Verderben

51hxr0DzagL._BO2,204,203,200_PIsitb-sticker-v3-big,TopRight,0,-55_SX324_SY324_PIkin4,BottomRight,1,22_AA346_SH20_OU03_Juniper ist ein winziges Kaff in der Wüste von Arizona und entsprechend groß ist die Begeisterung unter den Eingeborenen als die Kaufhauskette The Store verkündet, eben dort eine Filiale zu eröffnen. Die Stadtväter räumen dem Konzern ohne zu zögern lästige Steinchen wie Gewerbesteuer oder Bauvorschriften aus dem Weg, gilt es doch, die Wirtschaft zu stärken, die ja bekanntlich selbstlos Arbeitsplätze und somit Wohlstand für alle schafft. Einige mysteriöse Todesfälle schon während der Bauarbeiten werden folgerichtig als bedauerliche aber unvermeidliche Kollateralschäden des Konsumkapitalismus eingestuft und sind auch schon vergessen, als endlich der heiß ersehnte Tag der Eröffnung da ist.

Das Warenangebot in dem riesigen Laden ist sensationell und muss keinen Vergleich mit den berühmten Einkaufstempeln der Metropolen zu scheuen; selbst Kunden mit exotischen Vorlieben für Nazi-Spiele oder Snuff-Movies kommen im Store voll auf ihre Kosten. Dazu gibt es reichlich Billig-Jobs für die dankbare Bevölkerung, Kleinstadtherz, was willst du mehr?

Bill Davis, Software-Autor und Familienvater, verfolgt die Euphorie um den Store mit Skepsis und Sorge, zumal auch seine beiden Teenie-Töchter dort beschäftigt sind, die von allerlei seltsamen Ritualen berichten. Bald bestätigen sich seine Befürchtungen, denn der Store zeigt schnell sein wahres Gesicht: Inhaber kleiner Läden werden mit Geld oder Gewalt außer Konkurrenz gesetzt, während man selbst die Produktvielfalt reduziert, die Preise erhöht und die Löhne senkt. Die Stadt, die sich bereitwillig in Abhängigkeit des Konzerns begab, geht dafür Pleite und der Store übernimmt auch diese Aufgaben, selbstredend zu seinen Bedingungen. Bill sammelt verzweifelt Material gegen den Moloch, stößt aber überall an Grenzen und so ist er umso überraschter, als er eines Tages eine Einladung nach Dallas erhält, zum legendären Konzernchef persönlich…

Auf Buch und Autor bin ich durch die Amazon-Empfehlungen gestoßen, bisweilen findet man dort echte Perlen. „The Store“ ist natürlich nur vordergründig ein Horror-Roman und Bentley Little streut die genre-üblichen Zutaten eher pflichtschuldig als überzeugt ein. Er nutzt vielmehr die Stilmittel der Gattung für eine herzerfrischend bitterböse Kapitalismuskritik reinsten Wassers, indem er die dort systemimmanenten Prozesse pointiert überspitzt und die Verantwortlichen zu Monstern mutieren lässt. Souverän räumt er mit auch hierzulande oft nachgebrabbelten Mythen der Neoliberalen auf, die alles dem Primat der Ökonomie unterordnen möchten.

Der Roman ist flott und stringent geschrieben, die Handlung verläuft weitgehend linear und weist etliche kleine Höhepunkte auf, wie z.B. die Tatsache, dass das perfekte all-american-girl Samantha im Store eine fast skrupellose Blitzkarriere hinlegt, während Bills andere, eher unangepasste Tochter Shannon wesentlich weniger empfänglich für derartigen Blödsinn ist. Ich habe inzwischen weitere Bücher von Bentley Little gelesen und bin sehr angetan nicht nur von deren Spannungsgehalt, sondern auch von der Vielseitigkeit des Autors. Etliche Werke sind bereits in Deutsch erschienen bzw. folgen noch, ich kann sie reinen Gewissens und wärmsten Herzens empfehlen.


Genre: Horror
Illustrated by Bastei Lübbe

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