Es darf gedeutet werden
Die österreichische Schriftstellerin Ingeborg Bachmann, bekannt vor allem durch ihre Lyrik, hat mit «Malina» 1971 einen einzigen Roman veröffentlicht, gedacht als erster Teil der geplanten Trilogie «Todesarten», deren Verwirklichung ihr früher, rätselhafter Tod in Rom jedoch verhindert hat. Sein Thema ist die Liebe, aus weiblicher Sicht geschildert von einer namenlosen Ich-Erzählerin, ein wahres Psychodrama, Zeugnis der extremen Not einer an ihrer Verletzlichkeit zerbrechenden Frau, deren geradezu unterwürfiger Kampf um Liebe immer wieder mit dem Intellekt einer erfolgreichen Schriftstellerin kollidiert.
Wie in einem Drama beginnt der Roman mit einer Aufzählung der auftretenden Personen, zu denen neben Ivan und Malina auch «Ich» gehört, Augen br., Haare bl., geboren in Klagenfurt, Wohnadresse Wien III, Ungargasse 6. Wir haben es mit einer Autobiografie zu tun, «Eine geistige, imaginäre Autobiographie» schränkte sie später ein: «Diese monologische oder Nachtexistenz hat nichts mit der gewöhnlichen Autobiographie zu tun, mit der ein Lebenslauf und Geschichten von irgendwelchen Leuten erzählt werden.» In drei Kapitel gegliedert erzählt der Roman im ersten Kapitel «Glücklich mit Ivan» von ihrem Verhältnis zu einem Ungarn mit zwei Söhnen, der in der unmittelbaren Nachbarschaft wohnt. Ihrem Glück steht entgegen, dass Ivan geschäftlich häufig auf Reisen ist, sich wenig um ihre emotionalen Wallungen kümmert, sehr dominant auftritt. Ganz anders Malina, ihr Mitbewohner, ein braver Beamter, der immer für sie da ist, ausgeglichen, geduldig, fürsorglich. Im zweiten Kapitel «Der dritte Mann» behandelt Ingeborg Bachmann die Auslöser ihrer psychischen Probleme, die unsäglichen Schrecken des Zweiten Weltkrieges, an die sie sich in Alpträumen erinnert, wobei der Vater, als dritter Mann sozusagen, symbolhaft den Horror personifiziert bei all den tranceartigen Zuständen, in denen sie ihr inneres Inferno beschreibt. «Von letzten Dingen» ist dann das dritte Kapitel überschrieben, in dem sie erkennt, dass die drohende Eskalation ihrer persönlichen Existenz auch mit Malinas Hilfe nicht zu überwinden sein wird, sie vielmehr an einer Männerwelt scheitern müsse, der sie nichts entgegenhalten kann. «Ich habe in Ivan gelebt und ich sterbe in Malina» heißt es im Roman, und zu ihrem Tod, dem Verschwinden in einem Riss in der Mauer, lautet dann der letzte Satz: «Es war Mord.»
Man hat den Roman als Aufarbeitung ihrer Beziehung zu Max Frisch gedeutet, deren Scheitern sie schwer verkraftet hat, Frisch hatte das seinerseits ja schon in «Mein Name sei Gantenbein» thematisiert, – insoweit kann man «Malina« durchaus als Schlüsselroman bezeichnen. Der damals prompt eine «feuilletonistische Hetzjagd» ausgelöst hatte, wie Elfriede Jelinek in ihrer vom «Spiegel» bestellten, dann aber nicht veröffentlichten Buchbesprechung geschrieben hat, die nun dem Roman als Anhang beigefügt ist. Gleichzeitig aber ist der Roman eine bittere Abrechnung mit der Rolle der Frau in einer männerdominierten Gesellschaft, die Ingeborg Bachmann mit ihren poetischen Mitteln eindringlich beschreibt.
Wirklich noch nie ist es mir allerdings derart schwer gefallen, einen Roman zu Ende zu lesen! Das liegt keineswegs an dessen Thematik, es liegt einzig und allein an der sprachlichen Umsetzung. Gekonnt formuliert zwar in makelloser Syntax, sprachverliebt, geradezu wortgewaltig, ist dies ein Prosatext, der inhaltlich und gedanklich nur als wüstes Geseiere zu bezeichnen ist, bestehend aus einem Sammelsurium von Phantasmagorien, Alpträumen, irrealen Reflexionen, schierem Nonsens. All das ist oft zusammenhanglos erzählt in textlichen Sequenzen, denen ich partout nichts abgewinnen konnte, die einfach nur quälend zu lesen sind. Und in denen mir die Suchtproblematik der lebensuntüchtigen Autorin denn doch einiges zu erklären scheint. Genau das aber öffnet naturgemäß ein Füllhorn für Deutungen, was die vielfach beschworene Innerlichkeit dieser Autorin anbelangt.
Fazit: miserabel
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