Der deutschstämmige US–Kultautor Charles Bukowski war einer seiner größten Fans. In höchsten Tönen lobte der »Mann mit der Ledertasche« seinen Schriftstellerkollegen John Fante und schrieb ihm sogar ein Vorwort für eines seiner Bücher. Grund für so viel Begeisterung: Beide Autoren schöpften ihre Geschichten direkt aus dem eigenen Erleben, sie schrieben klar und wahr, blieben stets authentisch und waren genauestens vertraut mit ihren meist gebrochenen Charakteren.
»1933 war ein schlimmes Jahr«, das Fante 1963 im Alter von 54 Jahren schrieb, ist weitgehend autobiografisch geprägt. Das mit 130 Druckseiten ausgesprochen schlanke Werk erzählt in fünf Kapiteln ähnlich einem Bühnenstück in fünf Akten die Geschichte eines 17-jährigen Jungen, der fest davon überzeugt ist, ein berühmter, hochbezahlter Baseballstar zu werden.
Dominic Molise, Spross einer italienischen Einwandererfamilie in den USA, lebt mit Eltern, Mutter und jüngerem Bruder in ärmlichen Verhältnissen. Der Vater, ein arbeitsloser Maurer mit schwieligen Händen, treibt sich in Kneipen herum, betrügt seine Frau und versucht, das bescheidene Einkommen der Familie mit Glücks- und Billardspiel aufzubessern. Die erzkatholische Mutter versucht, ihren Stamm so gut es eben geht mit Gottglauben, Rosenkranzgebeten und spärlichen Mahlzeiten zu sättigen, die brabbelnde Großmutter wacht mit Argusaugen über Zuckerdose und Lichtschalter, um zu sparen. Beide Söhne teilen sich ein schmales Bett, Dom braucht nur noch ein Jahr, um die Highschool zu beenden. Danach solle er als Gehilfe seines Vaters auf dem Bau schuften. Er hat jedoch ganz eigene Pläne.
Dom träumt davon, ein berühmter Baseballstar zu werden. Dabei ist er kleinwüchsig und mit Blumenkohlohren, Säbelbeinen, Pickeln und roten Haaren nicht gerade der Prototyp eines erfolgreichen Sportlers. Doch Anerkennung im Schulsport beflügelt ihn, er ist überzeugt, einen linken Schlagarm zu haben, der ihm eine große Zukunft verspricht. Mehrmals täglich reibt er deshalb Den Arm mit einem stinkenden Massageöl ein, um ihn geschmeidig zu machen. Er ist fest davon überzeugt, dass Amerika der richtige Ort für arme junge Männer wie ihn ist. Auch Ken, sein einziger Kumpel, bestärkt ihn in seiner Ansicht. Lediglich das Fahrgeld für die Reise in die große Stadt, wo sein Traumteam spielt, fehlt. Vorher nehmen, wenn nicht stehlen?
Felsenfest von seinem späteren Triumph und dem damit verbundenen Geldregen beseelt, plant der Junge, den einzigen Besitz seines Vaters, eine klapprige Mischmaschine, zu veräußern. Ohne den geringsten Selbstzweifel geht er davon aus, dem Vater in Kürze eine sehr viel bessere Maschine kaufen sowie den gesamten Lebensunterhalt der Familie bestreiten zu können. Der Verkauf fliegt zwar auf, aber Dom bekommt immerhin die Hälfte der erforderlichen Fahrtkosten zusammen und kann nun nicht mehr zurück: Er muss in die weite Welt hinaus und seinen Traum als verwirklichbar beweisen.
Exakt an diesem Punkt endet die Geschichte. Es bleibt offen, ob die Phantasie in Erfüllung geht und der junge Mann seine Berufung findet. Doch der Leser ahnt, dass der Kosmos, in dem der Held träumend wandelt, nie von ihm überschritten werden wird. Gerade im Schildern des Ausbruchsversuchs des pubertierenden Jungen aus seiner sozialen Enge entfaltet der Text seine besondere Kraft. Der Autor weiß einfach, worüber er schreibt. Er hat alles am eigenen Leibe erlebt, und das spürt der Leser in jedem Satz.
John Fante jedenfalls schaffte den Ausbruch selbst, indem er sich dem Kommerz als Drehbuchschreiber in Hollywood verschrieb. Als Schriftsteller fand er postum Anerkennung, auch das hier beschriebene Werk erschien erst nach seinem Tod, weil kein Verlag es drucken wollte. Fante endete verbittert, schwer krank und sich selbst als »Hollywood-Hure« bezeichnend, am 8. Mai 1983. Es ist sicher auch das Verdienst des hervorragenden Übersetzers Alex Capus, uns den Autor erschlossen zu haben.
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