“Zwei Frauengenerationen – eine Leidenschaft: Boys-Love-Manga!” (Verlag)
Die Schülerin Urara entscheidet sich, die ältere Kalligrafielehrerin Yuki erneut zu einem Con mitzunehmen. Diesmal soll es die Winter-Con sein. Aber als Urara sich ein Bild von der Örtlichkeit macht, stellt sie fest, dass alle Wege sehr weit sind. Sie denkt an die mittlerweile recht gebrechliche Yuki und sagt ihr schließlich ab. Kurz darauf bereut sie ihren Entschluss, denn sie merkt, dass Yuki in der Zeit, die ihr bleibt, noch möglichst viel Schönes erleben will. Dass Yuki alt ist, wird Urara eines Tages so richtig bewusst, als sie in Yukis Haus auf sie wartet. Sie entdeckt eine Sterbeversicherung, bemerkt, dass Yuki ihr Haus entrümpelt und nimmt auf Yukis Drängen deren schönes Geschirr mit: “Da liegt das ganze Leben eines Menschen so vor einem, und ich nehme einfach einen Teil davon mit.” Als sie Yuki bei der Gartenarbeit hilft, fasst sie sich ein Herz und fragt sie, ob sie wieder mit ihr auf eine Con gehen will – nur dass Urara diesmal auf der Verkäuferinnenseite steht!
Integration ernster Themen in den Alltag
Der 3. Band überzeugt erneut durch eine warmherzige, ruhige und friedliche Stimmung, die aber auch die Probleme des Lebens und ernste Themen wie Sterben und Tod nicht ausschließen. Durch vermeintliche Kleinigkeiten und Zufälle werden die beiden Protagonistinnen, und mit ihnen die Leser*innen, auf diese Themen gestupst. Dabei findet eine ruhige, aber tiefgehende Auseinandersetzung mit ihnen statt. Sehr schön außerdem: Diese Themen sind in den Alltag integriert – da, wo sie eigentlich auch hingehören. Tod und Sterben zu tabuisieren ist schlicht ungesund.Der Manga scheint mit dieser Auseinandersetzung nahe an der Realität zu liegen: Bei meiner Mutter habe ich – wie im Manga beschrieben – festgestellt, dass sie sich von ihren z.T. sehr liebgewonnenen Sachen getrennt hat, bevor sie gestorben ist. Auch mein Vater entrümpelt jetzt. Beide haben vorab schon festgelegt, wie sie beerdigt werden wollen. Bei meiner Mutter konnten wir diesen Wunsch umsetzen, was auch für unsere Trauerarbeit gut war. Dabei haben wir die Kinder altersgerecht in den Prozess des Abschiednehmens miteinbezogen. Mein 9-jähriger Sohn hat mir mehr als einmal gesagt, dass er froh war, dass ich in dieser Zeit des Trauerns für ihn da war. Und es war ihm wichtig, ordentlich von der Oma Abschied zu nehmen.
In diesem ruhigen Alltag, der sehr schön in dieser Manga-Reihe dargestellt wird, finden die Veränderungen (Metamorphosen, s. Titel) beinahe unauffällig statt. Urara trägt sich, angestoßen durch Yuki, im Hintergrund mit dem Gedanken, selbst einen Manga zu zeichnen. Sie fängt eines Tages einfach an und zeichnet dann auch in der Schule. Die Berufswahl, die in der Schule in Form eines Formulars an die Schüler*innen herangetragen wird, tut ihr Übriges, um Urara zum Nachdenken zu bewegen, auch wenn sie anfangs mit dem Formular nichts anfangen kann. Das Leben und die Entscheidungen im Leben sind ein Prozess. Auch das arbeitet der Manga sehr gut heraus.
Ansonsten lebt jede ihr Leben, das sich meist nicht um das Hobby dreht, aber das durch das Interesse für BL von diesem immer mal wieder durchdrungen wird. Das stellt der Manga u.a. durch die integrierten Szenen des Bl-Mangas dar, den die beiden Frauen gerne lesen: eine Geschichte innerhalb einer Geschichte. Gedanklich sind die beiden Frauen, wenn auch nicht immer körperlich bei der anderen anwesend, miteinander verbunden.
Ebenfalls scheinbar nebenbei, aber trotzdem eindrücklich wird das Thema der Introvertiertheit behandelt. Urara fühlt sich in lautstarken Umgebungen mit vielen Menschen nicht wohl, und das zeigt der Manga auch. Solche Menschen, die meist hochsensibel sind, stehen in der Gesellschaft unter dem ständigen Druck, sich anpassen zu müssen, um nicht allzusehr aufzufallen – was negative Konsequenzen für sie hätte. Auch das wird im Manga angedeutet. Die Druck erzeugende Erwartungshaltung geht auch von der Famulie aus, wenn z.B. die Mutter Uraras indirekt anklingen lässt, dass sie auch gern eine hübsche Tochter hätte. Anstatt selbst sensibel auf ihr Kind zu reagieren und das sensible Kind, das sowieso schon mit sich im Streit liegt, zu unterstützen, verstärkt sie die Zweifel noch. Der Vater reagiert noch unsensibler. Bei ihm wird deutlich, dass er eigentlich keinen Draht zu seiner Tochter hat. Indirekt wird z.B. in der Szene, in der sich die beiden getrennten Eltern über Uraras Zukunft unterhalten, auch der Druck angesprochen, unter dem die Mütter stehen. Egal, was sie tun – niemals ist es genug, niemals können sie es einem recht machen. (Der Film “Bad Moms” ist ein sehr gelungenes filmisches Beispiel für diesen enormen Druck!) Die Väter spüren diesen Druck nicht, weil von ihnen nicht erwartet wird, dass sie ihre Kinder tatsächlich erziehen. Dafür urteilen aber auch sie über die Mütter. Der Manga ist also nahe an der Realität dran.
Fazit
Sehr gelungener Manga über eine ungewöhnliche Frauenfreundschaft zu einem ungewöhnlichen Hobby – das alles warmherzig kombiniert mit einem unaufgeregten Alltag, in dem sich ebenso unaufgeregt tiefgreifende Veränderungen ankündigen. Der Umgang mit ernsten Themen wie Tod und Sterben erfolgt sensibel und integriert diese in den Alltag – wo sie auch hingehören.