Kampf zwischen Normannen und Engländern, dazwischen eine „unmögliche“ Liebe
1069 im walisischen Grenzgebiet: Die Normannen überfallen den Landsitz Ashdyke und ermorden dessen Herren. Die schockierte Witwe Christen, gerade einmal 20 Jahre alt, muss sich sofort entscheiden, wie es weitergehen soll: Rutschen sie und die Überlebenden in einen ständigen Überlebenskampf ab oder akzeptiert sie den Heiratsantrag von Miles, dem jungen Normannen, der den Besitz zumindest anständig verwalten und vor weiteren Übergriffen schützen will? Schweren Herzens entscheidet sie sich zum Wohl aller für die zweite Option. Allmählich entdeckt sie, dass auch unter den Normannen Rivalitätskämpfe herrschen und Miles im Gegensatz zu seinem Rivalen FitzOsbern Ehrgefühl und ein anständiges Wesen besitzt. Seiner Intelligenz und seiner Weitsicht ist es zu verdanken, dass Christen und ihr Haushalt weiterhin ein relativ gutes Leben führen können. Und Christen merkt, dass Miles neben all dem ein gutes Herz hat, in das sie sich schließlich verliebt. Auch Miles ist seiner Ehefrau nach einer anfänglichen Vernunftehe sehr zugetan. Aber bevor sie ihr neues Glück genießen können, kommandiert König William Miles als Kundschafter ab, um weitere Gebiete zu erobern. Christen sieht einer unsicheren Zukunft entgegen und behält Recht. Ob sie Miles je lebend wiedersieht?
Der meist verächtlich gebrauchte Begriff „Frauenliteratur“ ist auch hier weder angebracht noch gerechtfertigt
Der in sich abgeschlossene Roman, der allerdings als Vorläufer zu und laut Autorin als Katalysator für „Die wilde Jagd“ gilt, taucht ein in die unsicheren Zeiten des frühen Mittelalters in Britannien und beschreibt diese anschaulich. Die Autorin selbst interessiert sich für das Mittelalter und ist Mitglied des Vereins „Regia Anglorum“, der das Leben und Wirken der Menschen zu dieser Zeit nachspielt. Und das merkt man dem Roman an, der Details zum täglichen Leben bietet, wo es gerade in die Handlung passt. Dieses tägliche Leben ist für Leser*innen interessant, die die Geschichte nicht nur auf Politik und Kriege beschränkt wissen möchten – meist ist beides leider meist in eins begriffen.
Wie üblich in historischen Romanen zeigt die Autorin das Leben einer starken Frau, die sich den beschränkenden patriarchalischen Traditionen, soweit in ihrem Rahmen möglich, widersetzt. Christen fügt sich dort, wo sie es für nötig hält, tut aber ihre Meinung kund, ebenfalls dann, wenn es ihr angebracht scheint. Sie lenkt in ihren Möglichkeiten die Entscheidungen der Männer zugunsten eines besseren sozialen (Über-)Lebens. In Kombination mit einem weitsichtigen und mit einem guten Charakter ausgestatteten Mann kommen beide und ihre Untergebenen besser aus schlimmen Situationen heraus als andere, die unter der Knute der tyrannischen Psychopathen stehen. Diese Männer, die das Patriarchat als Vorbild hochhält, die aber das absolute Desaster für jedwede funktionierende Gesellschaft darstellen und nichts als Verheerung und Leid in ihrem Kielwasser bereithalten, kommen in historischen Romanen – die meist von Frauen geschrieben werden – sehr schlecht weg. Die sozialen Männer hingegen werden hochgehalten.
Das entspricht dem Muster, dass die Autoren des Sachbuches „Die Wahrheit über Eva“ beschreiben: Wenn Frauen mindestens egalitär an Herrschaftsprozessen beteiligt sind und sich ihre Männer selbst aussuchen können, geht es der Bevölkerung gut. Die Jäger- und Sammlergesellschaften haben übrigens asoziale Männer vom Schlage eines Tyrannen diszipliniert: Sie wurden gemaßregelt, und wenn das nicht reichte, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen oder sogar getötet. Geduldet oder gar heroisiert wurden sie auf keinen Fall. Die Autorinnen von historischen Romanen greifen wohl mindestens instinktiv, möglicherweise sogar gezielt solche angeblich minderwertigen, in Wahrheit aber wertvollen Strukturen wieder auf, indem sie die patriarchalische Gesellschaft durch die Darstellung und Wahl ihrer Held*innen scharf kritisieren und die aus Jäger- und Sammlerzeiten stammenden Werte – wie eine ganzheitliche Struktur, schafsinnige, intelligente und starke Frauen und sozial agierende Männer – hochhalten. Letztere sorgten in Jäger- und Sammlerzeiten übrigens dafür, dass der Nachwuchs sich durch bessere Versorgung nicht nur vom Menschenaffen zum Menschen entwickeln, sondern auch insgesamt besser entfalten konnte als der, wo die Mütter alleinerziehend täglich kämpfen mussten. Für Diskriminierung war in solchen Gesellschaften schlicht kein Platz, denn für das Überleben wurde jede Hand und jede Fähigkeit gebraucht. Jegliche süffisanten Kommentare über die sogenannte (angeblich minderwertige) „Frauenliteratur“ sind also unangebracht und definitiv fehl am Platz! Auch dieser Roman bestätigt wieder, dass soziale Werte niemals totzukriegen sind und immer in irgendeiner Form weiterleben – zum Glück, denn sonst wäre die Welt schon längst vor die Hunde gegangen.
Der vorliegende Roman scheint der erste der Autorin gewesen zu sein, so wie sie es im Nachwort beschreibt. Das merkt man ihm auch an, denn an einigen Stellen habe ich mich über das Tempo gewundert, in welchem plötzlich tief sitzende Meinungen geändert oder sich die Liebe zwischen den Hauptfiguren entfaltet hat. Ansonsten aber ist es ein spannender Roman, der Fans von Romantik und Geschichte sicher gefallen wird.
Fazit
Mit ein paar wenigen Schwachstellen ein schöner, historischer Roman, der wie andere in dieser Kategorie auch die süffisanten Unkenrufe bzgl. „Frauenliteratur“ nicht verdient hat. Gründe hierfür s.o.