Lange vergessenes Meisterwerk
Die Wiederentdeckung seines Romans «Die Glut», 1942 erstmals in seiner Heimat erschienen, machte den ungarischen Schriftsteller Sándor Márai fast fünfzig Jahre später schlagartig auch einem internationalen Publikum bekannt, die deutsche Übersetzung erschien 1998. Seither zählt Márai für Fachleute zu den bedeutendsten Autoren des Zwanzigsten Jahrhunderts, – man wird dem begeistert zustimmen, wenn man den vorliegenden Roman gelesen hat.
In einem kammerspielartigen Plot wird die Geschichte einer engen Freundschaft erzählt, die Henrik und Konrád seit ihrer gemeinsamen Zeit auf der Kadettenanstalt verbindet. Henrik ist der Sohn eines reichen adligen Gutsbesitzers, bodenständig, robust, lebenslustig, während Konrád von einem verarmten Baron abstammt, introvertiert, feinsinnig, musisch veranlagt. Konrád ist jahrelang immer wieder Gast bei seinem inzwischen mit Krisztina verheirateten Freund auf dessen prächtigem Landsitz, bis Henrik eines Tages bei einem Jagdausflug plötzlich bemerkt, dass Konrád mit dem Gewehr auf ihn angelegt hat, nicht auf den stattlichen Hirsch, der vor ihnen aus dem dichten Wald aufgetaucht ist. Doch Konrád lässt das Gewehr wieder sinken, sie sprechen kein Wort über den Vorfall, überstürzt und ohne Abschied reist Konrád ab. Als Henrik am nächsten Tag Konrád in der Stadt aufsuchen will, erfährt er von dessen Burschen, dass sein Herr mit unbekanntem Ziel abgereist sei, er hätte den Dienst quittiert, die Wohnung solle aufgelöst werden. Erstaunt – ein Besuch war ihm bisher immer verwehrt worden – sieht sich Henrik in Konráds ungewöhnlich komfortabler Wohnung um, als plötzlich Krisztina erscheint. Er merkt an der Art, wie sie sich darin bewegt, dass ihr die Wohnung vertraut ist. Mit dem Wort «Feigling» verlässt sie die Wohnung, Henrik und sie sprechen nie wieder miteinander, sehen sich auch nie mehr, er ist in das Jagdhaus umgezogen, acht Jahre später stirbt seine Frau.
Einundvierzig Jahre sind seit der abrupten Trennung vergangen, man schreibt das Jahr 1940, als Konrád dem weltabgewandt lebenden, nunmehr 75jährigen Henrik, im Roman immer nur als «der General» bezeichnet, überraschend seinen Besuch ankündigt. Beim Dinner mit anschließendem Kamingespräch kommt es zwischen den Beiden zu einem vom Leser schon mit Spannung erwarteten, verbalen Showdown, der den weitaus größten Teil dieses Romans ausmacht. Nachdem Konrád anfangs von seiner Zeit in den Tropen erzählt, wohin er damals geflüchtet ist, zieht der General das Gespräch zunehmend an sich, immer mehr in einen Monolog verfallend, in dem er ihre Freundschaft psychologisch analysiert mit am Ende verblüffendem Resultat. Wobei er auch den bisher unausgesprochenen Treuebruch seines Freundes sehr zögerlich thematisiert, ihn quasi scheibchenweise entlarvt, so ganz ohne Vorwürfe zudem, nicht wie erwartet in einem Racheakt kumulierend. Konrád soll bei alldem offensichtlich nicht zu Wort kommen und bleibt auch einsilbig, beantwortet keine der Fragen des Generals.
Mit der Ankündigung dieses Besuchs gleich zu Beginn des Romans erzeugt Márai eine Spannung, die bis zur letzten Seite anhält. Er lässt den General in einem weiten Bogen über elementare philosophische Fragen schwadronieren, thematisiert Freundschaft, Treue und Sinn des Lebens auf ganz eigene Weise. Der General stellt zum Schluss sogar überraschend die Frage, ob nicht ihrer beider Sehnsucht nach der inzwischen ja schon lange toten Krisztina ihrem Leben nicht nur einen Sinn gegeben, sondern ihm zusätzlich auch eine gewisse Würze verliehen habe. Schließlich wirft er spontan auch noch das versiegelte Tagebuch seiner Frau ungelesen ins Feuer, sein letzter Trumpf quasi, der die – ihm nun allerdings nicht mehr wichtige – Wahrheit hätte aufdecken können. Emotional packend, immer wieder nachdenklich machend, in einer angenehmen, den Leser geradezu wohlig einhüllenden Sprache geschrieben, zählt dieser großartige Roman zweifellos heute schon zu den Klassikern der Belletristik.
Fazit: erstklassig
Meine Website: http://ortaia.de
Vor langer eit fiel mir das Buch in die Hände …seitdem zwei Mal wieder gelesen und weiter empfohlen und geschent. Eine großartige, traurige und ergreifende Liebesgeschichte und die einer Freundschaft von zwei Männern, wie es heute nicht mehr gibt, erzählt in einer Sprache, wie sie heute nicht mehr gesprochen wird. Und darum lesen wir auch heute solche Bücher nicht mehr.
Eine Frage: wissen Sie, ob es eine englische Übersetzung gibt? Ich würde mich über eine Rückmeldung sehr freuen.
Vielen Dank für Ihre Nachricht und auch für Ihre Begeisterung, die ich absolut teile: Sowas gibt es heute wirklich nicht mehr!
Zu Ihrer Frage: Der Roman ist unter dem Titel Embers auf englisch erhältlich, auch als Taschenbuch.