Das Buch der Bücher für die Insel

Vom Faszinosum der Literatur

Der deskriptive Titel «Das Buch der Bücher für die Insel» des literarischen Kompendiums von Markus Gasser macht all jene Leute neugierig, für die Bücherlesen mehr ist als reihenweise gängige Schmöker zu verschlingen. Der österreichische Literaturwissenschaftler Markus Gasser definiert seine Tour d’Horizon als «Weltreise durch die Kontinente der Literatur», wobei er den Radius weit fasst und alles mit einschließt, was «unsere Lektüreleidenschaft weckt». Weil das aber die anspruchslose Trivialliteratur ebenfalls leistet, findet man die erforderliche qualitative Abgrenzung indirekt in seiner Erläuterung, die fünfzig Kapitel seines Buches würden Klassisches und Kanonisches ebenso einschließen wie Neues und Populäres.

Beginnend mit «Die Neuschöpfung des Universums» hat der Autor seine Porträts von Autoren und ihrem Werken in fünf Großkapiteln thematisch zusammengefasst, in denen er eines ihrer besten Werke, hier von Melville, Proust, Garcia Marquez, Thomas Mann, Borges, Tolkien, Nabokov und Homer, kenntnisreich bespricht. Unter «Helden» werden Stendhal, Nabokov, Virginia Woolf und Kafka besprochen, ferner Charlotte und Emily Brontë, Faulkner, Scott Fitzgerald, Hemingway, Dumas, Yann Martel und Graham Greene. Mit Philip Roth und Nagib Machfus, Jane Austen, Joseph Roth, Flaubert, Franzen, Dickens, Tolstoi, Tschechow, Javier Marías, Munro und Joyce ist das Großkapitel «Wie leben die anderen» überschrieben. In «Die Abenteuer des Lesens» fasst Markus Gasser seine Betrachtungen über Stevensen, Roald Dahl, Eco, Grass und Balzac zusammen. «Die Archive der Finsternis» bilden mit Mo Yan, Poe, David Mitchell, Twain, Salman Rushdie und Victor Hugo den Abschluss seiner Bibliothek der einsamen Insel. Unter dem Motto «Für jeden Leser das richtige Buch» werden schließlich die vorgestellten Werke ebenso selbstkritisch wie ironisch in «sieben Koffern mit je sieben unanfechtbar vertrauenswürdigen Büchern» noch mal nach Lesertypen aufgegliedert.

Mancher literarisch bewanderte Leser wird jetzt natürlich seine Fragezeichen setzen bei diesem oder jenem Werk, und Ausrufezeichen für diejenigen, die fehlen. Markus Gasser hat, soviel wird einem ganz schnell klar, hier nicht oberlehrerhaft einen weiteren literarischen Kanon zusammengestellt, von denen es ja so viele schon gibt. Er hat vielmehr ganz subjektiv jene Bücher aufgezählt, die ihm am Herzen liegen. Allesamt sind das seine sehr persönlichen Favoriten für die einsame Insel, auf der es ja per Definition keinen Nachschub gibt an Lesestoff. Ganz nebenbei kann man daraus sogar interessante Rückschlüsse auf die Person des Autors selbst ziehen, so wenn er zum Beispiel die «Joseph-Tetralogie» auswählt bei Thomas Mann oder «Der Butt» bei Grass. Und auffällig ist auch die Häufung von Abenteuer- und Gruselromanen, die man allenfalls aus der eigenen Jugendzeit kennt!

Die mitreißende Euphorie des überaus belesenen Autors bei der Vorstellung seiner nicht an Genregrenzen gebundene Auswahl macht diesen Ratgeber selbst zu einer unterhaltsamen Lektüre. Dabei gerät ihm die Schilderung der Biografien seiner Autoren mitunter deutlich zu weitschweifig, ja geradezu ausufernd im Verhältnis zu den Büchern selbst, um die es ja letztendlich geht. «Mrs Dalloway» von Virginia Woolf ist ein beredtes Beispiel dafür, in epischer Breite schildert Markus Gasser deren psychische Probleme, die schließlich zum Suizid geführt haben, ihr grandioser Roman hingegen wird relativ knapp abgehandelt. Es sind allerdings gerade diese liebevollen, mit köstlichen Anekdoten angereicherten Reminiszenzen an die größtenteils bereits verstorbenen Schriftsteller, die diese Lektüre über das Faszinosum der Literatur im engeren Sinn – als Kunstgattung also – durchaus lesenswert machen. Dabei stört dann im Endeffekt auch der altmodisch gespreizte, manieristische Stil herzlich wenig, in dem diese Fundgrube für gehobene Literatur geschrieben ist, man flaniert geradezu genüsslich durch diese Thomas-Mann-artigen Satzgebilde.

Fazit: lesenswert

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Genre: Sachbuch
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