The Gender of Mona Lisa 8

Das Jahr der Entscheidung

Im letzten Schuljahr von Hinase, Ritsu und Shiori will Hinase wissen, was typisch männlich ist. Shiori macht sich darüber viele Gedanken und kommt zu dem Schluss, dass es das „typisch Männliche“ gar nicht gibt – viele Dinge machen beide Geschlechter gern. Auch die Kleidung ist nicht unbedingt ein Kriterium für weiblich oder männlich. Deshalb macht er mit Hinase das, was er unter „männlich“ versteht, aber Hinase fällt auf, dass das eigentlich ganz normale Dinge sind, die jede*r tun kann. In einem Aquarium kommt es zu einem Gespräch über das soziale und biologische Geschlecht anhand von Clownfischen und Zackenbarschen, die ihr Geschlecht ändern können. Dabei stellen sie sich die Frage, wie es wäre, wenn der Mensch schon von Baby an ein biologisch zugeschriebenes Geschlecht hätte – würde man sich dann genauso mit der Geschlechterfrage quälen?

Außerdem hört Hinase Shioris Seite der Geschichte, nachdem Shiori Hinase ein Liebesgeständnis gemacht hat. Shiori liebt Hinase, allerdings ist es für ihn ein Unterschied, ob Hinase als geschlechtslose Person in Männer- oder Frauenkleidung vor ihm steht oder als biologische*r Frau/Mann. Nach den Gesprächen mit seinen Freund*innen ist sich Hinase klar, wie sier weiter vorgehen will. Außerdem stehen noch Berufsentscheidungen an, das Abschlussfest und andere Dinge. Alles deutet auf Neuanfang hin. Schließlich hat sich Hinase für ein Geschlecht entschieden und auch die biologischen Werte deuten auf diese Entscheidung hin.

Selbstfindung ist ein Prozess

Der Abschlussband der Reihe verrät nicht, welches Geschlecht es letztendlich wird, denn die Message ist eine ganz andere: Hinase hat sich durch Auseinandersetzungen mit sich selbst und mit siehrer Umwelt selbst gefunden und ist nach langen Kämpfen mit sich im Reinen. Nur darauf kommt es an. Das Geschlecht selbst ist letztlich nicht so wichtig und nur ein Faktor unter vielen anderen.

Die Reihe macht sowohl „ganz normalen“ Jugendlichen Mut, die sich gerade mitten in den Pubertätswirren und damit der Selbstfindungsphase befinden, als auch Menschen, die auf die ein oder andere Art mit ihrem Geschlecht und/oder ihrer geschlechtlichen Ausrichtung im Krieg liegen. Hinase zeigt anhand von Farben, dass jede*r weibliche und männliche Anteile in sich hat. Gesellschaftliche Konventionen sind oft nicht hilfreich, wenn es um Selbstfindung geht, sondern eher hinderlich, v.a. Rollenklischees, die einer freien Selbstentfaltung im Weg stehen. Auch das arbeitet die Reihe heraus. Besonders deutlich wird das an der Auseinandersetzung mit den Vorstellungen von „typisch weiblich“ und „typisch männlich“, aber auch den Überlegungen bzgl. der sexuellen Ausrichtung: Wenn man z.B. auf Männer steht, ist es nicht relevant, welches Geschlecht man hat. Die Figuren in der Reihe würden auf Männer stehen, egal welches Geschlecht sie annehmen.

Die Kämpfe mit sich selbst werden ebenso dargestellt – niemand macht es sich leicht, wenn sie/er von der Norm abweicht. Dafür aber üben sie sich in tiefer (Selbst-)Reflexion und gelangen somit zu weitreichenden Einsichten. Ebenso wird herausgearbeitet, dass frau/man immer noch die- oder derselbe bleibt, auch nach der Entscheidung für ein Geschlecht. Hinase formuliert das für alle, die noch unentschieden bzgl. ihrer geschlechtlichen Entwicklung sind, so: „An dich ‚mit dem Geschlecht der Mona Lisa‘. Hab keine Angst. Auch wenn sich dein Körper verändert, du selbst wirst dich nicht verändern. Du bleibst, wie du bist, aber du wirst ab jetzt und bis in alle Ewigkeit in den schönsten Farben erstrahlen.“ Das ist eine sehr schöne Botschaft, auch wenn es nicht so ganz stimmt, dass der Mensch sich nicht verändert – Menschen und alles andere ist der Entwicklung und damit auch der Veränderung unterworfen. Aber der innerste Kern, der grundlegende Charakter bleibt gleich.

Es sind noch zwei Nebenbände geplant, die zeigen sollen, wie Hinases Entwicklung nach siehrer Entscheidung weiter verläuft.

Fazit

Sehr zu empfehlende Reihe über Fragen bzgl. Geschlechterrollen, biologisches Geschlecht und andere Identitätsfragen.


Genre: biologisches Geschlecht, Rollenklischees, Selbstfindung, soziales Geschlecht
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

The Gender of Mona Lisa 6 und 7

Typisch weiblich? Typisch männlich? Und wo ist der Unterschied zwischen romantischer und platonischer Liebe?

Shiori informiert sich bei Hinases Retterin über deren geschlechtslose Freund*in. Dabei fragen sich beide, was eigentlich männlich oder weiblich sein soll. Hinase selbst will Shiori und Ritsu über siere Entscheidung informieren, wen sier als Freund*in haben will. Sier begründet siere Entscheidung damit, dass sier erst einmal herausfinden will, was genau eigentlich weiblich und männlich ist, bevor sier sich festlegt, denn sier liebt beide. Außerdem wird Hinase von sierem Arzt darüber informiert, dass sier wohl sterben wird, wenn die Entscheidung für ein Geschlecht nicht bald fällt. Derweil unterhalten sich Shiori und Aoi darüber, wo Liebe anfängt und platonische Zuneigung aufhört.

Hinase versucht mittlerweile alles, um herauszufinden, was typisch weiblich und männlich ist. Dazu trifft sier sich mit ein paar Freundinnen, um einen Mädelsabend zu veranstalten. Auch hier sind sich die Mädchen nicht sicher, was eigentlich typisch für ihr Geschlecht ist. Jede versteht etwas anderes darunter und insgesamt kommen alle zum Schluss, dass es typisch weiblich in dieser Form nicht gibt, sondern etwas Individuelles ist. Nachdenklich macht Hinase mit Shiori daraufhin einen Termin aus, um mit dessen Freunden abzuhängen. Sier will sehen, was Jungen so alles machen. Hinase trifft sich außerdem mit sierer Retterin, um mit ihr über deren geschlechtslose Freund*in zu reden. Sier will wissen, wie andere in sierer Situation leben.

 

Es gibt nicht typisch, sondern individuell und vielfältig

Das arbeitet der Manga sehr schön und ausführlich heraus. Die Dialoge, die die Jugendlichen und jungen Erwachsenen führen, sind sehr geistreich, tiefsinnig und alltagstauglich-philosophisch. Sie stellen in ganz alltäglichen Situationen fest, dass es außer der physischen Erscheinung eigentlich nichts wirklich Typisches gibt, was Frauen und Männer ausmacht. Was jede*r darunter versteht, ist etwas anderes. Wenn überhaupt, gibt es Tendenzen, die von der Gesellschaft bestimmt werden. Und in diesem Manga ist nicht einmal das Biologische ausschlaggebend, denn das Geschlecht ist eine Sache der Wahl. Man denke an Transgender… Ich denke auch an Transgender, wenn es im Manga heißt, dass man sich bzgl. des Geschlechts entscheiden muss. Auch wenn das Thema bei Transgendern ein anderes ist, der enorme Druck ist der gleiche und potentiell tödlich, v.a. wenn Betroffene keine Rückendeckung vom Umfeld bekommen: Ca. 50% der Transgender verüben Selbstmord. Das ist eine erschreckende Rate.

Im Manga stehen Hinase und andere Geschlechtslose unter enormem Druck, weil sie sich für ein Geschlecht entscheiden müssen, das aber gar nicht wollen. Denn auch hier im Manga wird sehr deutlich, dass es gerade für Frauen ständige Diskriminierung bedeutet, sich für das weibliche Geschlecht zu entscheiden. Wenn man geschlechtslos bleibt, stehen einem viel mehr Möglichkeiten zur Verfügung, anstatt dass man pauschal in Schubladen gesteckt und damit beschnitten wird. Das wird an Hinase (sier kleidet sich und denkt konsequent geschlechtlos) und „Lisa“ (sier nennt und kleidet sich nach Gefallen männlich oder weiblich) exemplarisch dargestellt. Der Druck und die ständigen Hormonschwankungen begünstigen Unkonzentriertheit, Depressionen und Verwirrung. Letztendlich ist es das, woran die Geschlechtslosen sterben.

In einer Gesellschaft, in der konsequent nach einer vorgegebenen Zeit in weiblich und männlich unterteilt wird, ist für die besondere Denkweise und Schönheit der Geschlechtslosen kein Platz. Bewusst oder unbewusst wissen das die Neutren und verzweifeln daran. Sie dienen aber auch als Vorbild für unkonventionelle und damit bereichernde Denkweisen, die tiefsinnig sind und weit über den Tellerrand hinausblicken. Sie bringen damit andere zum Nachdenken und zum Hinterfragen von vermeintlichen Selbstverständlichkeiten, von Dingen, „die immer schon so waren, und damit basta!“. Sie sprengen damit eng geschnürte Korsetts und Ketten und verschaffen sich und anderen wieder Luft zum Atmen und Entfalten. Die Retterin Hinases stellt sie als (geschlechtslose) Engel dar, was sie nicht nur wegen ihrer überirdischen Schönheit, sondern auch wegen ihrer heilenden Denkweise sind.

 

Auch die Liebe ist ein großes Thema. Wo fängt romantische Liebe an und wo hört platonische Liebe auf? Sind die Grenzen nicht vielmehr fließend? Darf man nicht mehrere Menschen lieben und mit ihnen zusammen sein? Und zwar gleichberechtigt? Polyamorie klingt hier indirekt an, ohne aber näher auf die Schwierigkeiten einzugehen, die eine solche Beziehung mit sich bringt. Sie werden nur angedeutet, wenn man sieht, dass Shiori und Ritsu sich eine klassische Zweier-Beziehung wünschen, Hinase aber am liebsten mit beiden zusammen wäre. Aber auch Ritsu und Shiori haben schon eine Entwicklung in Liebesdingen mitgemacht: Sie wären jetzt bereit, Hinase sowohl als geschlechtslose Person als auch in einer Frau-Frau- oder Manna-Mann-Konstellation zu lieben, d.h. sie machen ihre Liebe nicht mehr vom Geschlecht abhängig. Aber auch hier wirft Aoi ein, dass heterosexuelle und homosexuelle Menschen nunmal so gepolt sind, wie sie sind, und man nicht erwarten darf, dass Heterosexuelle auf einmal homosexuell werden oder umgekehrt. Auch hier heißt es schlussendlich: Jede*r liebt individuell und Liebe ist vielgestaltig.

 

Fazit

Extrem empfehlenswert, weil anhand von tiefgründigen Gesprächen aufgezeigt wird, dass es typisch weiblich und typisch männlich, überhaupt „typisch“ gar nicht gibt, sondern naturgemäß die Vielfalt das Leben und Lieben bestimmt.


Genre: Diversität, Manga, Rollenklischees
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

The Gender of Mona Lisa 5

 

Schwere Entscheidungen und ihre Konsequenzen

Das Sommerfest steht an und Hinase geht davon aus, dass alles so ist wie immer: Hinase, Ritsu und Shiori werden wie die Jahre zuvor gemeinsam hingehen. Aber Ritsu und Shiori buhlen jetzt um die Gunst von Hinase. Das bedeutet letztendlich, dass sich Shiori erst einmal zurückzieht und Ritsu allein mit Hinase zum Sommerfest geht. Hinase macht das wieder einmal deutlich, dass nichts so bleibt wie bisher und deswegen ist sier traurig und verwirrt. Außerdem stellt Hinase fest, dass sier sowohl Shiori als auch Ritsu liebt und auf keine*n der beiden verzichten will. Als Hinase Ritsu das sagt, reagiert sie enttäuscht und wendet sich von Hinase ab. Derweil fragt sich Chiakis Freund Aoi, ob er die richtige Entscheidung getroffen hat, zum Mann zu werden, denn er hat sich in seinen besten Freund verliebt.

 

Der fünfte Band beleuchtet aus verschiedenen Blickwinkeln, was es bedeutet, sich aktiv für ein Geschlecht entscheiden zu müssen bzw. wenn man keine Entscheidung treffen will. Heraus kommt: Egal, wie man es dreht und wendet, die Entscheidungen haben immer sowohl positive als auch negative Konsequenzen, und auf die geht der Band plausibel ein. Ich habe mich bei der Lektüre an Hermaphroditen erinnert gefühlt, die so bleiben möchten, wie sie sind, aber auch an Trans-Menschen, die sich mit ihrer Entscheidung wahrlich nicht leichttun. Ebenso sind indirekt Homosexuelle angesprochen, die verwirrt sind über die Gefühle zum eigenen Geschlecht und sich erst einmal über sich selbst und den Umgang mit dem Anderssein klarwerden müssen.

Weiterhin empfohlen!


Genre: geschlechtliche Vielfalt, Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

The Gender of Mona Lisa 3 und 4

Gefühlschaos

Hinase erholt sich von dem Autounfall, den sier gehabt hat. Dabei hat sier einen Traum, in dem Ritsu und Shiori die Geschlechter getauscht haben. Die Gefühle sowie der Traum verwirren Hinase, zumal beide Freund*innen im Traum nicht die Schwierigkeiten bzgl. der Geschlechterrollen haben, die ihnen jetzt zu schaffen machen. Hinase sieht beim Warten auf ein Date mit Ritsu diese versehentlich in Unterwäsche, was nicht unbedingt zur Klärung der Gefühle beiträgt, ebenso das Händchenhalten mit ihr. Auch mit Shiori ist die Sache nicht einfacher. Und Hinase will eigentlich gar kein Geschlecht annehmen müssen, weil sier mit sich auch so zufrieden ist.

Währenddessen findet Shiori heraus, dass es auch noch einen anderen genderlosen Menschen gibt, der ungefähr in Hinases Alter sein könnte. Er trifft sich mit dessen Freundin, um mehr über sien herauszufinden. Für Shiori und Ritsu stellt sich aber noch eine ganz andere Frage: Würde Ritsu Hinase immer noch lieben, wenn Hinase das gleiche Geschlecht wie sie annehmen würde? Oder würde Shiori Hinase als Mann und Boyfriend akzeptieren? Oder was wäre gewesen, hätte sich Ritsu für das Dasein als Junge entschieden und Hinase wäre ein Mädchen geworden? Und warum fühlt sich Hinase schlecht, weil Shiori sier anscheinend nicht mehr daten will?

Hinterfragen der Rollenklischees und Weitung des Blicks auf andere Lebensrealitäten

Die beiden Bände liefern viel Stoff zum Nachdenken über die Situation „Was wäre, wenn?“. Pubertierende sind sowieso schon körperlich und seelisch hormonbedingt und entwicklungstechnisch im gefühlsmäßigen und sonstigen Chaos, was hier noch weiter ausgeweitet wird durch das Hinterfragen der Geschlechterrollen und ob das Geschlecht überhaupt eine Rolle spielt, wenn man liebt. Die Alternative History beinhaltet also auch innerhalb ihrer Story durch Träume und Gedankenspiele eigene Alternative-Historys, die den Blick fast schon philosophisch weiten. Man bekommt als Leser*in eine Ahnung davon, wie sich z.B. Menschen fühlen müssen, die genetisch beide Geschlechter in sich tragen und in einer Gesellschaft aufwachsen, die mit streng definierten Rollenbildern strickt zwischen männlich und weiblich unterscheiden. Die Rollenklischees werden dementsprechend in dem Manga hinterfragt, was eine gute Sache ist, um Leid zu vermeiden und den Blick auf bessere Lebensbedingungen zu lenken. Denn die Welt ist schon von Natur aus auf Biodiversität ausgelegt und lässt sich nur bedingt in Schemata pressen – das widerspricht dem Überlebensprinzip der Natur, deren Erfolgsrezept Vielfalt und Komplexität ist.

Definitiv empfohlen, denn die Reihe regt vielfältig zum Nachdenken und Hinterfragen der eigenen Realität an!


Genre: Gender, Manga, Rollenklischees
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

The Gender of Mona Lisa 2

The Gender of Mona Lisa 2Einfach nur ich selbst sein…

Hinase ist verwirrt von all den Gefühlen, die auf sier einprasseln. Shiori und Ritsu haben Hinase ihre Liebe gestanden und Hinase bemerkt an sich selbst sieren Reaktionen, dass sier die beiden ebenfalls nicht gleichgültig sind. Allerdings kann sier diese Gefühle nicht einordnen und fragt sowohl Ritsu als auch Shiori, was denn der Unterschied zwischen der einen und der anderen Liebe ist. Und eigentlich wünscht sich Hinase nichts sehnlicher, als dass alles so bleibt wie es ist – und dass v.a. sier so bleiben darf, wie sier ist! Währenddessen sucht Hinases Arzt verzweifelt nach einer Möglichkeit, die es erlaubt, dass Geschlechtslose das 20. Lebensjahr überleben, denn bisher sind alle, die sich noch nicht für ein Geschlecht entschieden hatten, spätestens zu diesem Zeitpunkt gestorben. Die Todesursache könnte einen Hinweis geben: Alle sind an einem Unfall, durch Mord, Krankheit, Erschöpfung oder Selbstmord gestorben. Auch Hinase erleidet einen Unfall, bei dem nicht klar ist, ob sier ihn überlebt…

Ungesunder Gesellschaftsdruck – es gibt hier nur ein „entweder – oder“, kein „sowohl – als auch“

In einer Welt, in der die Kinder bis zum 12. Lebensjahr keinem Geschlecht zugeordnet werden, weil sie biologisch noch keines besitzen, wächst allerdings der Druck, sich zu entscheiden, je älter sie werden. Hinase spürt diesen Druck, will aber, dass alles so bleibt, wie es ist, weil sier sich damit wohlfühlt. Nur der Druck behagt siem nicht. Er führt zu ungewolltem Entscheidungsdruck und verwirrten Gefühlen, die gefährlich für die Geschlechtslosen werden, da sie völlig aus dem Gleichgewicht geraten.

Das erinnert an die Erzählungen von intersexuellen Menschen, die vielfältig darunter leiden, dass die Gesellschaft erstmal nur zwischen weiblich und männlich unterscheidet. Das fängt mit ungewollten geschlechtsangleichenden OPs in der Säuglingszeit an und endet mit der ständigen Konfrontation mit den sowieso schon ungesunden Rollenklischees, der Wahl der öffentlichen Toiletten und dem Gang zu Behörden. Geschlechtsneutralität bzw. freie Entfaltung der eigenen Sexualität und Geschlechtsidentität ist bis hin zum Spielzeug nicht vorgesehen.

Die Rollenklischees sind auch in diesem Manga eindeutig, nachdem sich die Kinder für ein Geschlecht entschieden haben: Mädchen sind in der Tendenz (es gibt auch Ausnahmen) klein und niedlich und achten sehr auf ihr Äußeres. Die Jungen sind groß, stark und sportlich. Es steht im Raum, ob auch diese enge Zuweisung Hinase wünschen lässt, dass sich an der eigenen Geschlechtsneutralität nichts ändert. Zudem hat sier so die Möglichkeit, beide Freund*innen zu lieben und muss sich auch hier nicht zwischen einer/einem von ihnen entscheiden.

Der Druck auf Hinase wird dadurch verstärkt, dass sich beide Freund*innen nicht vorstellen können, dass Hinase geschlechtslos bleibt. Sie wollen – heterosexuell konform – dass Hinase zum eigenen (heterosexuellen) Geschlecht passend entweder ein Junge oder ein Mädchen wird. Leser*innen ahnen schon, worauf das hinausläuft: Geschlechtslose sterben letztendlich wegen des gesellschaftlichen Normdrucks. Das erinnert auch an Transsexuelle, die zu ca. 50% Selbstmord begehen, weil sie in Gesellschaftsnormen gepresst werden sollen. Die, die so anerkannt werden, wie sie sind, überleben. Das sollte ernsthaft zu denken geben, auch und gerade wegen der (auch im Grundgesetz verankerten) Menschenwürde!

Ein nicht unwichtiges Detail findet sich in der Namensgebung der Charaktere: Yoshimura hat sehr darauf geachtet, japanische Namen zu finden, die beiden Geschlechtern gerecht werden.

Die Anspielung auf den namensgebenden Titel „Mona Lisa“ wird in einem Zusatzmanga besonders deutlich: Ritsu und Shiori unterhalten sich über Hinases verhaltene Gefühlsäußerungen, die beide an siem so anziehend und faszinierend finden. Diese gleichen dem feinen, aber ausdrucksstarken Lächeln der Mona Lisa.

Mit Bonusmangas.

Sehr empfohlen!


Genre: Manga, sexuelle Identität
Illustrated by Carlsen / Hayabusa

The Gender of Mona Lisa 1

Genderless und Rollenklischees

Hinase lebt in einer Welt, in der die Kinder bis zum 12 Lebensjahr ohne Geschlecht aufwachsen. Erst dann entscheiden sie sich, ob sie Frau oder Mann werden möchten. Hinase ist mittlerweile 17 Jahre alt und hat sich immer noch nicht entschieden. Eigentlich ist sier mit der Geschlechtslosigkeit zufrieden und möchte nichts ändern. Aber dann gestehen Hinase sowohl Shiori als auch Ritsu ihre Liebe und die Karten werden neu gemischt.

Der erste Band spricht ein aktuelles Thema an: Braucht es eigentlich ein Geschlecht, um in einer Gesellschaft zufrieden zu sein? Aufgrund der extrem einengenden und strikten Rollenklischees auf der einen Seite und Geschlechtsidentitäten, die über Transgender, Transfluid, Hermaphrodit usw. reichen, auf der anderen Seite ist der Manga spannend zu lesen, zumal sowohl Ritsu als auch Shiori wollen, dass Hinase für sie entweder zum Mann oder zur Frau wird. Sobald sich die Kinder entschieden haben, stecken sie also in den Rollenklischees fest und leben diese ganz traditionell fort. Hinase dagegen will sich nicht in etwas reinzwängen lassen und ist mit den Freiheiten als geschlechtslose Person zufrieden. Angelehnt wird das Ganze an die berühmte Mona Lisa, der im Manga als Theorie Zweigeschlechtlichkeit zugesprochen wird. Die Geschlechtlichkeit und Geschlechtslosigkeit wird im Manga durch türkisfarbene Elemente indirekt betont. Hinases Augen z.B. sind türkis, während Shioris Krawatte und Ritsus Schleife ebenfalls türkis sind. Diese beiden Kleidungselemente weisen auf die Geschlechterrollen hin, während bei Hinase die Augen als Sitz der Seele auf das eigentlich Wichtige deuten: Wie jemand von seinem Innersten her ist und nicht, wie sie oder er aussieht. Um die Geschlechtsneutralität weiter hervorzuheben, werden eigene Pronomen wie “sier” gebraucht, um Hinases Status zu beschreiben. Hinase benimmt sich in manchen Szenen nicht nur neutral, sondern auch je nach Situation männlich oder weiblich. Die Geschlechtsneutralität sieht man auch an den Zeichnungen der Kinder: Man kann sie weder von der Kleidung und von den Haaren noch vom Verhalten her als weiblich oder männlich zuordnen. Manche scheinen aber Präferenzen zu haben – die die Umwelt im Sinne der Rollenklischees promt fehlinterpretiert.

Die Manga-Reihe macht also deutlich, dass sowohl Geschlechtsneutralität oder beide Geschlechter in einem normal sein kann (und auch sollte) als auch die sofort greifenden Rollenlischees, wenn sich ein Kind für ein Geschlecht entschieden hat. In diesem Spannungsbogen bewegt sich die Geschichte. Sehr schön ist der Ansatz, dass man selbst entscheiden darf, welches Geschlecht man haben will – was aber wieder hinterfragt wird durch die strikte Vorgabe, dass man sich ein Geschlecht aussuchen muss, weil ansonsten diverse Konsequenzen drohen, wenn man es nicht tut.


Genre: Manga
Illustrated by Carlsen / Hayabusa