Hochaktuell
Aus zwei nicht nur zeitlich unterschiedlichen Perspektiven berichtet Vladimir Vertlib in seinem Roman «Am Morgen des zwölften Tages» über orientalische Männer. Dabei geht es dem österreichischen Autor russisch-jüdischer Herkunft hauptsächlich um die Islam-Erfahrungen seiner zwei Protagonisten, die als Großvater und Enkelin, also aus der Perspektive verschiedener Generationen, über das religiös gesteuerte Verhalten von Muslimen berichten. Da ihre Geschichten völlig unabhängig voneinander in Ich-Form erzählt werden, sind es eigentlich zwei Romane, die man da in ständigem Wechsel liest.
«Gnädige Frau, wären Sie bereit, mit mir zu schlafen», fragt gleich zu Beginn in einer Bar der 57jährige Adel die 39jährige Astrid, die seit jeher eine Schwäche für orientalische Männer hat. Die alleinerziehende Mutter einer erwachsenen Tochter bricht 1988, gleich nach dem Abitur, aus ihrer süddeutschen Universitätsstadt zu einer Reise nach Marokko auf, kommt aber nur bis Stuttgart. Dort lernt sie am Bahnhof Khaled kennen, der sich im Kaffeehaus an ihren Tisch gesetzt hat. Die mollige junge Frau kann seinem Charme nicht widerstehen, die Beiden erleben eine rauschhafte Nacht miteinander. Sie verschiebt daraufhin die Weiterreise von Tag zu Tag. «Am Morgen des zwölften Tages verschwand er», – und zwar auf Nimmer-Wiedersehen, sie weiß so gut wie nichts von ihm, außer dass er aus einem Dorf im Irak stammt. Neun Monate später kam ihre Tochter zur Welt. Ähnlich desaströs verläuft auch zwanzig Jahre und viele Männer später ihre Affäre mit Adel, denn schon bald schlägt er sie im Streit. Sie sinnt auf Rache und schließt sich einer Selbsthilfe-Gruppe nicht-muslimischer Frauen an.
Ihr verstorbener Großvater war als Orientalist durch sein Buch «Faschistische Perspektive für die Welt des Islam» berühmt geworden. Im Krieg war er für das Propaganda-Ministerium und die deutsche Abwehr tätig und wurde in eine Delegation berufen, die 1941 mit dem Auftrag in den Irak reiste, dort einen Aufstand gegen die britischen Besatzungs-Truppen anzuzetteln und sich als Verbündete zu inszenieren, wobei ja allein schon der Antisemitismus als Bindemittel diente. Die schriftlich festgehaltenen Ereignisse der Nazi-Mission bilden den größten Teil des Romans. Sie erinnern in ihrer Abenteuerlichkeit zwar an Karl May, sind aber offensichtlich gut recherchiert und durchaus bereichernd zu lesen. Zum Lesegenuss trägt insbesondere die deutliche Ironie des Autors bei, der nicht ganz klischeefrei, aber gut nachvollziehbar die Wurzeln im machohaften Weltbild islamischer Männer in ihrer extrem frauenfeindlichen Religion verortet. Dem Autor deshalb allerdings Islamophobie zu unterstellen, «gerade er als Jude dürfe so nicht über den Islam schreiben», geht allerdings völlig an der Sache vorbei, weist er doch deutlich auf dafür gleichermaßen vorhandene europäische Ursprünge hin.
Man macht es sich auch zu einfach, wenn man das bis heute gültige, mittelalterliche Weltbild des Islam nur als eine Frage der Koran-Auslegung interpretiert. Dieses antike Märchenbuch trägt, übrigens genau wie Talmud und Bibel, zum Leid jener Mehrheit von naiven Gläubigen bei, deren Intellekt den Schwachsinn nicht zu durchschauen vermag, der ihnen da von Kindesbeinen an eingetrichtert wird. Angesichts des islamistischen Terrors wird deutlich, wie gefährlich dieser «explosive Religionskitsch» tatsächlich ist. Die köstlichste Stelle im Buch ist die lebhafte Diskussion der Selbsthilfegruppe-Damen über die 72 Jungfrauen, die im Jenseits auf die Märtyrer des Islam warten. Der dem realistischen Erzählen verhaftete Vladimir Vertlib hat seine Thematik gründlich durchleuchtet und auf humorvolle Weise sehr unterhaltsam darüber geschrieben. Sollte, was Allah verhüten möge, Marine Le Pen am Sonntag zur Präsidentin gewählt werden, droht, wie Emmanuel Macron gestern im TV-Duell prophezeit hat, mit dem von ihr geplanten Kopftuchverbot ein Bürgerkrieg in Frankreich. Hochaktuell also, worüber der Autor hier schreibt!
Fazit: erfreulich
Meine Website: http://ortaia.de