In der Woche zwier
Mit dem deskriptiven Titel «Aufruhr in mittleren Jahren» ist zu ersten Mal ein Roman der norwegischen Schriftstellerin Nina Lykke auf Deutsch erschienen, im Original « Nei og atter nei», was «Nein und nochmals nein» bedeutet und weniger stimmig auf sein Thema passt. Loriot hat es einst auf den Punkt gebracht: «Männer und Frauen passen einfach nicht zusammen». In diesem Roman wird der Beweis dafür auf ebenso satirische Weise erbracht, denn auch hier versuchen die Protagonisten es trotzdem unbeirrt, aber natürlich erfolglos!
Es geht um die Midlife-Crisis von Jan, einem mit Frau und zwei Söhnen in Oslo lebenden, knapp fünfzigjährigen Ministerialbeamten, der soeben zum Referatsleiter befördert wurde. Der in zehn Kapiteln erzählte Roman beginnt mit der Beschreibung von Jans gleichaltriger Ehefrau Ingrid, die als Lehrerin arbeitet und die Strapazen ihres Berufs ebenso geduldig erträgt wie die Zumutungen ihres Daseins als Mutter zweier völlig verwöhnter, fast erwachsener Söhne. Sie leben komfortabel im eigenen Haus, ihre Ehe dauert nun schon fünfundzwanzig Jahre, sie verstehen sich gut, alles ist bestens eingespielt. Sogar der Sex wird pünktlich, aber wohl ziemlich lustlos praktiziert, immer «einmal die Woche». Nur halb so viel allerdings, wie Martin Luther es bekanntlich empfohlen hat: «In der Woche zwier, ist der Weiber Gebühr, schadet weder ihm noch ihr, und macht im Jahr hundertvier!» Ingrid ist zutiefst frustriert, sie sinniert permanent über das Leben an sich und ihre eigene, ihr völlig sinnlos erscheinende Situation. Sie kann nicht mehr, sieht alles schwarz, hat an nichts mehr Freude, fühlt sich von allen verlassen. Sie hadert mit ihrem langweiligen Dasein und entwickelt zunehmend eine beängstigende Menschenscheu.
Bei einer Weihnachtsfeier macht sich eine fesche junge Mitarbeiterin seines Referats an Jan heran, begeistert von der Karaoke-Gesangseinlage ihres Chefs. Noch in der gleichen Nacht geht er mit der fünfunddreißigjährigen Hanne ins Bett, sie erleben rauschhaften Sex miteinander. Hanne ist eine sprunghafte, chaotische Frau, ganz anders als die disziplinierte Ingrid. sie hat es bisher nirgendwo lange ausgehalten und ist schon mehr als zehnmal umgezogen, weil sie immer irgendetwas gestört hat. Die Liaison der Beiden dauert schließlich eineinhalb Jahre. Jan ist hin und her gerissen, kann sich nicht entscheiden zwischen Frau und Geliebter, sucht sogar Rat beim Psychotherapeuten. Der macht ihm klar, dass er nicht alles haben könne, trautes Heim und aufregende Geliebte. Zwischen Vernunft und Brunft, könnte man sagen, durchleben Beide ein Wechselbad der Gefühle, immer erneut erfolgt auf Trennung wieder reumütige Versöhnung im Bett. Bis Hanne, die irgendwann in Torschluss-Panik gerät und ein Kind haben will, ihn eines Tages endgültig zu einer definitiven Entscheidung zwingt.
Die in Deutschland kam bekannte Autorin hat aus einer nicht nur in der Literatur tausendfach thematisierten Beziehungs-Konstellation eine amüsante Geschichte entwickelt, die allerdings unvermeidlich mit diversen Klischees behaftet ist. Nordisch kühl und sachlich, ohne jede Theatralik, hat sie ihre Figuren in allen ihren Hoffungen und Zweifeln psychologisch stimmig dargestellt. Wobei sie viel mit inneren Monologen arbeitet, die das Innenleben ihrer Figuren nachvollziehbar offenlegen und ihre Lebensängste verdeutlichen. Als Leser erlebt man diese Achterbahn der Gefühle hautnah mit, erkennt womöglich sich selbst und andere in manchem wieder. Es ist keine spannende Tragödie, die da geschildert wird, eher ein Drama mit einem nicht vorhersehbaren unspektakulären Ende, ganz ohne Herz/Schmerz-Attitüde, aber immer nach dem Motto: «Und erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt». Nur Ingrid nimmt diese Zäsur gelassen hin, «endlich passiert was», stellt sie erleichtert fest. Als Geschichte einer Befreiung wird hier an das Dilemma erinnert, in dem sich Männer und Frauen befinden, die nicht wahrhaben wollen, dass sich nicht alle ihre Träume erfüllen können, dass sie auf manches verzichten müssen, und dazu gehört nun mal auch die unerfüllte Liebe in allen ihren Spielarten!
Fazit: lesenswert
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