Der Götzendiener. “Ich werde von nichts anderem reden als von mir“, kündigt eines der Alter Egos großspurig an. Der Texter und Zeichner des Bestsellers “Die Katze des Rabbiners“, Joann Sfar, legt mit der “Götzendiener” sein bisher persönlichstes Werk vor. Denn es geht um nichts weniger als Idolatrie, den Götzendienst, eigentlich eine Sünde in vielen Glaubensgemeinschaften.
Lust an der Teilhabe
Auch im Judentum, dem seine Familie angehört, ist es eigentlich verboten, ein Bild anzubeten oder sich Bilder zu machen. “Die Götzenanbetung! Wenn du ein Bild mehr liebst als die Wirklichkeit, dann bist du verloren”, gibt ihm eine seiner Freundinnen zu bedenken und wie der Protagonist aus eigener leidvoller Erfahrung weiß, kriegt man auch keinen hoch, wenn man beim Sex Bilder im Kopf hat. Zumindest als Zeichner. Der junge Alter Ego von Joann Sfar lebt in Nizza und liebt die Pizzeria der Cresci-Brüder, weil sie Cantal-Käse statt Mozzarella verwenden. Als er das erste Mal Bilder von Chagall im Museum hängen sieht, wird er inspiriert, denn gerade die Einfachheit der Bilder ermuntere auch Kinder, den Zeichenstift zur Hand zu nehmen: “Das kann ich auch!” Chagall lade eben zur Teilhabe ein, anders als etwa Asterix: “Die Lust an der Teilhabe. An der Imitation: Meine Kinder-Kritzeleien zerbröselten angesichts der Perfektion von Asterix. Vor Asterix blieb mir der Zugang zur Kunst verschlossen. Einige Jahre später hat sie sich dank Chagall geöffnet.”
Zeichnen als Überlebenselixier
“Genau deswegen sind Fotos auf jüdischen Gräbern verboten. Man soll die Erinnerung an einen Verstorbenen nicht erstarren lassen”, erklärt ihm ein Rabbi. Götzenanbetung sei, wenn man sich lieber einem Bild anvertraut als der Welt. “Sieh nicht mehr das Bild an”, rät er ihm beim Betrauten eines Fotos seiner Mutter, “Sag ihren Namen und sprich mit ihr! Ein Bild verwehrt den Dialog. Es ist wie eine verschlossene Tür. Ein Foto, das ist der Grabstein.” Lustig wird es, wenn sich der kleine Joann Fragen zur Regel stellt, denn im Französischen ist es dasselbe Wort wir für Lineal. “Nichts existiert außerhalb des Bildes“, meinte schon Fritz Lang. Sein Vater unterstützt die Zeichenversuche seines Sohnes halbherzig, denn er weiß, dass es nie ein ökonomisches Modell um vom Zeichnen zu leben existiert hat. Joann schickt nichtsdestotrotz alle seine Zeichnungen an die unterschiedlichsten Verlage, bis er endlich bei Castermann arbeitet, allerdings in einer anderen Abteilung als gewünscht. Dennoch reicht der Hinweis auf den Verlag schon, um das Selbstbewusstsein zu steigern: “Es ist sehr wichtig zu lügen! Zunächst animiert es dazu, sich auf die Höhe unserer Märchen zu schwingen.”
Kindheitserinnerungen einer Halbwaise
“Der Götzendiener” beschäftigt sich mit der Abwesenheit der Mutter des Autors, denn diese starb, als er noch ein Kleinkind war. Vielleicht hat dieser (zu) frühe Verlust seinen Werdegang als Künstler beeinflusst. Joann Sfar blickt zurück auf seine Kindheit und die prägendsten Momente und Begegnungen auf seinem Weg zum gefeierten Comicautor. Joann Sfar wurde mit dem Max und Moritz-Preis für sein herausragendes Lebenswerk beim Comic-Salon Erlangen 2024 geehrt.
Joann Sfar
Der Götzendiener
Text & Zeichnungen: Joann Sfar
Übersetzung aus dem Französischen von Marcel Le Comte
2024, Hardcover, 208 Seiten, 21 x 28 cm, vierfarbig
ISBN: 978-3-96445-107-1
avant-verlag
30,00 €