Peter Hacks war einer der bedeutendsten Lyriker und Dramatiker der DDR. Er gilt als Begründer der »sozialistischen Klassik« und war der einzige deutsche Bühnenautor, dessen Stücke sowohl in West- als auch in Ostdeutschland zur Aufführung gelangten. Mit »Hundert Gedichte« liegt sein lyrisches Œuvre vor.
Hundert Gedichte sind laut Peter Hacks (21.03.1928 – 28.08.2003) die anzustrebende Menge, um aus dem einzelnen, kleinen Gedicht ein Œuvre zu machen. Mit hundert Gedichten erfolge quasi ein dialektischer Sprung zum eigenständigen Genre. Mehr könne ein Leser auch nicht vertragen. Hierzu wählte der Verfasser die nach seiner Erfahrung gefragten Stücke aus seinen Arbeiten. Hacks wollte damit eine Ausgabe schaffen, die sich als Illusion des mit seinem Leser vollkommen versöhnten Dichters darstellt.
Als Lyriker mit hohem Anspruch trat Peter Hacks erst spät hervor. Zu Beginn seiner Laufbahn beschränkte er sich, neben Fingerübungen und politischen Gelegenheitsarbeiten, auf das Verfassen von Liedern zu seinen Stücken. Seine Lust, Gedichte zu schreiben, stieg in dem Maße, in dem der Hardliner mit der gesellschaftlichen Veränderung in der DDR haderte.
Wie in der Dramatik orientierte Hacks sich auch in der Lyrik vor allem an Shakespeare und an den Griechen, wobei auch mit der Zeit ein Rückgriff auf Goethe hinzukommt. Eine Besonderheit seiner Lyrik ist ihre Nähe zu der Heinrich Heines. Durch eine Hinwendung zur Klassik vermochte sich Hacks vom Einfluss der Ästhetik Bertolt Brechts zu lösen. Er vertrat die Auffassung, dass die Form das eigentümliche Dasein des Inhalts ausmache und sich beides nicht ausschließe, sondern nur miteinander existieren könne. Je besser die Kunst sei, desto wirkungsvoller könne sie auch als Waffe genutzt werden.
Die meisten Gedichte Hacks’ sind metrisch und gereimt. Sie zeigen philosophischen Tiefgang ebenso wie feinen Humor. Im »Couplets der Prosperina über Plutos höllische Eskapaden« heißt es beispielsweise:
Die Hexe Hekate zu haschen,
Mit der ich gut befreundet bin,
Will er im Bett sie überraschen.
Doch leider lag schon ich mit drin.
Gern schimmert Erotik bei Hacks durch, wenn er in »Endymion«, das ist in der griechischen Mythologie der schöne und ewig jugendliche Liebhaber der Mondgöttin Selene, dichtet:
Wie des Sommers Brise leidet,
Waren wir nur leicht bekleidet,
Mein Besuch mit einem losen
Schleier, ich mit Baumwollhosen.
Und sehr rasch sind uns im nächtlich
Lauen Dunkel die geschlechtlich
Beiderseits erregten Mitten
Zueinander vorgeschritten.
Aber auch Naturlyrik war Hacks nicht fremd. Er besang märkische Wiesen ebenso wie den Oder-Havel-Kanal:
Erfand man seinethalben das Breitwandkino?
Der zieht und zieht sich, Wasser und Granit.
Ein leerer Pole tackert Richtung Finow.
Gewisse Eichen schwinden zögernd mit.
Peter Hacks hasste die Hervorbringungen des Kulturbetriebes in Gestalt von Kritikern und Kunstvermittlern. Er hoffte, sich zumindest postum rächen zu können, wie er in »Tagtraum« schreibt:
Ich möchte gern ein Holperstein
In einer Pflasterstraße sein.
Ich stell mir vor, ich läge dort
Jahrhunderte am selben Ort,
Und einer von den Kunsteunuchen
Aus Medien und Kritik
Käm beispielsweise Hacks besuchen
Und bräch sich das Genick.
Hacks hatte es im selbstgewählten Exil, er emigrierte 1955 von München in die DDR, nicht leicht. Mit hohem stilistischen Anspruch verwahrte er sich gegen die »Rote-Fahne-Schwenkkunst« in Literatur, Theater und Bildender Kunst. Er reagierte erschüttert auf »das sinkende Niveau des Denkens«.
Sein feiner Humor rettete ihn vor dem inneren Scheitern, wenngleich er nach 1989 mit der »großen Schreckenswende« nahezu vollständig in Vergessenheit geriet.
Die von Peter Hacks noch zu Lebzeiten persönlich zusammengestellte Sammlung »Hundert Gedichte« belegt die Sprachmacht des Dichters und erinnert an einen großen deutschen Lyriker.
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