Schöne Aussichten – oder?

Wirft der in Paris lebende Literat Rudolf Pernusch bereits im Titel seiner poetischen Texte und Betrachtungen die Frage auf, ob die Menschheit schönen Aussichten entgegensieht, dann impliziert seine Erkundigung schon eine gewisse kritische Distanz, einen inneren Widerspruch, der sich in ihm regt und den lackierten Fassaden entgegenreckt. Pernusch betrachtet unsere Welt als unheil, er blickt mit schreckgeweiteten Augen fassungslos und teilweise entsetzt auf all das, was in der Masse erstickt.

Kultur wird in einer Gleichmachergesellschaft nicht mehr benötigt, lautet sein Fazit und dennoch stemmt er sich mit der Kraft seiner Sprache und der Macht des Wortes gegen dunkle Wogen und Nebelphasen, die ihn bedrängen, um wieder auf einen helleren Weg zurückzufinden.

Pernusch verehrte Zeit seines Lebens die großen Dichter, er promovierte über groteske Lyrik und wagte es dennoch erst mit Antritt des zehnten Lebensjahrzehntes, seine eigenen Texte zu veröffentlichen. Ist schon das außergewöhnlich, so ist es auch sein Blickwinkel:

Hinter den Wolken am Horizont
Verrinnt das blasse Blau des Himmels.
Schwarz, massig der Wald absorbiert
die feuchte Last und streckt die müden Blätter auf
nach einem Trockenstrahl
der halb verborgenen Sonne.

Der Dichter steht an Stätten seiner Erinnerung an eine verlorene Welt. Ein Tanzcafé ist zu einem Fast-Food-Lokal verkommen, Menschen treffen sich dort, aber sie treffen sich nicht mit ihm. Wo er mit Freunden, oder solchen, die er für Freunde hielt, bei einem Schoppen Wein saß, dort sitzt er nun allein und beschenkt sich mit Leben, statt dem Zerpochen des Herzens zu lauschen.

Ich aber bin da,
und richte mich nach vorne,
gestützt auf eine Polsterlehne
vor mir ein Heftchen,
das ich mit leicht gekrakelten Buchstaben beschenke.

Pernusch reflektiert sein Sein und spürt seinem Leben als ein Sandkorn im Meer der wüsten Erde nach. Dabei versteckt er sich im Wort und damit in der Kultur, die gern dort hilft, wo man die eigene Spur verliert und sich im Nebel schwer zurechtfindet.

Was bin ich,
wenn ich nichts mehr bin
als eine schwindende Erinnerung
in eines Freundes Rückblick,
ein Name nur noch im Familienbuch
und auch gelegentlich vielleicht
ein Stirnrunzeln und der Kommentar:
Ach, der!

Der Auseinandersetzung im Hula-Hoop mit seinen Jahresringen widmet sich ein Teil von Pernuschens Lyrik. Er spürt in Knochen und im Fleisch, es tut der Leib nicht mehr, war ich zu tun ihm heisch. Es scheint ihm weise, sich am Frühling zu erfreuen, statt sich zu grämen, zumal es sich nicht ändern lässt. Er bittet darum, den Alten ihr gelegentliches Jammern zu lassen, denn Plappern sei eine Heiltherapie, um sich die Einsamkeit zu vertreiben.

Dem Dichter bleibt die Fantasie. So sind die vorliegenden poetischen Texte und Betrachtungen ein Kalendarium eines langen Lebens, das bis zum letzten Atemzug Freude, Zuversicht und Lachen zu vermitteln sucht. Bisweilen wird Rudolf Pernusch dabei sogar programmatisch und fordert:

Wir müssen alle uns vom Müll befreien,
vom Abfall, der auf unserem Dasein lastet.
Dann lacht das Leben uns und mit Schalmeien
Besingt es den, der nicht auf Lorbeeren rastet.

Denn Leben ist nicht Ruhen, ist Bewegung,
Bejahen des Schönen, Nein zur Apathie,
die uns behindern will zu jeder Regung
für Frohsinn, Freude, Glück und Harmonie.


Genre: Lyrik, Poesie
Illustrated by Vindobona

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