Ein inhomogener Mix
Das sich beängstigend schnell schließende Zeitfenster zwischen Eintritt in den Ruhestand und Tod ist Thema des Romans «Landleben» von John Updike. Sein Held Owen lebt im Kleinstadtmilieu an der amerikanischen Ostküste, in einer der »Villages», wie der Originaltitel lautet, in denen das Leben zwar entschleunigt abläuft und überschaubar bleibt, die aber trotzdem keine Gesellschaft hervorbringen, die unverdorben ist im Sinne von Rousseau. Den Menschen ist nämlich, in Zeiten der Libertinage zwischen Antibabypille und Aids, der ungehemmte Sex eminent wichtig, oft realisiert in unbekümmerten Seitensprüngen, glaubt man dem Autor. Genau das ist denn auch das eigentliche Hauptthema dieses Romans, den der Autor als Siebzigjähriger geschrieben hat, seinem Protagonisten an Jahren gleich und ebenfalls in ländlicher Umgebung wohnend, man darf also zumindest teilweise auch sein Alter Ego vermuten in Owen. «Ekelhafte Altmännerliteratur» hatte Elke Heidenreich bei «Der Butt» von Grass konstatiert, Updikes Roman kam bei ihr in dieser Hinsicht deutlich glimpflicher davon, mit Recht?
In Rückblicken wird das Leben des Pensionärs Owen erzählt, angefangen von Kindheit und Schule über das Studium am MIT in Boston und die frühe Selbständigkeit als Teilhaber eines Software-Unternehmens bis hin zu seinem Rückzug aus dem Beruf. Während des Studiums lernt er Phyllis kennen, eine glänzende Mathematikerin, die eine sichere Karriere aufgibt, um ihn zu heiraten. Sie ziehen aufs Land, Owens neue Firma erweist sich als erfolgreich, die Beiden führen ein saturiertes Leben und bekommen vier Kinder. Eines schönen Tages aber passiert das, wovon Männer auf der ganzen Welt immer nur träumen, die Frau eines befreundeten Ehepaares bietet sich ihm unverhohlen zum Sex an, ohne jedwede Präliminarien. Trotz Skandal und Ehekrach nach der Entdeckung seiner Untreue entwickelt Owen nun eine neue Passion, er ist unermüdlich auf der Suche nach ähnlichen Abenteuern. Oft aber muss er sich gar nicht darum bemühen, die Ehefrauen seiner Nachbarn und Freunde fallen ihm zu wie reife Früchte, und auf seinen Geschäftsreisen kommen noch diverse One-Night-Stands hinzu. Bis er dann schließlich an Julia gerät, die Frau des Pfarrers, die aber resolut auf Scheidung drängt. Er heiratet sie denn auch und zieht mit ihr, wohlversorgt durch den Erlös aus dem Verkauf der Firma, in eine entfernte Gegend, um im Ruhestand einen Neubeginn zu machen, den peinlichen Skandalen zu entfliehen, die seine verhängnisvolle Promiskuität verursacht hat.
Ergänzt wird die einfühlsam dargestellte Thematik vom Altwerden sowie der genüsslich ausgebreitete Ehebruch- und Sexstrang der Handlung durch immer wieder eingestreute, detaillierte Beschreibungen der Computer-Historie, beginnend an deren Anfängen bis hin zu den Vorläufern des PCs als erschwingliches Massenprodukt. Dieser inhomogene Mix erweist sich beim Lesen als ziemlich störend, eine Verflechtung der Themen zu einem erzählerischen Fluss ist nicht mal als Versuch erkennbar. Sprachlich folgt Updike dem amerikanischen Mainstream, einem wenig inspirierten Erzählstil, kurz und knapp in einfacher Syntax ein großes Lesepublikum ansprechend, immer bestsellertauglich also. Gedankliche Tiefe ist allenfalls beim Thema Altwerden zu finden, und interessante Figuren wie die verlassene Ehefrau Phyllis bleiben in einer Art Statistenrolle, über ihr Innenleben erfährt man so gut wie nichts. Die Sexpassagen aber sind als dümmliche Männerphantasien nur peinlich, insoweit also deutlich unter dem Niveau dessen, was Grass, zu Unrecht übrigens, angekreidet wurde. Große Literatur ist dieser Roman jedenfalls nicht, und man vergisst ihn, kaum hat man das Buch zugeklappt.
Fazit: mäßig
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