doch die erstaunlichen Eindrücke und unerwarteten Erlebnisse in fremden Landen mit zu dem Interessantesten, was man erzählen kann. Und so reicht diese Art von Literatur bis weit in die Antike zurück und hat selbst die berühmtesten Autoren auf den Plan gerufen, Goethe mit seiner «Italienischen Reise» sei da als hochrangiges Beispiel genannt. Mark Twain hat nach seinen ausgedehnten Reisen durch Europa in humorvollen Reiseberichten voller Anekdoten das soziale Verhalten in den besuchten Ländern auf lustige Art beschrieben. Ausgesprochen Satirisches ist von Ephraim Kishon in «Der seekranke Walfisch» mit dem Untertitel «Ein Israeli auf Reisen» zu diesem Thema zu lesen, womit er deutlich über Twains erstaunt lächelnde Ironie hinausgeht. Ferenc Hoffmann, in Budapest geboren und 1949 nach Israel ausgewandert, nahm dort, wie allgemein üblich damals, als israelischer Neubürger auch einen neuen Namen an, und wie es bei einem Schriftsteller mit humoristischem Schwerpunkt nicht anders zu erwarten ist, gibt es auch dazu eine nette Anekdote. Charakteristisch für Kishons Werk ist seine derb-humorige Erzählweise, mit der er überaus erfolgreich war, seine weltweite Auflage, in viele Sprachen übersetzt, liegt bei mehr als vierzig Millionen Büchern, oft verfilmt, teilweise auch unter seiner Regie.
Die skurrile Übertreibung als Wesensmerkmal seines Schreibstils findet sich auch in diesem Reisebuch, und in deren Schutz nun übt er zum Teil bissige Kritik an den gesellschaftlichen Zuständen und an den Menschen, die dafür Verantwortung tragen oder die sich dem alltäglichen Wahnsinn widerspruchslos ergeben haben. Mit Ironie und Spott werden sie der Lächerlichkeit preisgegeben, sehr zum Vergnügen des Lesers natürlich, der sich ja immer freut, wenn über andere Witze gemacht werden. Aber Kishon prangert auch die Zustände im eigenen Lande an, geißelt mit seinem scharfen Zynismus Israel und die Juden, und er macht dabei auch vor sich selbst nicht Halt, sogar «die beste Ehefrau von allen», wie er sie nennt, wird bei passender Gelegenheit gelegentlich auch als «Die Schlange, mit der ich verheiratet bin» bezeichnet.
In acht Kapiteln wird diese wunderliche Reise Kishons mit seiner Frau beschrieben, die sie nach Europa und Amerika führen soll. Schon die Zeremonien der Vorbereitung bergen viel humoristischen Zündstoff, und auf den verschiedenen Stationen dieser Reise, beginnend auf Rhodos, weiter nach Italien, der Schweiz, Frankreich, England und schließlich Amerika, kommt man aus dem Schmunzeln nicht mehr heraus. Denn immer wieder wird Absurdes entlarvt in den Charakteren der Einheimischen und in den Eigenheiten ihrer Lebensweise. Zum Glück für uns deutsche Leser wird uns der Spiegel nicht vorgehalten von Kishon, er hat Deutschland links liegen gelassen auf dieser Reise, und so bekommen nur die Anderen ihr Fett ab. Kishons Sicht auf die alltäglichen Begebenheiten und seine Schlussfolgerungen sind immer wieder staunenswert, wobei er für meinen Geschmack aber deutlich zu stark aufträgt, so als ob er befürchtet, der Leser könnte eine feinsinnigere Satire nicht als solche erkennen. Diese zum Absurden neigende Holzhammermethode ist gewöhnungsbedürftig und teilt die große Schar der Leser in zwei Fraktionen, zu deren eindeutig kleinerer, diesem speziellen Schreibstil eher skeptisch gegenüberstehender, ich mich ausdrücklich auch zähle. Wer’s hingegen drastisch mag, für den ist dieses amüsante Buch eine wahrlich beschwingte Lektüre, idealerweise zu lesen, wenn die flirrende Hitze eines Sommers mit der Rangbezeichnung «Jahrhundert» ernsthaftere und anspruchsvollere Lektüre schier unmöglich macht.
Fazit: mäßig
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