George Gaio Mano schildert in seiner Erzählung »Der fränkische Uhrmacher« die außergewöhnliche Lebensgeschichte eines Zürcher Uhrmachers. Dieser wurde im 17. Jahrhundert Vertrauter des Herrschers in Konstantinopel und später ein Freund von dessen Erzfeind, dem Schah von Persien.
Der 1605 geborene Johann Rudolf Stadler entstammte bescheidenen Verhältnissen. Seine früh erkannte manuelle Geschicklichkeit und seine Lernfreude bescherten ihm die Chance, den Beruf des Uhrmachers zu erlernen. Schon mit 19 Lenzen schuf er als Spezialist für sehr kleine Uhren ein Chronometer, das in eine Kinderhand passte. Diese Leistung brache ihm den Meistergrad ein.
Stadler war von fernen Ländern und Kontinenten fasziniert. Der junge Mann packte sein Werkzeug, zog nach Konstantinopel und wurde dort aufgrund glücklicher Fügungen von Sultan Murad dem Vierten zum Uhrmacher bestellt. Künftig durfte er die zahlreichen wertvollen Chronometer, die ausländische Gäste dem Herrscher der Osmanen überreicht hatten, warten und reparieren. Er lebte in Reichtum, jedoch in ständiger Angst vor der grausamen Despotie, in der man leicht seinen Kopf verlieren konnte, wenn einem Hochgestellten der Sinn nach Vorführung seiner Macht stand.
Bei Nacht und Nebel verließ er den Herrscherhof, flüchtete auf abenteuerlichen Wegen mit einer Karawane nach Eriwan in Armenien und von dort ins persische Isfahan. Die fränkische Uhrmacherkunst galt in jener Zeit als unübertroffen und besaß einen fabelhaften Ruf. Entsprechend leicht fand Stadler überall Zugang zum Ohr der Mächtigen, die er mit seinem handwerklichen Geschick überzeugte.
Als ihn der opiumsüchtige Schah einlädt, schlottern dem Uhrmacher aus dem Frankenland die Knie. Doch schnell wird er dank einer Kunstfertigkeit zum täglichen Berater der Majestät, der ihn zum Zeitnehmer des Königspalastes ernennt. Eine persönliche Freundschaft entwickelt sich. Der Schah schenkt ihm ein christliches Mädchen aus seinem Harem zur Frau. Deren Familie zieht aus Bagdad zu ihnen, und sie führen ein Leben in Wohlstand.
Doch Stadler wird auch angefeindet. Der religiöse Berater des Schahs beauftragt ihn, eine große Dreißig-Tage-Uhr für das Eingangstor zum Großen Basar anzufertigen, der den Gläubigen die fünf Zeiten des Gebetes anzeigt. Diese Uhr wird zu einer Sensation. Doch gleichzeitig betreibt der Mullah unter dem Mantel des Korans eine aktive Konfrontation gegen den Uhrmacher. Als dieser sich weigert, von seinem protestantischen Glauben abzuschwören, kann ihn auch sein Freund, der Schah, nicht mehr retten. Der Uhrmacher wird am 16.10.1637 als Märtyrer hingerichtet.
Abgesehen von dem fehlenden Happy-End handelt es sich bei dem nach Tatsachen geschriebenen Text »Der fränkische Uhrmacher« um eine wundervolle biografische Miniatur. US-Autor George Gaio Mano wählte den Stil des orientalischen Erzählers, um über Geschichten, die im geselligen Kreis erzählt werden, Personen, Geschehnisse und Zeitläufe auszuarbeiten. Sofort verbreitet die Lektüre eine Stimmung von Tausendundeiner Nacht – dabei ist sie wahr und historisch verbrieft.