Ulysses zum 100.

100 Jahre Ulysses in einer Jubiläumsausgabe bei Suhrkamp

Das maßlose Buch” wurde der Ulysses schon genannt, wegen blasphemischer und pornographischer Inhalte war er am Index und er galt allgemein als schwer zu lesen. Zum 100. Geburtstag der Erstausgabe des Mammutwerks von JJ hat es der Suhrkamp Verlag in einer goldenen Taschenbuchausgabe neu aufgelegt. Wer will kann es aber auch in blau, rot, türkis oder gelb kaufen, bloß nicht in irish-green.

100. Jubiläum Ulysses

Am 2. Februar 1922, dem 40. Geburtstag von James Joyce, erschien in einer Auflage von nur 1000 Exemplaren die Erstausgabe des Ulysses. Verlegt wurde das Buch damals durch Sylvia Beach, der Besitzerin der Buchhandlung Shakespeare and Company in Paris. Der “einflussreichste Roman der Moderne” wurde wider Erwarten aber nicht nur in Joyce’s Heimat oder seiner Wahlheimat Triest geschrieben, sondern hauptsächlich in Zürich wohin JJ mit seiner Familie aufgrund des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs 1918 gezogen war. In Auszügen wurde der Roman 1918-1920 in der amerikanischen Zeitschrift “The Little Review” abgedruckt und 1921 wurde er wegen “obszöner Inhalte” verboten.

Donnerstag, der 16. Juni 1904

“irish-green” fehlt

In zensierter Buchform erschien er dann dennoch in der bereits genannten Pariser Buchhandlung und erreicht heute bei Auktionen zum Beispiel den bescheidenen Preis von 460.500 Dollar (Versteigerung 2002, ein signiertes Exemplar der Erstausgabe). Der Hinweis worum es in dem im “stream-of-consciousness“-Stil verfassten Jahrhundertwerk wirklich geht, gibt eigentlich der Titel. Denn Ulysses ist niemand anderer als Odysseus, der nach 20 Jahren Irrfahrt schließlich zu seiner Penelope zurückfand, um diese zu freien. So lange braucht dem Joyce sein Odysseus nicht, um zu seiner Penelope zu finden. Ulysses der Roman, der in vorliegender Ausgabe 987 Seiten hat, spielt nämlich nur an einem einzigen Tag, dem legendären Donnerstag, den 16. Juni 1904. An diesem Tag lernt der Leopold Bloom nämlich seine Molly Bloom kennen, eine Verklausulierung aus dem tatsächlichen Leben des James Joyce, der an genau diesem Tag nämlich seine Nora kennengelernt hatte. In diesem Sinne ist der “Ulysses” als nichts anderes als eine Liebesgeschichte, eine endlose Hommage eines Mannes an die große Liebe seines Lebens.

Ulysses: Lesen und Leben

Für Kenner sei besonders die Re-Lektüre des letzten Kapitels des Ulysses empfohlen, der berühmte innere Monolog der Molly Bloom, in dem Joyce das für den Roman stilprägende Erlebnis aus Mollys (also Noras) Sicht noch einmal genauestens beschreibt. Mehr soll und darf hier aber nicht verraten werden, denn selbstverständlich liegt der wirkliche Genuss des Ulysses in dem langsamen Herantasten an das Ende eines langen Tages, der Literaturgeschichte und Weltliteratur wesentlich beeinflusst hat. Kostverächter diesen Roman nicht lesen wollen oder können, sei abschließend noch ein Bonmot von Joyce nahegelegt: “Wenn man den Ulysses nicht lesen kann, kann man das Leben nicht leben.” Marilyn Monroe – von der dieser Tage eine bahnbrechende Filmbiographie (R: Andrew Dominik) erscheint – hat übrigens beides getan.

James Joyce
Ulysses
Jubiläumsausgabe Gold
Aus dem Englischen von Hans Wollschläger
Bibliografische Angaben
2022, Broschur, 987 Seiten
ISBN: 978-3-518-47224-8
suhrkamp taschenbuch 5224

Suhrkamp Verlag

Die Korrespondenzen Rimbauds erstmals auf Deutsch

Enid-Starkie+Das-Leben-des-Arthur-RimbaudIm Oktober erscheinen bei Matthes & Seitz die Korrespondenzen des Dichters und Weltreisenden Arthur Rimbaud erstmals auf Deutsch. Rimbauds vollständige Korrespondenz, sämtliche zu Lebzeiten gedruckten Werke (auf Grundlage der Handschriften neu übersetzt) sowie alle zeitgenössischen Rezensionen liegen mit Jean-Jacques Lefrère (Hg.) monumentaler Rimbaud-Edition (2500 Seiten!) nun erstmals auch in der deutschen Übersetzung vor. Zeit, auf sein Leben, Leiden und Sterben zurückzublicken. Eine Vorschau.

Korrespondenz: Ich=Anderer

Car Je est un autre“ (deutsch: „Denn: Ich ist ein anderer“). Auf der Höhe seiner dichterischen Fähigkeiten entsagte Rimbaud der Literatur und begab sich auf eine wilde Reise, erst durch Europa, dann nach Afrika. Auf das Schreiben seiner Hauptwerke „Illuminations“ und „Une saison en enfer“ (Eine Zeit in der Hölle) folgten einige Jahre der Ausschweifung mit Paul Verlaine in Paris, London und Brüssel, wo dieser ihn sogar anschoß. Danach begab sich Rimbaud beinahe in die vollkommene Askese, bereiste als Landstreicher Europa (in Wien wurde im Rausch von einem Fiakerfahrer beraubt), um schließlich als Kaffeeexporteur, Waffenhändler und Sklaventreiber an der Somaliküste und in Äthiopien zu enden. Zurück kam er nur mehr mit einem Fuß und starb zuletzt doch in der Stadt, die er am meisten hasste: seiner Heimatstadt Charleville-Mézières. Er hatte es geschafft: er war wirklich ein anderer geworden.

Entregelung aller Sinne

L’homme aux semelles de vent“ (Der Mensch mit den Sohlen aus Wind), wie ihn Verlaine nannte, hatte ein „warmes und leidenschaftliches Herz, das schließlich in der eigenen Glut ausbrannte“, so Enid Starkie, die 30 Jahre lang an ihrer Biographie zu Rimbaud gearbeitet hat. Rimbaud floh von seinem engen Elternhaus nach Paris, wo gerade die Commune versuchte, ein neues Gesellschaftsmodell zu verwirklichen, aber mit Hilfe der Deutschen niedergewalzt wurde. 20.000 deutsche Soldaten hatten Paris damals, 1871, besetzt. Das zweite Kaiserreich war geprägt von der Rekonstruktion und auch die Künstler waren nach wie vor von Baudelaire und den Parnassiens beeinflusst, die das traditionelle Schönheitsidel pflegten. „Man kann sich denken, dass Rimbauds Vénus Anadyomène `belle hideusement d’un ulcère à l’anus nicht gerade nach ihrem Geschmack war“, bemerkt Starkie sarkastisch. Bei öffentlichen Lesungen soll Rimbaud seine Aufmerksamkeit mit Grunzlauten kundgetan haben und auch sonst durch rüpelhaftes Benehmen aufgefallen sein. Die Abneigung der Pariser Bohème gegen ihn ging sogar noch weiter: Auf dem berühmten Bild von Fantin-Latours „Le Coin de Table“ auf dem auch Rimbaud zu sehen ist, verweigerte sich einer der Vertreter der literarischen Bohème abgebildet zu werden, weil er nicht mit dem Strolch Rimbaud auf einem Bild sein wollte. Statt dem Dichter Albert Mérat steht dort nun eine Vase mit Blumen. Später hatten Verlaine und Rimbaud sogar eine Persiflage auf Mérat veröffentlicht die sich „Le Sonnet du Trou du Cul“ nannte. Statt sich in den Pariser literarischen Zirkel zu integrieren, machte sich Rimbaud nun an die „long et raisonné dérèglement de tous les sens“: die Entregelung aller Sinne.

Leben bis zum letzten Blutstropfen

rimbaud1Enid Starkie zeichnet akribisch die unterschiedlichen Lebensstationen des enfant terrible Arthur Rimbaud nach. Sie zitiert seine wichtigsten Gedichte – die vom Verlag dankenswerterweise zweisprachig abgedruckt wurden – und beschreibt die zentralen Lebensstationen Rimbauds, dessen Gedichte nach seinem Ableben als die eines Thaumaturgen bezeichnet werden könnten. Denn viele nachgeborene Dichter fühlten sich in der Tradition dieses „Wundertäters“ und Alchemisten der Worte und wären ohne seine Leuchtkraft wohl nie „geboren“ worden. „Rimbaud verdanke ich, menschlich gesprochen, die Rückkehr zu meinem Glauben“ soll Paul Claudel über ihn gesagt haben. Arthur Rimbaud lebte sein Leben bis zum letzten Blutstropfen und schaffte es seine eigenen Ansprüche zu erfüllen, auch wenn er letztlich als Mensch scheiterte. „Nous savons donner notre vie tout entière tous le jours“ (Wir müssen uns dem Leben jeden Tag voll und ganz hingeben). Vielleicht musste er an sich selbst verglühen, wie Starkie in obigem Zitat andeutet, da er die Fackel einem Prometheus gleich für uns Nachgeborene vom Himmel geholt hat. Besonders beeindruckend sind auch die Passagen von Enid Starkie in denen sie seine Zeit in Abessinien beschreibt. Man darf also gespannt sein, was die nun vom Matthes & Seitz auf Deutsch herausgegebenen Korrespondenzen für den Forschungsstand bedeuten werden.

 

Enid Starkie
Das Leben des Arthur Rimbaud
Neu heraugegeben von Susanne Wäckerle
Matthes & Seitz
1990, 571 Seiten
Deutsch, teilweise Französisch
ISBN-13: 978-3882217650
15,3 x 4,5 x 22,8 cm

Arthur RimbaudJean-Jacques Lefrère (Hg.)
Korrespondenz
Aus dem Französischen übersetzt und kommentiert von Tim Trzaskalik
2500 Seiten, Gebunden
Originaltitel: Correspondance de Rimbaud (Französisch)
Übersetzung: Tim Trzaskalik
ISBN: 978-3-95757-013-0
Preis: 98,00 €

Ein Notizbuch: viel weißes Papier zu Semesterbeginn

Notizbuch um Notizbuch: Für viele Studentinnen und Studenten beginnt bald wieder die Universität und anders als bei den Schülerinnen und Schülern bekommen diese keine Schultüten, um den Beginn des Ausbildungsjahres zu versüßen. Aber dafür gibt es Kalender und Notizbücher, die nicht nur praktischen Gesichtspunkten, sondern auch Ansprüche an Design und Charme befriedigen können. Die bekanntesten dieser Art sind natürlich die kleinen schwarzen von moleskine, die anscheinend schon von Vincent Van Gogh bis Pablo Picasso, von Ernest Hemingway bis Bruce Chatwin. benutzt wurden und so auf eine lange Tradition zurückblicken können. Aber längst gibt es auch originelle neue Ideen, die designtechnisches keine Wünsche offen lassen. Wir haben uns etwas umgeschaut und stellen neue Varianten des beliebten „immer dabei“-Buches hier vor.

Diogenes: Klassiker in Rot

Das Notizbuch des Diogenes Verlags ist in Zusammenarbeit mit Hieronymus, einem der exklusivsten Schreibwarenhersteller der Schweiz, entstanden. Das Diogenes Notizbuch gibt es in drei Größen – small, medium, large und lässt in Sachen Beweglichkeit, Schlankheit, Papierqualität und einfachem Heraustrennen der Seiten keine Wünsche offen. Diogenes Notes sind fadengeheftet, in Leinen gebunden.

Reclam Universal Notizbuch in allen Farben

“Ich werd nie mehr so rein und so dumm sein wie weißes Papier”, heißt es in notiz3einem Song der deutschen Band Element of Crime. Am Anfang steht damit also die Überlegung, ob man lieber blanko oder kariert wählt. Das Universal-Notizbuch von Reclam gibt es in beiden Varianten und dazu sogar noch einen Bleistift geschenkt. „Record your ideas“ steht avantgardistisch auf dem Kartoncover (Schutzfunktion) zum Notizbuch und tatsächlich hat es auch sein einen Preis damit gewonnen: den red dot design award. Das Reclam-Notizbuch ist gelb und sieht damit genauso aus wie die unzähligen Klassiker der Reihe im praktischen Taschenformat. „Jede Notiz ein Klassiker“ steht auf der Rückseite des eigentlichen Notizbuch-Covers und so steht dann den eigenen Ideen nichts mehr im Wege. Keine lästigen Daten-, Wetter- oder Geburtstagseintragungen mehr, wie bei anderen Notizbüchern, sondern einfach nur das unbeschriebene weiße Papier, Raum für Gedanken, die vielleicht bald die Welt oder zumindest die eigene Fantasie beflügeln können. Weißes Papier: egal ob blanko oder kariert, seit neuestem auch im Schuber in allen Farben der Reclam Publikationen erhältlich.

Suhrkamp Literatur als Notizbuch

Quasi nackt – also ohne schützenden Karton und Bleistift – kommt das notiz1Notizbuch des Suhrkamp Verlages daher, dafür trägt es aber den hochtrabenden Titel eines Literaturklassikers, der bei Suhrkamp 1988 erschienen ist, darauf. „Chronik der laufenden Ereignisse“, das Buch von Peter Handke wird hier zitiert und das Notizbuch sieht genauso aus wie ein Taschenbuch von Suhrkamp, denn in glänzenden Lettern steht der Titel groß auf der Vorderseite. „Schreiben geht nicht ohne Glanz“, ein Zitat von Peter Handke schmückt wiederum den Buchrücken in schillernden blauen Lettern auf schwarzem Grund. Es gibt aber auch andere Ausführungen, etwa “Auf der Suche nach der verlorenen Zeit” von Marcel Proust. Das Notizbuch des Suhrkamp Verlages ist vom Format her etwas größer als das Universal-Notizbuch von Reclam, aber immer noch handlich genug, dass es im Notfall in einer Gesäßtasche einer Jeans Platz hat. Das Notizbuch von Suhrkamp bietet genug Platz für Eintragungen, die durch nichts eingeengt werden, einzelne Seiten ließen sich auch herausreißen ohne Spuren zu hinterlassen, sollte man einmal einem Kollegen ein Blatt Papier borgen müssen. Aber würde das gerne tun? Zu schön ist der Anblick dieser hohen Literatur, die noch geschrieben werden muss. notiz4Als Verbesserungsvorschlag könnte man noch anführen, dass es cool wäre, wenn die Umschlagseiten einklappbar wären, um schneller zu der jeweiligen aktuellen Seite zu gelangen. Es sei dann man schreibt immer auf der ersten Seite, weil man an die Kollegen zu viele leere Seiten verteilt hat. Ist das so gedacht? Egal, auf jeden Fall ein Schmuckstück in jeder Handtasche oder Hosentasche.

Retro und Vintage: das Insel Notizbuch

Zuletzt sei noch auf das Notizbuch der Insel-Bücherei hingewiesen, das es in verschiedenen Farbdesigns gibt und etwas Retro- und Vintagemäßig daherkommen. Sie unterscheiden sich nicht nur durch ihr größeres Format von anderen Notizbüchern, sondern auch durch ihr hartes Karton-Cover, das sowohl innen wie außen in unterschiedlichen Farben designt ist. Der Vorteil ist damit aber auch sein einziger Nachteil, denn es ist weder knick- noch faltbar und außerdem viel zu schön dafür. notiz2Das altmodische Design macht es zu einem wirklichen Designklassiker, dessen Schönheit an ein altes Schulheft erinnert, einer Zeit also, in der man selbst noch Schultüten bekam und die Süßigkeiten noch nicht so bitter schmeckten, sondern einen mit ihrem orientalischen Zauber aus Zucker und Honig einlullten, bereit für die Welt da draußen. Einen schönen Schul- resp. Unibeginn wünscht die Redaktion.

Diogenes Notes
Small (8.5 x 12.5 cm)
Medium (10.5 x 15.5 cm) und
Large (12.8 x 18.8 cm)
144 Seiten
€ (D) 15.00* / sFr 20.00* / € (A) 15.00*

Universal-Notizbuch
Record your ideal
Blanko oder kariert, mit Bleistift
In allen Farben der Universal-Bibliothek
Design: Blum, Wolfgang
Je 128 S., blanko, original UB-Papier mit integriertem Bleistift im Schuber
Format inkl. Schuber: 10,5 x 14,9 cm
ISBN: 9783159003023
5.-€

Chronik der laufenden Ereignisse
Notizbuch
Suhrkamp
Taschenbuch
160 Seiten
ISBN: 9783518467596
4,2.-€

Notizbuch
Insel-Bücherei
ISBN: 9783458177142
8.-€