Effekthascherische Trivialität
«Ein satirischer Roman» steht unübersehbar auf dem knallbunten Buchumschlag. Man ist also vorgewarnt und bereits auf Lustiges einstimmt, wenn man «Ortswechsel» von David Lodge zur Hand nimmt, 1975 erschienen, erster Teil einer später erweiterten Romanreihe des englischen Literaturwissenschaftlers und Schriftstellers. Es handelt sich um einen typischen Campusroman, dessen Protagonisten zwei Literaturprofessoren sind, die in einem englisch-amerikanischen Kooperationsprogramm ihre Arbeitsplätze tauschen, – und nicht nur das, wie das Cover schon andeutet.
«Hoch über dem Nordpol kamen am ersten Tage des Jahres 1969 zwei Professoren für englische Literatur in einer Gesamtgeschwindigkeit von 1200 Meilen pro Stunde einander näher». Die beiden vierzigjährigen Männer, beide in der Midlife-Crisis, absolvieren aus ganz unterschiedlichen Motiven ein Austauschsemester an der jeweiligen Partneruniversität und lassen für ein halbes Jahr Frau und Kinder daheim zurück. Philip Swallow kommt von der englischen Universität in Rummidge, ein camoufliertes Birmingham, Morris Zapp kommt von der Euphoric State an der Westküste der USA, für das Berkeley Pate stand, englische Provinz also und sonnig-hedonistischer, kalifornischer Campus. Was folgt ist ein «Clash of Civilizations» der moderaten Art, zu unterschiedlich sind doch die akademischen Systeme in den beiden angelsächsischen Staaten. Allein diese universitäre Andersartigkeit liefert schon reichlich Stoff für heiter ironische Beschreibungen des gegenseitigen Nichtverstehens. Lehrpläne, Prüfungen, Besoldungssysteme weichen ebenso voneinander ab wie Wohnverhältnisse, Familienleben, Essgewohnheiten, vom Klima ganz zu schweigen. Nur was die Sexualität anbelangt, – von Liebe ist im Roman übrigens keine Rede -, scheinen die Unterschiede nicht allzu groß zu sein. In Kalifornien allerdings sind die knackigen Studentinnen, – potentielle Beute der beiden Strohwitwer -, in dieser Hinsicht deutlich lockerer als ihre englischen Pendants. Gemeinsam sind beiden Hochschulen die aufflackernden studentischen Unruhen als Folge der 68er-Bewegung, die von Europa aus in die USA herüber geschwappt ist und nun den Campusbetrieb an den Unis lahm zu legen droht.
Als «Fundgrube für narrative Einfälle» hat David Lodge im Nachwort seine Idee von der erzählerischen Symmetrie bezeichnet, bei der alle Ereignisse des zweisträngig erzählten Plots sich im jeweils anderen Handlungsstrang spiegeln. Die Erzählform seines in sechs Kapitel gliederten Romans habe er in drei Kapiteln variiert, «um den Leser wach zuhalten», wie er schreibt. Er wechselt dabei vom konventionellen Erzählen zum Stil des Briefromans, es folgt ein Kapitel mit Notizen und Verlautbarungen im Zeitungsjargon, das Schlusskapitel schließlich mit seinem offenen Ende ist in Form eines Drehbuchs geschrieben. Sprachlich schlicht und leicht lesbar, wird diese Geschichte, zielsicher vorwärts drängend, flott erzählt, wozu neben jeder Menge Situationskomik auch die schlagfertigen, oft verblüffenden Dialoge der stimmig beschriebenen Figuren einiges beitragen.
Der kreative Plot mit üppiger Intertextualität strotzt nur so von köstlichen Seitenhieben auf die literarischen Fakultäten und auf versponnene Wissenschaftler, die wie Philips Frau die Frage nach ihrem Arbeitsgebiet mit «klassizistische Schäferidyllen» beantworten, oder die, wie Morris, ihre gesamte Forschungsarbeit unbeirrt Jane Austen widmen, nichts anderem. Ein solcher «satirischer» Roman, und das ist nun allerdings sein Problem, lebt davon, spielerisch möglichst viele Klischees zu seiner Thematik zu bedienen, um entsprechende Aha-Effekte beim Leser auszulösen, also lieb gewonnene Vorurteile zu bestätigen, Erwartetes zu liefern, nichts Ungewohntes, Neues, Widersprüchliches – oder gar Nachdenkliches. Wer platten Witz sucht wird hier fündig, schwarzen englischen Humor allerdings, subtil und intelligent, sucht man vergebens in diesem effekthascherischen Trivialroman.
Fazit: mäßig
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